Bekannt wird Damian Hardung durch die Vox-Serie „Der Club der roten Bänder“. Nun kommt der 21-Jährige mit dem Film „Auerhaus“ mal wieder ins Kino. Im Interview mit n-tv.de erklärt er, was er in New York gelernt hat und welche Angst ihn zu Höchstleistungen antreibt.
Als Jonas Neumann in der ausgezeichneten Vox-Serie „Der Club der roten Bänder“ feierte Damian Hardung vielen Kino- und Fernsehfilmen mit sowie in der deutschen Netflix-Produktion „How To Sell Drugs Online (Fast)“ und der in Italien gedrehten englischsprachigen Serie „Der Name der Rose“.
Mit der Coming-of-Age-Geschichte „Auerhaus“ kommt der heute 21-Jährige nun mal wieder auf die Kinoleinwand, und das in der Verfilmung eines der erfolgreichsten deutschen Bücher der vergangenen Jahre. In der Adaption des Romans von Bov Bjerg von Regisseurin Neele Leana Vollmer spielt Hardung Herrn Höppner. Der steckt als Teenager in den 1980er-Jahren mitten im Gefühlschaos zwischen erster Liebe und der Sorge um seinen suizidgefährdeten Kumpel Frieder. Mit n-tv.de hat Damian Hardung über Schicksal und Zufall gesprochen und darüber, was ihn wirklich antreibt.
n-tv.de: Damian, kanntest du das Buch, als die Anfrage für die Rolle von Herrn Höppner kam?
Damian Hardung: Tatsächlich nicht. Ich habe das Drehbuch gelesen und dachte „Wow!“ Direkt danach habe ich dann den Roman gelesen, noch ehe ich mich mit der Regisseurin getroffen habe. Und ich habe mit einer guten Freundin gesprochen, denn „Auerhaus“ ist ihr absolutes Lieblingsbuch. Sie hat gesagt: „Damian, kein Druck, aber wenn du das versaust, war es das mit uns.“ Deswegen habe ich jetzt so kurz vor der Premiere noch zitternde Knie, weil ich nicht weiß, wie es ablaufen wird, wenn sie den Film sieht. (lacht)
Trotz dieser eindringlichen Warnung hast du es gewagt. Was hat dich gereizt an der Rolle beziehungsweise der Geschichte ganz allgemein?
Was mich an „Auerhaus“ fasziniert, ist, dass es eine Geschichte ist, die beim Charakter bleibt. Bei vielen Drehbüchern weißt du, dass der Autor was erzählen will, dann gibt es den Plot, da geht es hin. Solche Plotfilme sind oft vorhersehbar. Das Schöne an einem Charakter-geführten Film wie „Auerhaus“ ist, dass wir beim Höppner bleiben, bei den Freunden. Wir erzählen gar nicht primär eine lineare Geschichte. Wir sagen ja schon am Anfang des Films, dass Frieder sich umbringt. Es gibt keinen offiziellen Bösen. Es geht darum, was Menschen in diesem Alter machen. Wie können die das Leben und ihre Freundschaft zelebrieren? Und wie ist es in den 1980ern gewesen im Vergleich zu heute?
Die Freunde versuchen, Frieder von der Idee abzubringen, sich das Leben zu nehmen. Gibt es etwas, das du an der Stelle deiner Figur in einer solchen Situation anders gemacht hättest?
Ich hatte mal Kontakt zu einer Person, die ähnliche Probleme wie Frieder hatte. Und ich finde, dass genau das die Stärke des Films ist, nämlich dass er nicht wie ein Psychologie-Lexikon aufzeigt, was einen Menschen depressiv macht und wie man ihm hilft. Es gibt nicht nur eine Art Mensch und Depression und Suizid machen nicht vor einem Klassensystem halt. Es geht durch alle Schichten. Es ist dieser schmale Grat in dem Film: auf der einen Seite Verstehen und Akzeptanz, es auf der anderen aber auch nicht glorifizieren. Das ist seine große Stärke. Es ist auch eine Frage von Verantwortung und da kommt mir immer wieder der Satz in den Kopf, den Frieder zu Höppner sagt: „Wenn ich es wieder mache, kannst du nichts dafür.“ Wir können versuchen, Menschen Impulse zu geben und sie auf eine Bahn zu lenken, aber es gibt auch Dinge, die nicht in unserer Kraft liegen. Das ist eine schwere Lektion.
Die mit einer schönen Leichtigkeit erzählt wird. Wie man es auch bei „Der Club der roten Bänder“ und dem Thema Krebs getan hat. Du hast schon recht viele Produktionen vorzuweisen. Dabei wolltest du eigentlich mal Fußballprofi werden, richtig?
Ich habe ein unglaubliches Vertrauen ins Leben, so banal das klingt oder auch so naiv das mit 21 Jahren klingen mag (lacht). Aber das Leben hat mir ganz oft die Impulse zukommen lassen. Als ich 15 war, bin ich ein Jahr in die USA und habe mir dort beim Fußballspielen das Schienbein gebrochen. Ich bin zu früh wieder in die Belastungsphase, konnte es dadurch dann fast ein Jahr wieder nicht belasten, hatte Physiotherapie, bis ich auf dem Stand war wie vorher, und da war es dann zu spät.
Zufall oder Schicksal?
Wer weiß? In dem Moment kam dann verstärkt das Schauspiel in mein Leben und hat mir eine Möglichkeit gegeben, das zu kompensieren. Dafür bin ich unglaublich dankbar.
In den USA warst du, weil du schon mit 14 Jahren ein Stipendium an einer New Yorker Privatschule hattest …
Ja, dafür habe ich halt andere Sachen mit 14 nicht gemacht. (lacht)
Hast du manchmal das Gefühl, einen Teil deiner Teenagerjahre verloren zu haben?
Ich liebe den Satz von Albert Espinosa (spanischer Autor von „Der Club der roten Bänder“, Anm.d.R.): „Respektiere dein früheres Ich!“ Den sage ich mir immer wieder. Inwieweit kann ich denn Dinge verlieren? Man geht immer durchs Leben und denkt, hätte ich mal dies oder das anders gemacht. Diese Opportunitätskosten, also die Kosten für das, was ich nicht getan habe, die steigen. Durchs Internet und die Globalisierung wird uns immer bewusster, was wir alles nicht mehr machen können. Mit jeder Tür, durch die ich gehe, schließen sich zehn andere. Aber ich komme nicht weit damit, die anderen zehn Türen zu betrauern. Stattdessen freue ich mich über den Raum, in dem ich jetzt bin.
Trotzdem noch mal zurück zum Stipendium in New York. Wie bist du durch diese Tür gekommen?
(lacht) Es war ein langer Prozess. Ein Aufnahmetest, Gespräche, die man führen musste, Essays, die man abgeben musste, eine Breitenbegabung, die man vorweisen musste. Es waren Noten, aber auch Interessen in musischen, sportlichen, sozialen Fächern. Da hab ich in meinem Leben schon immer viel gemacht. Ich kann nicht länger als einen Tag nichts tun. Ich habe einen unglaublichen Tatendrang. Die fanden gut, was ich so gemacht habe, und so bin ich nach New York gekommen.
Glaubst du, dass dich das gerade auf Grund deines Alters damals auch menschlich weitergebracht hat?
Ich habe meine Belastbarkeit dort gelernt. Alles, was ich seither gemacht habe – selbst Medizinstudium und Schauspiel als Doppelbelastung – war dagegen ein Klacks. Der Anforderungsbereich dieser Privatschule, gekoppelt mit meinem eigenen Leistungsanspruch war derart enorm, dass ich montags bis sonntags durchgearbeitet habe. Ein Jahr lang. Weil du noch nie einen Essay geschrieben hast und am ersten Tag der Lehrer kommt und dir die Aufgabe gibt: „Schreibe ein Essay über die sowjetische Intervention in Afghanistan 1979 und wie das den Kalten Krieg verändert hat.“ Ich hatte noch nie vom Kalten Krieg gehört, geschweige denn von einem Essay. Also habe ich mir das alles innerhalb von einer Woche draufgeschafft und das dann ein Jahr lang jede Woche wieder aufs Neue. Das war eine unglaubliche Bereicherung. Es hat mir das Selbstvertrauen gegeben, dass ich jede Situation irgendwie lösen kann.
Wenn du ständig die Herausforderung suchst: Gibt es etwas, das dir im Moment so unmöglich erscheint, dass es dich gerade deswegen reizt?
Definitiv. Zum einen ist es das Studium, zu dem ich gerade allerdings nicht komme. Doch Medizin ist noch mal ein ganz anderer Input. Und ich finde es unglaublich spannend, mich damit zu beschäftigen, wie Geschichten eigentlich erzählt werden, und selbst mal an Drehbüchern zu arbeiten. Da spiele ich mit der Idee rum, verschiedene Prämissen zu einem Drehbuch zu entwicklen. Ob nur für mich oder ob echt mal was daraus wird, weiß ich nicht. Aber die Projekte, die ich mache, die ich mir aussuche, das sind alles schon Dinge, die mich wieder fordern. Wenn etwas vor mir liegt, bei dem ich sofort weiß, wo die Reise hingeht, reizt es mich nicht. Aber gibt es etwas an der Rolle, bei dem ich nicht weiß, ob ich es schaffe, dann ist es spannend. Wenn ich diese Angst spüre, ist es genau das Richtige.
Was kommt als Nächstes?
Wir drehen gerade die zweite Staffel von „How To Sell Drugs Online (Fast)“. Ich habe es selten gehabt, dass ich Bücher eines zweiten Teils oder einer zweiten Staffel gelesen habe und dachte: „Wow, das ist ja noch mal besser.“ Das Drehbuch fängt sogar auf, dass Bjarne Mädel nicht mehr dabei ist. (lacht)