Depeche Mode üben sich in düsterer Demut

Depeche Mode üben sich in düsterer Demut

Nach dem Tod von Andy Fletcher machen Depeche Mode als Duo weiter. Jetzt erscheint das 15. Studioalbum, das noch zu „Fletchs“ Lebzeiten entstand. Lebensbejahend klingt das geister- wie meisterhafte „Memento Mori“ trotzdem nicht, auch wenn es so gemeint sein sollte.

Noch kein Jahr ist vergangen, seit Depeche-Mode-Keyboarder Andy Fletcher im Alter von nur 60 Jahren überraschend an einer Aortendissektion, einem Riss in der Hauptschlagader, verstarb. Seinerzeit bereits so gut wie fertig war das jetzt erscheinende 15. Studioalbum der Band, das Dave Gahan und Martin L. Gore notgedrungen als Duo präsentieren – ohne den zwischen den beiden Alpha-Tieren vermittelnden „Fletch“. Dass auf „Memento Mori“ (zu Deutsch: „Sei dir der Sterblichkeit bewusst“) nicht nur der Titel selbst, sondern auch vieles andere nach Tod klingt, ist Zufall. Und dennoch ist es ein eleganter Abschied von jenem Mann, der 42 Jahre lang ein wichtiger Teil der Band war.

Der gespenstische Grundton des Albums ist also eher von der Pandemie, der Klimakrise und dem Krieg gespeist, in deren Angesicht so einiges nichtig erscheint und es für viele ums nackte Überleben geht. Etwas, womit sich Teilzeit-Songwriter Gahan nach einem Suizidversuch, einem Beinahe-Drogentod sowie einer Krebsdiagnose bestens auskennt. Er und Vollzeit-Songwriter Gore haben sich somit mit dem Ableben befasst, noch ehe es ihre Band direkt betraf. Dabei herausgekommen sind zwölf Songs zwischen Tod, Trauer, Einsamkeit, Schmerz, Sehnsucht, Zweifel, Enttäuschung, Abschied und Demut. Ein bisschen Hoffnung und Freude kommen aber auch darin vor.

Kein Krieg, kein Schmerz, kein sinnloser Tod

So fleht der von Verrat handelnde Opener „My Cosmos Is Mine“ um „no war“ (kein Krieg), „no fear“ (keine Angst), „no pain“ (kein Schmerz), „no final breaths“ (kein letzter Atemzug) und „no senseless death“ (kein sinnloser Tod). Besser könnte ein Text kaum zur aktuellen Zeit und zur letztjährigen Gefühlslage der Band passen. Es folgen Reminiszenzen an den eigenen Sound der 80er wie „Wagging Tongue“ und „Never Let Me Go“, und die bereits bekannte Single „Ghosts Again“, mit der Depeche Mode dafür plädieren, die eingeschränkte Lebenszeit sinnvoll zu nutzen. „Für mich fängt ‚Ghosts Again‘ das perfekte Gleichgewicht zwischen Melancholie und Freude ein“, erklärte Frontmann Gahan mal. So richtig fröhlich wird es auf „Memento Mori“ allerdings nie.

Natürlich darf auch die übliche von Gore intonierte Ballade nicht fehlen, die dieses Mal den Titel „Soul With Me“ trägt und nicht zu den stärksten ihrer Art gehört. Man denke da nur an „Somebody“, „A Question Of Lust“ oder „The Things You Said“. Überhaupt geht es insgesamt recht ruhig zu, halten sich die Beats per Minute im eher gediegenen Bereich. Daher dürften es nicht alle Stücke in die Setlist für die anstehende und fast ausverkaufte Stadiontour schaffen, die Depeche Mode unter anderem nach Berlin, München und Frankfurt führt.

Music for the Fan Masses

Neben den altbekannten Hits der 1980 im britischen Basildon gegründeten Band können sich wohl am ehesten das gitarrengetriebene „My Favorite Stranger“, das Drogen thematisierende „Caroline’s Monkey“ sowie die Vorabsingles „Ghosts Again“ und „My Cosmos Is Mine“ live beweisen. Verzichten sollten Gahan, Gore und ihre Live-Musiker besser auf das letzte Stück des neuen Albums, „Speak To Me“, das dem Zuhörer emotional final die Schuhe auszieht.ANZEIGE

Produziert wurde „Memento Mori“ von James Ford, sonst verantwortlich für das Projekt Simian Mobile Disco, aber auch für Alben von Florence + The Machine und Arctic Monkeys. Ihm zur Seite stand die aus Italien stammende und in London lebenden Marta Salogni, die bereits für Björk, Black Midi und Bon Iver arbeitete und zuletzt einige namhafte Auszeichnungen einsammeln konnte.

Alles in allem ist „Memento Mori“ ein Depeche-Mode-Album, das die Fans trotz oder aufgrund seiner tiefen Traurigkeit und melancholischen Selbstreflexion befriedigen, wenn nicht gar glücklich machen wird, da es alle musikalischen Phasen der Band Revue passieren lässt. Und es versöhnt den einen oder anderen nach dem schwächeren „Spirit“ von 2017. Gore und Gahan zeigen, dass sie es auch mit 60 noch können und untermauern ihren Status als eine der wichtigsten und einflussreichsten Bands unserer Zeit.

Merch-Event mit Doppeldeckerbus

Freuen dürfen sich die Fans übrigens auch noch über eine besondere Promo-Aktion anlässlich der Albumveröffentlichung. Eine Woche lang fährt ein Depeche-Mode-gebrandeter Doppeldeckerbus durchs Land und bietet exklusive Merch-Artikel feil, darunter „Memento Mori“ in rotem Vinyl. Wer noch keine Tickets für die Tour hat, kann außerdem darauf hoffen, hier welche für das erste Deutschlandkonzert in Leipzig zu gewinnen – inklusive Meet & Greet mit Gahan und Gore.

Am 23. März wird der Bus auf dem Hamburger Spielbudenplatz stehen, wo man ab Mitternacht dann auch das Album käuflich erwerben kann. Danach geht es nach Berlin und Dresden zu den offiziellen Releasepartys, dann stehen noch Leipzig, München, Stuttgart, Frankfurt und Essen auf dem Reiseplan. Alle Infos dazu gibt es hier.

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