Der innere Schweineelefant

Der innere Schweineelefant

Ich bin eine Gefangene meines inneren Schweinehunds. Den konnte ich ein Jahr lang zwei bis drei Mal die Woche besiegen, indem ich meine Laufschuhe anzog und an ihm vorbei zur Tür hinaus hechtete. Zwar holte er mich auf den acht Kilometern immer wieder mal ein, doch ich schüttelte ihn jedes Mal ab. Nun aber scheint es, als ernähre sich so ein innerer Schweinehund von veränderten Lebensumständen und zu Ausreden verführenden Gelegenheiten.

Ein Urlaub, eine fiese Erkrankung, eine ebenso fiese Fußverletzung, zu viel Arbeit, zu lange Arbeitszeiten, schwere Unwetter und durch die damit einhergehende Schwüle bedingte Migräneattacken waren Futter genug, um ihn auf die Größe eines Elefanten anwachsen zu lassen. Aktuell versperrt er mir den Weg, sobald ich auch nur in die Nähe meiner Laufschuhe komme. Ich versuche es rechts vorbei, links vorbei, untendurch und obendrüber, doch ich habe einfach keine Chance.

Auch scheint er die Fähigkeit zu besitzen, mein Interesse ganz schnell auf andere Dinge umzulenken. Eine spontane Verabredung trotz des eigentlich geplanten Auslaufs, ein Glas eiskalten Weißweins bei Außentemperaturen um die 30 Grad, ein Text, der unbedingt noch heute geschrieben werden muss, wenn der Abgabetermin auch noch in ferner Zukunft liegt – und schon hat der innere Schweineelefant gewonnen. Dann warte ich auf eine bessere Gelegenheit, weil es doch gerade ohnehin zu heiß, zu kalt, zu nass, zu trocken, zu laut, zu leise, zu windig oder was auch immer ist.

Gerade werfe ich einen Blick auf all meine Ausreden der letzten drei Wochen und muss geknickt feststellen, dass mindestens drei oder vier Mal Faulheit das Einzige war, das mich davon abhielt, durch die Tür zu gehen und loszulaufen. Mir wird außerdem bewusst, dass nur ich selbst dafür sorgen kann, dass aus dem Schweineelefanten sehr bald wieder ein possierliches, leicht abzuschüttelndes Kleintier wird. Und ja, auch diese Kolumne diente mir als Ausrede, mit einem Glas eisgekühlten Weißweins auf dem Sofa sitzen zu bleiben.

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