In den 1960er-Jahren war der chaotische Alfons Zitterbacke für viele Kinder in der DDR ein kleiner Held. Jetzt kommt die Geschichte neu ins Kino. Vater-Darsteller Devid Striesow verrät n-tv.de, worin für ihn die Unterschiede zwischen damals und heute bestehen.
Die DDR-Kinderbuchfigur Alfons Zitterbacke schaffte es zum ersten Mal 1966 ins Kino. Seinerzeit wurde die originelle Geschichte des zehnjährigen Pechvogels von Regisseur Konrad Petzold auf Zelluloid gebannt. Mehr als 50 Jahre später kehrt der Bengel nun unter der Regie von Mark Schlichter zurück auf die große Leinwand, um alte Fans zu erfreuen und neue dazuzugewinnen.
Tollpatsch Alfons Zitterbacke möchte ausgerechnet ein genialer Erfinder und Astronaut werden, dabei stolpert der Zehnjährige eigentlich nur von einem Missgeschick zum nächsten. Er wird häufiger ermahnt als gelobt, sowohl von seinen Lehrern als auch von den Eltern. Doch davon lässt sich Alfons nicht beirren und schon gar nicht unterkriegen. Unbedingt will er den Fluggeräte-Wettbewerb an seiner Schule gegen seinen Erzrivalen Niko gewinnen. Dafür gibt ihm dann auch Deutschlands Super-Astronaut Alexander Gerst den einen oder anderen Ratschlag.
Neben Alexandra Maria Lara als Alfons‘ Mutter spielt Devid Striesow seinen Vater in dem klamaukigen Streifen, der die alte Geschichte ins Hier und Jetzt transportiert. Striesow kennt den Jungen quasi noch aus seiner eigenen Kindheit, wurde er doch vor 45 Jahren auf Rügen geboren und wuchs in Rostock auf. Anfang des Jahres lief der letzte Saar-„Tatort“ mit ihm als Kommissar Stellbrink, doch Striesow hat längst viele andere Jobs in der Tasche. Neben „Alfons Zitterbacke“ ist er aktuell in der Sky-Serie „8 Tage“ sowie auf der Bühne des Deutschen Schauspielhauses in Hamburg zu sehen. Mit n-tv.de hat Striesow unter anderem übers Altern und die Nachteile der digitalen Vernetzung gesprochen.
Herr Striesow, welche persönliche Verbindung hatten Sie als Kind der DDR zu Alfons Zitterbacke?
Devid Striesow: Ich kenne natürlich den alten Spielfilm von 1966, bei dem Günther Simon den Vater spielte. Er war eine Ikone proletarischer Darsteller im Osten, ein echter Bär, daran erinnere ich mich noch genau. Die Reaktion von Eltern aus dem Osten, wenn sie von unserem Film hören, ist immer: „Was, ihr macht Zitterbacke nochmal?“ Und auch die eigene Generation weiß direkt Bescheid.
Aber Ziel ist es ja vermutlich, auch Leute ins Kino zu bekommen, die Zitterbacke bisher noch nicht kennen?
Ich hoffe, die Leute gehen in den Film, weil sie den Cast sympathisch und die Story so aufregend finden, dass sie Bock darauf haben. Es ist schließlich die Aufgabe neu aufgelegter Klassiker, sie einem breiteren Publikum näherzubringen. Dafür haben wir die Kindergeschichte ins Heute verlegt.
In ihren Grundzügen ist sie jedoch gleich geblieben. Es geht ums Scheitern und Wiederaufstehen …
Richtig, und es geht um Fantasie und Träume, zum Beispiel wenn Alfons mit Plakaten spricht und ‚Astro-Alex‘ ihm Ratschläge gibt. Grundsätzlich ist das Scheitern und Wiederaufstehen eine energetische Sache, für die Kinder noch am meisten Energie haben, weil sie sich eben noch mit Träumen beschäftigen.
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Das lässt Ihrer Meinung nach im Erwachsenenalter also nach?
Manche gehen davon aus, dass das Altern der Zustand ist, in dem man aufhört, sich begeistern und überraschen zu lassen. Das finde ich einen interessanten Ansatz. Man sagt gerade dem Schauspieler nach, er trage seine Kindheit in einem Koffer mit sich herum. Ganz so infantil ist es natürlich nicht, aber sich nochmal überraschen zu lassen oder das Leben und Begegnungen als einzigartig, als Wunder zu betrachten, öffnet einem viel mehr Möglichkeiten. Das ist besser, als alles als abgeschlossen und bereits bekannt anzusehen, das verstehe ich unter Altern.
Alfons ist zehn Jahre alt und möchte unbedingt Astronaut werden. Können Sie sich noch erinnern, welchen Berufswunsch Sie in seinem Alter hatten?
Ich war damals jedenfalls sehr von Tieren begeistert und hatte den unbändigen Drang, einen Hund zu bekommen. Ich weiß noch, dass meine Eltern mir nach sehr langem Hin und Her und ständigem Nachtreten meinerseits mit zwölf Jahren dann schließlich einen Dackel gekauft haben.
Also wollten Sie Tierarzt werden?
Ja, das auch irgendwann. Aber angefangen hat es mit Müllfahrer. Im Osten gab es so runde Mülltonnen und immer wenn die Müllmänner die abgeholt und geleert hatten, konnten sie sie rechts und links neben sich her drehend wieder zu ihrem Platz bringen. Das habe ich zu Hause geübt, ging aber leider gründlich schief. Raumfahrt, wie bei Alfons, hat mich seltsamerweise nie interessiert. Das ist an mir vorbeigegangen wie ein Pekinesenfurz. Ich fand die Mongolen spannend und auch die Indianer, aber Science-Fiction war nichts für mich. Mein großer Sohn hat mir eine „Star Wars“-DVD-Sammlung geschenkt, da will ich irgendwann mal reinschauen. So richtig habe ich mich noch nicht getraut.
In Ihrer Rolle als Vater von Alfons sind Sie mitunter streng und versuchen, aus dem Jungen etwas zu machen, was er selbst gar nicht sein will. Handhaben Sie das privat auch so?
Das würde ich nie machen. Ich habe früh erkannt, dass man eh so viel mit sich rumschleppt und reproduziert, dass man aufpassen muss, dass man nicht das weitergibt, was man selbst an sich nicht mag. Man empfindet sich oft selbst nicht so, wie man von außen betrachtet wird. Man erkennt sich am ehesten an den Seiten, die man gar nicht mag und gern verbergen würde. Kinder sind dafür ein guter Spiegel, daran sieht man es direkt und kann sich nichts vormachen. Das ist der Vorteil, wenn man ein reiferer Vater ist, da bin ich sehr wachsam.
Glauben Sie, dass Kinder in Alfons‘ Alter heute anderen Problemen gegenüberstehen als bei der Entstehung der Geschichte in den 1960er-Jahren oder auch, als Sie selbst in den 80ern in seinem Alter waren?
Die Probleme werden immer dieselben sein, nur die Mittel unterscheiden sich. Was früher „hänseln“ genannt wurde, hat im digitalen Zeitalter noch mal eine neue, gewaltigere Komponente dazu bekommen: das Bashen mit den Mitteln eines Handys, einer Kamera, eines Dokumentierens, eines Erpressens. Diese Dinge haben einen krassen Stellenwert bekommen, der Angst macht. Allein die Verfügbarkeit der Kameras in Handys und der Handys überhaupt zum Zwecke der Erreichbarkeit stellt einen wahnsinnigen Druck dar und ist eine neue Dimension. Dadurch, dass die Möglichkeiten der Verfremdung so groß sind, werden auch Belanglosigkeiten auf ein Niveau gehoben, das die Angst schürt. Da ist die Familie als kleinste Zelle gefragt …
… und die echten Freunde. Freundschaft ist auch ein großes Thema des Films. Wie halten Sie es mit Ihren?
Ich habe immer noch sehr gute Verbindungen zu einigen Mitgliedern meiner Band in Rostock – das war eine sehr große Band. (lacht) Alte Freundschaften haben einen großen Stellenwert und Bestand bei mir. Neue Freundschaften sind über die Jahre auch entstanden, aber es sind nicht Freundschaften ohne Ende. Dafür ist der Bekanntenkreis riesig. So riesig, dass ich auf der Berlinale schon mal Leute treffen, die ich kenne, deren Name mir aber partout nicht einfällt. Und da kann ich denjenigen auch sehr mögen, schon eine ganze Nacht mit ihm zusammengesessen und geredet haben, das hat damit überhaupt nichts zu tun. Es sind pro Projekt im Schnitt 60 Leute, die dazukommen, das sind einfach zu viele.
Sie sind auch in der Anfang März gestarteten Sky-Serie „8 Tage“ zu sehen, in der doch etwas anderen, wenig sympathischen Rolle des Baustoffhändlers Klaus. Vermutlich ein Projekt, das Sie mehr gefordert hat als die Rolle von Vater Zitterbacke?
Die Herausforderung war bei „8 Tage“, einer achtteiligen Serie, die nicht chronologisch gedreht wurde, über die Strecke zu wissen, in welchen Zuständen sich Klaus gerade befindet. Das ist bei einem Drehbuch von 100 Seiten einfacher. Bei „8 Tage“ sind die Geschichten miteinander verwoben, und wir sind von einer zur anderen gesprungen. Dann beim Spielen immer zu wissen, wo du gerade gelandet bist, war die größte Aufgabe daran. Wenn ich mit Maria Schrader „Wer hat Angst vor Virginia Woolf?“ im Deutschen Schauspielhaus in Hamburg spiele, bin ich froh, wenn ich die ganze Zeit auf der Bühne bin und Vollgas geben kann, weil ich dann genau weiß, wie ich den Text musiziere. Da sind die Nuancen klar. Den ein bisschen doofen Vater von Alfons Zitterbacke versuche ich aus der Perspektive des Kindes zu sehen und auch das hat seinen Reiz.