Heißt die Hauptfigur in „Die Fabelmans“ auch Sammy, verbirgt sich dahinter Regisseur Steven Spielberg selbst. In dem Coming-of-Age-Drama erzählt der heute 76-Jährige halb autobiografisch, wie er als Kind die Liebe zum Film und als Teenager die Kunst des Filmemachens entdeckte.
Fünf Golden Globes konnte Steven Spielbergs sehr persönliches Werk „Die Fabelmans“ bereits abgreifen. Wenn am 12. März in Los Angeles die Oscars verliehen werden, können der Regisseur und sein Team auf sieben weitere Preise hoffen. Unter anderem ist der Mix aus emotionalem Familiendrama und Coming-of-Age-Geschichte in den Kategorien „Bester Film“, „Beste Regie“, „Bestes Originaldrehbuch“ und „Bestes Szenenbild“ nominiert.
Auch Teile des Casts dürfen auf einen Goldjungen spekulieren. Michelle Williams als „Beste Hauptdarstellerin“ für die Rolle als Mutter Mitzi sowie Judd Hirsch als „Bester Nebendarsteller“, der Sammys Künstler-Onkel Boris mimt. Last but not least geht der Film in der Kategorie „Beste Filmmusik“ ins Rennen, für die wieder einmal Mal Spielberg-Kumpel John Williams verantwortlich zeichnet.
Und „Die Fabelmans“, der jetzt bei der Berlinale erstmals auf deutschem Boden präsentiert wurde, hätte jeden einzelnen dieser Awards durchaus verdient. Halb autobiografisch erzählt Spielberg darin seine Geschichte. Der Zuschauer erfährt, wie der heute 76-Jährige schon als Kind die Liebe zum Film entdeckte und mit welchen familiären Widerständen er als Teenager zu kämpfen hatte, um seinem Berufswunsch nachgehen zu können.
Sammy ist Steven
Sammy Fabelman (Gabriel LaBelle) wohnt mit seiner Familie an der US-Ostküste, bis es seinen Vater Burt (Paul Dano) aus beruflichen Gründen nach Kalifornien zieht und so die gesammelte Bande, darunter Mutter Mitzi (Michelle Williams), Familienfreund „Onkel“ Bennie (Seth Rogen) und Sammys drei Geschwister, ihren Lebensmittelpunkt an die sonnige Westküste verlagert. Zu diesem Zeitpunkt hat Sammy durch ein eigentlich traumatisches Kinoerlebnis als Kind bereits seine Liebe zum Film entdeckt.
Mit der Unterstützung seiner Mutter, der Hilfe seiner Schwestern und später auch vieler Freunde dreht er erste Filme und beweist, dass er ein großes Talent zum Geschichtenerzählen hat. Sammys Vater Burt ist zwar stolz auf das Engagement seines Ältesten, aber als dieser plant, aus dem Hobby einen Beruf zu machen, stellt er sich dann doch quer. Sammy muss jedoch nicht nur gegen den Widerstand seines Vaters kämpfen, auch innerhalb der übrigen Familie gibt es Entwicklungen, die der Teenager durch die Linse seiner Kamera entdeckt, die ihn verstören und sein bisheriges Leben auf den Kopf stellen.
Initialzündung Kino
Dass sich Sammy alias Steven gegen seinen Vater durchsetzt, ist bekannt, würde es sonst doch Filme wie „E.T.“, „Der weiße Hai“, „Jurassic Park“, „Indiana Jones“, „Schindlers Liste“ oder eben auch „Die Fabelmans“ nicht geben. Mit Letzterem erfährt man nun aber auch, wie Spielbergs Liebe zum Kino entstanden und gewachsen ist.
In den 1950er-Jahren war Film ein nicht ständig verfügbares Erlebnis. Es war etwas Besonderes, das Körper und Geist ergreifen und nie wieder loslassen konnte. So ergeht es auch Sammy, der als Knirps eine Filmszene beobachtet, in der ein Auto mit einem Zug kollidiert, woraufhin der mit viel Getöse entgleist. Damit der Junge versteht, was auf der Leinwand tatsächlich passiert ist und endlich wieder ruhig schlafen kann, hilft ihm Mutter Mitzi, diese Szene zu Hause nachzustellen und legt so unwissentlich den Grundstein für diese besondere Karriere.
Von nun an sieht man Sammy dabei zu, wie er seine Ausrüstung zusammenbaut, mit geringen Mitteln und viel Fantasie Szenenbilder und Effekte kreiert, das Material schneidet und auf die Leinwand bringt, wo es die zunächst verwandten Zuschauer begeistert. Die Magie, die Spielberg im Filmemachen damals sah und bis heute sieht, wird in nahezu jeder Szene von „Die Fabelmans“ sicht- und spürbar. All die Kurzfilme, die Teenager Sammy dreht, zeigen, wie er sich diese Kunst nach und erarbeitet hat. Doch ist es nicht das allein, was den Film sehenswert macht.
Emotionales Familiendrama
Auch die Beziehungen innerhalb der Familie und deren Entwicklungen berühren. Michelle Williams als Mitzi schafft es, mit nur einem einzigen Blick 1000 Worte zu sagen. Trauer, Schmerz und Bedauern auszudrücken, wenn sie feststellt, dass ihr Sohn unter großen Anstrengungen ein Geheimnis hütet, das eigentlich ihres ist und das sich nicht mehr allzu lange verschweigen lässt. Überhaupt zeichnet das Dreieck Williams, LaBelle und Dano ein emotionales Familienbild, das bei aller Harmonie vor Drama nicht gefeit ist.
Gemessen am bisherigen Werk Spielbergs ist „Die Fabelmans“ sicher sein bodenständigster Film, der besonders viel Liebe und Wärme ausstrahlt. Und das ist zum einen die wohl größte Stärke des zweieinhalbstündigen Dramas, dürfte manch einem Fan deswegen aber auch weniger gefallen, der darin womöglich nur einen aufwendig produzierten US-Heimatfilm erkennt.