In der ersten Regiearbeit von Produzent Christopher Doll spielt dessen Ehefrau Karoline Herfurth zusammen mit Tom Schilling ein Elternpaar, das sich entscheiden muss. Schafft die Familie den Ausstieg aus dem Alltag oder zerbricht sie am Stress? Ein Film über ein Luxusproblem.
Dem Haus der Berliner Produktionsfirma Hellinger/Doll ist im Laufe der Jahre schon so manche Mainstream-Komödie entsprungen. „Vier gegen die Bank“, „SMS für dich“, „Sweethearts“, „Traumfrauen“, „Wunderschön“, „Einfach mal was Schönes“ – um nur ein paar zu nennen. In der Regel immer mit dabei ist Karoline Herfurth. So auch beim ersten Film, für den sich ihr Ehemann Christopher Doll als Regisseur verdingte.
Es war einmal im Prenzlauer Berg … Die Küpers sind zunächst eine Familie wie viele andere in Berlin, München, Hamburg oder Düsseldorf. Vater Wolf (Tom Schilling) arbeitet als UN-Umweltexperte und ist ein Workaholic, ständig unterwegs, um die Welt ein wenig besser zu machen. Mutter Vera (Karoline Herfurth) kümmert sich derweil um die zwei Kinder und stellt dafür ihre eigenen Bedürfnisse und beruflichen Ambitionen als Bauingenieurin zurück. Belohnt wird sie dafür mit einer schicken Bude, bestraft mit zu wenig Aufmerksamkeit und Unterstützung seitens ihres Ehemannes.
Fokussierung auf die schönen Dinge
Als sich herausstellt, dass Tochter Nina (Pola Friedrichs) aufgrund einer Entwicklungsverzögerung besonderen Support benötigt, ist Vera endgültig am Ende ihrer Kräfte und ihrer Geduld angelangt. Das macht sie Wolf gegenüber deutlich, und spätestens an diesem Punkt fängt die Geschichte der Familie an, sich von denen vieler anderer zu unterscheiden. Wolf beschließt, zugunsten seiner Liebsten den Job hintanzustellen. Seine Tochter wünscht sich nämlich eine Million Minuten für schöne Dinge, und so soll es für zwei Jahre gemeinsam auf Reisen gehen. Über die Ziele entscheidet Ninas Finger auf dem sich drehenden Globus. Das ist sicherlich nichts, wovon nicht auch andere träumen, nur können die wenigsten ihren Job einfach so per Remote erledigen. Die Küpers haben Glück, Wolf mit Claudia (Anneke Kim Sarnau) eine verständnisvolle Chefin und auch Vera eine freiberufliche Tätigkeit, die es ihr möglich macht.
Das funktioniert allerdings dennoch alles nur eingeschränkt, denn so schön es am Strand von Thailand, wo es die Küpers zuerst hinführt, auch ist, so instabil ist das dortige Internet. Wobei es schlechter als in Deutschland doch eigentlich kaum sein kann. Und so hat die Kombination aus Urlaubsfeeling, Kinderbetreuung und beruflicher Belastung beider Elternteile bei Zeitverschiebung so ihre Tücken. Als es nach heißen Monaten in der thailändischen Sonne schließlich ins deutlich kühlere Island geht, kommt mit Einar (Rúrik Gislason) die nächste Herausforderung für das Paar dazu. Obendrein muss Wolf auch immer wieder seinem Vater (Joachim Król) die Stirn bieten, der für die Eskapaden seines sonst so karriereorientierten Sohns nur wenig Verständnis zeigt.
Sachbuch diente als Vorlage
Die Story basiert auf der wahren Geschichte von Wolf Küper, der darüber ein Buch geschrieben hat, und trifft sicherlich einen Nerv. Schließlich ist es eine Binsenweisheit, dass die Familie wichtiger sein sollte als der Job. Und doch ist das Ganze sehr weit weg von der Lebensrealität der meisten Menschen. Viele können es sich schlicht nicht leisten, ihren Alltag derartig umzukrempeln. Anderen fehlt dafür der Mut. Damit dient der Film nicht unbedingt als Anleitung für ein besseres Leben.
Dafür bietet „Eine Million Minuten“ schöne Bilder traumhafter Kulissen, rührende Momente, für die hauptsächlich die zehnjährige Pola Friedrichs verantwortlich ist, durchaus pointierte Streitdialoge und emotionale Musikuntermalungen dank Bands wie Florence + the Machine oder The National. Im Streit um Beruf und Care-Arbeit werden sich in den Küpers vermutlich einige wiedererkennen, deren übrige Hipster-Probleme hingegen sind purer Luxus. Alles wirkt ein wenig zu glatt gebügelt, vom großen Drama weit entfernt. Und doch gelingt es dem Film, den Zuschauer zumindest kurz zu der Überlegung zu verleiten, ob diese Form des Ausstiegs nicht doch eine Option sein könnte.