„Eingeschlossene Gesellschaft“: Dieses Lehrerzimmer ist ein Haifischbecken

„Eingeschlossene Gesellschaft“: Dieses Lehrerzimmer ist ein Haifischbecken

Mit „Eingeschlossene Gesellschaft“ kommt mal wieder eine Komödie von Sönke Wortmann in die Kinos, die mit großem Staraufgebot und bissigen Dialogen glänzt. Das Kammerspiel aus dem Lehrerzimmer ruft aber auch unliebsame Erinnerungen an die eigene Schulzeit wach.

Gefühlt kommt aktuell jede Woche ein neuer Film von Sönke Wortmann in die Kinos. Allerdings hat der 62-Jährige nicht etwa zeitgleich an mehreren Projekten gearbeitet. Vielmehr entstand einiges noch vor der Corona-Pandemie und lag dann erstmal eine Weile auf Halde. Nach „Der Vorname“ und „Contra“ steht nun mit „Eingeschlossene Gesellschaft“ seine nächste Komödie auf dem Programm. Wortmann-Fans ahnen beim Plot schon, dass der Streifen als eine Art Weiterführung der Idee von „Frau Müller muss weg“ aus dem Jahr 2015 verstanden werden kann.

Es ist kurz vorm Wochenende. Im Lehrerzimmer eines Gymnasiums sind nur noch ein paar Angehörige des Lehrkörpers vertreten, als Manfred Prohaska (Thorsten Merten) die Szenerie betritt. Der Vater ist hier, um für die Abiturzulassung seines Sohnes zu kämpfen, dem diese angeblich zu Unrecht verwehrt wurde. Prohaska ist in all seinem stellvertretenden Ehrgeiz derartig wütend und verzweifelt, dass er auch vor dem Einsatz einer Schusswaffe und einer damit einhergehenden Geiselnahme nicht zurückschreckt, um für seinen Sprössling den einen fehlenden Punkt zu erkämpfen. Und so trägt er den Lehrern auf, ihre Punktevergabe noch einmal zu überdenken.

Länger als ihnen lieb ist, hocken sich nun der kumpelhafte Sportlehrer Peter Mertens (Florian David Fitz), die gefürchtete Heidi Lohmann (Anke Engelke), der selbstgerechte Klaus Engelhardt (Justus von Dohnányi), der verständnisvolle Vertrauenslehrer Holger Arndt (Thomas Loibl), der nerdige Naturwissenschafts-Pauker Bernd Vogel (Torben Kessler) sowie die (noch) hoch motivierte Referendarin Sara Schuster (Nilam Farooq) auf der Pelle und müssen miteinander reden, ohne es zu wollen. Dass die Situation immer mehr außer Kontrolle gerät, ist dabei nicht allein der beängstigenden Geiselnahme geschuldet. Auch unter den Lehrern selbst ist manches unausgesprochen und bahnt sich seinen Weg an die Oberfläche. Die Fassaden aller bröckeln nach und nach, ehe sie sich schließlich sogar gegenseitig an die Gurgel gehen.

Die Coolen, die Netten und die Unbeliebten

In „Eingeschlossene Gesellschaft“ rechnet Wortmann – wie eben schon bei „Frau Müller muss weg“ – mit dem hiesigen Schulsystem ab. Während es 2015 um den Wechsel von der Grundschule aufs Gymnasium ging – übrigens waren auch da Anke Engelke und Justus von Dohnányi Teil des Casts – ist mit den Schülern auch der Zynismus bei den Lehrern gewachsen. Wortmann zeigt Lehrertypen, wie sie wohl jeder noch aus seiner eigenen Schulzeit kennt: Die einen sind zu nett, um von den Schülern ernst genommen zu werden, die anderen zu streng und zu konservativ, um bei ihnen beliebt zu sein. Die, die sowohl angehört als auch gemocht werden, haben dagegen einen schweren Stand bei ihren misstrauischen und neidischen Kollegen.

Hauptspielort ist das Lehrerzimmer, nur wenige Szenen finden außerhalb dessen statt. Und so lebt „Eingeschlossene Gesellschaft“ vor allem von den Dialogen, die mal bissig und auf den Punkt sind, mal aber auch vor Klischees nur so triefen. Grundlage des Beinahe-Kammerspiels war ein Hörspiel von Jan Weiler, der gemeinsam mit Wortmann auch das Drehbuch für den Film schrieb. Und das mit einer angenehmen Schadenfreude und einem Hauch Nostalgie, denn manches Mal fühlt man sich als Zuschauer an die eigene Schulzeit erinnert.

Das ist dann auch gleich die Crux des Films, denn der behandelt vor allem altbekannte zwischenmenschliche Probleme, weniger all das, was zuletzt die Pandemie an schulsystemischen Mangelerscheinungen zutage gefördert hat. Im Fokus steht stattdessen pädagogisch unzureichend agierendes Lehrpersonal, das willkürlich und nicht selten nach Sympathie Punkte vergibt, ohne zu berücksichtigen, welche Folgen das für den weiteren Lebensweg der Schüler hat. Vieles andere wird zwar angeschnitten, aber das wenigste davon zu Ende geführt.

Dennoch funktioniert „Eingeschlossene Gesellschaft“ dank des fantastischen Zusammenspiels aller Beteiligten ganz prima. Pointierte Dialoge, garstige Bemerkungen, fiese Beschimpfungen und bislang gut gehütete Geheimnisse bescheren dem Zuschauer rund 100 kurzweilige Minuten in bester Wortmann-Manier. Vor allem Anke Engelke als zutiefst verbitterte Englischlehrerin sorgt für viel Freude.

Previous post „Bis wir tot sind oder frei“ – Von echtem Schmerz und wahrer Freiheit
Next post Tom Schilling: „Mein Mindset ist Sehnsucht“