Ich habe es nicht gelesen. Seinerzeit. Habe mich schlicht verweigert und diese Einstellung bis heute beibehalten. Auch weigere ich mich zu glauben, dass es einen solchen Hype um dieses Buch gegeben hätte, wäre der Name seiner Autorin Erna Hubbels und nicht Charlotte Roche gewesen. „Feuchtgebiete“, der Roche-Debütroman, erschien vor zwei Jahren und platzierte sich direkt an der Spitze der Bestsellerlisten. Die einen amüsierten sich köstlich – in diesem Zusammenhang wohl eine eher gewagte Wortwahl – über Roches plakative wörtliche Darstellung der überaus aktiven Sexualität eines weiblichen Teenagers. Die anderen wandten sich angewidert ab ob ihrer obszönen und sehr direkten Ausdrucksweise. Ich tat weder das eine, noch das andere. Ich weigerte mich halt, das sagte ich schon. Nun ist Charlotte Roches neues Werk, „Schoßgebete“, erschienen, und wieder ist sie auf den ganz vorderen Tischen in den großen Buchhandlungen, im größten Schaufenster der Läden und auf den entsprechenden Seiten der Zeitungen und Zeitschriften übergroß präsent.
Ich werde auch dieses Buch vermutlich nicht lesen, und doch ist meine Neugier geweckt. Ich frage mich, was es ist, das die Leute an den geschriebenen Obszönitäten von Charlotte Roche so fasziniert. In Zeiten von Youporn, Pornhub etc. ist Sexualität doch längst kein Aufreger mehr. Sobald aber Worte wie Smegma, Muschi und Analverkehr fallen, zucken einige Leute offenbar immer noch verschreckt zusammen und/oder erröten ad hoc, während andere es kaum erwarten können, die provokante Lektüre in Händen zu halten, bzw. in einer Hand – die zweite brauchen sie womöglich während des Lesens für andere Dinge. Allerdings geht es diesmal laut Info auch um die Themen Ehe und Familie, was wiederum auf den einen oder anderen in der geplanten Ausübung der Masturbation hemmend wirken dürfte.
Natürlich benutze ich die in dieser Kolumne unauffällig platzierten Aufreger-Wörter – Smegma, Muschi und Analverkehr – auch nur, um bei der Google-Suche nach Themen wie diesen mehr Leute auf mich aufmerksam zu machen und so von Frau Roches Erfolg wenigstens ein bisschen mit zu profitieren. Sex sells – das weiß ja jeder.