Fink: „Früher habe ich auf Tour viel Alkohol getrunken“

Fink: „Früher habe ich auf Tour viel Alkohol getrunken“

Fink ist enorm umtriebig und doch nie ganz im Mainstream angekommen. Mit „Beauty In Your Wake“ veröffentlicht der Brite mal wieder einen neuen Studio-Longplayer. Mit ntv.de spricht der Singer, Songwriter und Producer über seine Rückkehr nach Cornwall und die Vorteile seiner Alkoholabstinenz.

Finian Paul Greenall alias Fink ist ein extrem umtriebiger Musiker und dennoch nie ganz im Mainstream angekommen. Mit „Beauty In Your Wake“ veröffentlicht der in Berlin lebende Brite, der einst als Dubstep-DJ unterwegs war und bis heute oft elektronische Versionen seiner Alben releast, ein neues Studioalbum als Indie-Folk-Pop-Singer-Songwriter. Darauf transportiert er mit wenigen Mitteln und einer besonderen Leichtigkeit erneut große Emotionen.

Doch Fink hat 2013 auch eine Platte mit dem Amsterdamer Royal Concertgebouw Orchestra aufgenommen, mit „Fink’s Sunday Night Blues Club“ 2017 eine Blues-Scheibe auf den Markt gebracht und zuletzt gemeinsam mit seiner Lebenspartnerin, der iranischen Musikerin Mentrix, den Soundtrack zum neuesten Teil der Videospiel-Saga „Prince of Persia“ produziert. Und ist Fink nicht gerade in seinem Studio in Berlin-Wedding oder mit dem Kinderwagen in Friedrichshain unterwegs, ist er vermutlich weltweit auf Tournee.

Im Interview mit ntv.de spricht der 51-Jährige über die Entscheidung, für die Aufnahmen zum neuen Album an seinen Geburtsort Cornwall zurückzukehren und warum er schon 2018 aufgehört hat, Alkohol zu trinken.

ntv.de: Fin, du bist in Cornwall geboren und in Bristol aufgewachsen. Für die Aufnahmen zum neuen Album bist du an deinen Geburtsort zurückgekehrt. Warum?

Fink: Richtig, ich wurde in Cornwall geboren. In einem sehr kleiner Ort, es gibt dort nicht viel. Cornwall ist sehr romantisch, wenn du das Wetter und die Küste magst. In den 70er-Jahren war es im Sommer voll und im Winter leer, sehr ländlich und ist es auch heute noch. Meine Eltern waren Teenager, als sie nach Bristol zogen, die nächste große Stadt ist etwa drei Stunden entfernt. Ich bin in Bristol aufgewachsen, aber meine ganze Familie ist in Cornwall, daher bin ich mein ganzes Leben lang ständig dorthin zurückgekehrt. Winter, Sommerferien, all das. Ich habe eine tiefe Verbindung zu Cornwall, obwohl ich nicht vorhatte, dort aufzunehmen.

Ist es das erste Album, dass du dort aufgenommen hast? Und ist die Nähe zum Meer besonders inspirierend?

Mein erstes Album „Biscuits for Breakfast“ (2006) habe ich in meinem Loft in Brighton aufgenommen. Brighton liegt auch am Meer, also bekommt man ein bisschen West-Country-Flair. Immer wenn ich nach Cornwall komme, werde ich inspiriert, aber es gab dort nie ein Studio. Viele reiche Musiker ziehen dorthin und haben Studios, aber sie vermieten sie nicht. Ein Freund von mir wollte eine Session machen und fragte nach. Ein Typ baute gerade ein neues Studio in einer Kapelle in einem winzigen Dorf. Es war eine Baustelle, als ich das erste Mal da war, aber er versprach, dass es rechtzeitig fertig werden würde. Am 1. Oktober kamen wir an, und es war alles neu und roch nach frischer Farbe. Das war großartig.

Hat es das Album in irgendeiner Weise beeinflusst, dass es in einer Kapelle aufgenommen wurde?

Es war eine besondere Atmosphäre, auch wenn es keine richtige Kirche war. Es war eine methodistische Kapelle in einem kleinen Dorf. Der Besitzer ist ein ehemaliger Abbey-Road-Techniker, der sein Leben ändern wollte. Er baute das Studio, und wir waren die ersten, die dort aufnahmen. Wir sind als Band nicht prätentiös und brauchen nur etwas Zeit und Raum. Ich konnte bei meinen Eltern übernachten, jeden Morgen im Meer schwimmen und mich auf die Aufnahmen vorbereiten. Es war eine tolle Erfahrung, besonders im Vergleich zu den vorherigen Alben, die ich in Los Angeles aufgenommen habe.

Was entscheidet darüber, wo du ein Album aufnimmst? Deine aktuelle Stimmungslage?

„Hard Believer“ (2014) ist auch eine L.A.-Platte. Ich brauchte Los Angeles, um den Ehrgeiz zu spüren. Aber jetzt wollte ich etwas Intimeres machen, wie bei „Perfect Darkness“ (2011). Als ich die Möglichkeit bekam, in Cornwall aufzunehmen, fühlte sich plötzlich alles richtig an und ergab Sinn. Vorher dachten wir an New York, London oder wieder L.A., aber nichts passte zu der Platte, die ich gerade schrieb. Cornwall war perfekt, es passte zur Stimmung und zur emotionalen Lage.

Die nach der Pandemie sicher besonders war. Hat diese Zeit eigentlich irgendwas an deinem Lebensplan verändert? Mal abgesehen davon, dass du nicht wie sonst üblich touren konntest?

Ja, ich hatte geplant, mit dem Motorrad durch das Himalaya-Gebirge zu fahren und Klöster zu besuchen, aber wegen Corona konnte ich nicht mal Friedrichshain verlassen. Cornwall wäre eine Option, aber es ist sehr teuer dort. Es gibt nicht viel und die Immobilienpreise sind hoch. Ich würde gerne dort leben, aber das Stadtleben bietet mehr Möglichkeiten und Inspiration für meine Arbeit.

Hört man das Album, fühlt man sich in Sachen Stimmung an das 2011 erschienene „Perfect Darkness“ erinnert. Planst du vorab, in welche Richtung es gehen soll oder passiert das automatisch?

Zunächst weiß ich oft nicht genau, was ich mache oder worum es geht. Das zeigt sich erst später. Meine Alben sind wie unbewusste Momentaufnahmen meiner Zukunft. In ein paar Jahren höre ich mir die Tracks an und denke: „Wow, das habe ich damals schon gespürt?!“ Alles, was in meinem Leben passiert, findet sich irgendwie in diesen Liedern wieder, auch wenn ich es beim Schreiben noch nicht bewusst wusste. Als Künstler muss man über das schreiben, was man im Leben erlebt. Das tun viele Künstler, die tief in ihrer Arbeit verankert sind – sie haben keine andere Wahl, es ist wie eine Berufung. Wir spüren jede emotionale Bewegung. Jeder Streit mit deinem Partner fühlt sich an wie eine potenzielle Scheidung, und jeder großartige Tag ist der beste Tag aller Zeiten. Es ist ziemlich intensiv, ohne irgendeinen Schutz vor diesen Gefühlen. Wenn ich schwierige Momente, existenzielle Krisen oder philosophische Zusammenbrüche habe, schreibe ich das alles auf.

Als eine Art Selbsttherapie?

Zumindest ist es wie eine gute Meditation: Wer bist du wirklich, ohne die Etiketten der Gesellschaft? Was kannst du loslassen und was kannst du gewinnen? Diese Reflexionen helfen mir beim Songwriting. Manchmal sind die Texte in meinen Notizen voll von Klischees und prätentiösem Zeug, aber dazwischen finde ich auch wertvolle Gedanken. Für mich klingen meine Alben fröhlich, aber ich verstehe, dass andere Leute sie hören und mit tief emotionalen Momenten in ihrem eigenen Leben verbinden.

Das ist dann abhängig von deren eigener Lebenssituation und Gefühlslage …

Ja, genau darum geht es. Es ist wie ein Channeling von Emotionen. Mein Leben als Songwriter ist eine Reise durch große Gefühle, und ich möchte diese Momente und Emotionen einfangen. Das habe ich gelernt: Wenn ich eine schlechte Zeit habe, schreibe ich viele Songs darüber. Wenn ich eine gute Zeit habe, versuche ich auch, Songs darüber zu schreiben, wie bei meinem neuen Album. Manchmal finde ich mich in einem wirklich freudigen, wunderbaren Moment wieder und denke: „Wie haben wir es geschafft, hierher zu kommen? Das ist verrückt!“ Es ist großartig und erstaunlich, was passiert ist, und ich bin froh, dass ich das einfangen konnte. Aber dann hören andere Leute vielleicht diesen Song und fragen: „Oh Mann, geht es dir gut?“ Und ich sage: „Ja, mir geht es großartig. Das ist ein glücklicher, freudiger Song.“ Freuen wir uns für mich. Andere Lieder entstehen, wenn ich mich an einem dunklen Ort befinde und die Gefühle verarbeiten muss. Dann schreibe ich, um es dadurch zu bewältigen.

Folgt man dir bei Instagram, merkt man, dass du ständig mit irgendwas beschäftigt bist. Wann ruhst du dich aus? Gibt es in deinem Leben so etwas wie Urlaub?

Im Grunde nein. (lacht) Aber dieses Jahr wird es anders. Wir fahren nächsten Monat für eine Woche in den Urlaub. Wie es eben so ist, man sagt, man braucht einen Urlaub, sucht und bucht ihn, was schon anstrengend genug ist. Dann rückt der Termin näher und man fühlt sich zu beschäftigt, um wirklich wegzufahren. „Eigentlich können wir nicht in den Urlaub fahren, es gibt zu viel zu tun.“ Aber diesmal tun wir es. Wir haben jahrelang Urlaube gebucht und dann wieder abgesagt, weil es einfach nicht gepasst hat. Das letzte Mal, als wir tatsächlich weg waren, war vor fünf oder sechs Jahren auf Jamaika. Aber selbst da habe ich ein halbes Album geschrieben. (lacht)

Gibt es einen Teil deines Jobs, den du lieber magst als den anderen?

Wenn ich zwischen Live-Musik und dem Schreiben von Musik wechseln muss, sind das zwei völlig verschiedene Welten. Beide bringen dich auf ihre Weise an deine Grenzen. Wenn du Live-Musik spielst, denkst du, wie soll ich ein Album schreiben? Ich habe doch heute Abend einen Gig. Wenn du Musik schreibst und in diesen kreativen Flow kommst, kannst du dir nicht vorstellen, 90 Minuten auf der Bühne zu stehen, vier Nächte die Woche. Vor allem nach Covid. Als ich Covid hatte, war ich so erschöpft, dass ich dachte, ich könnte nie wieder eine Show machen. Ich konnte nur hoffen, dass das Gefühl wieder verschwindet. Und das ist es.

Wie hältst du dich fürs lange Touren fit?

Als erfahrener Musiker musst du wirklich hart arbeiten, um die mentale Energie für eine Tour aufzubringen, so wie ich es will. Ja, ich muss dafür fit sein. Auf Tour lebe ich wie ein Mönch: Ich meditiere jeden Tag, trainiere jeden Tag, mache Yoga. Das ist das Einzige, was mich am Laufen hält. Früher spielte das alles keine Rolle. Man trank einfach oder machte, was man wollte, und es war großartig. Aber heute könnte ich die Müdigkeit nicht mehr überwinden. Ich möchte auf der Bühne alles geben. Dafür muss ich Energie sammeln. Ich trinke nicht, nehme keine Drogen und habe eine gesunde, ganzheitliche Balance in meinem Leben. So habe ich eine andere Art von Energie. Ich gehe früh ins Bett, weil ich müde bin, aber ich habe genug Kraft, um das zu tun, was ich tun muss.

Also vorbei die Zeiten von Sex, Drugs & Rock ’n’ Roll?

Irgendwie schon. (lacht) Ich habe 2018 aufgehört, Alkohol zu trinken. Davor war ich DJ und ständig in einer Umgebung, in der jeder eine tolle Zeit hat und es schwer ist, Nein zu sagen. Ich habe gesehen, wie ungesund das sein kann, besonders bei älteren DJs. Jetzt sind viele von ihnen Veganer und machen Meditation. Es geht einfach darum, länger gesund zu bleiben.

Was war der Auslöser für diese Entscheidung?

Ein Grund war, dass ich John Peel gesehen habe, wie er ein DJ-Set im Londoner Club Fabric gespielt hat. Ich war mit ihm in der DJ-Kabine und es war das herausforderndste Set, das ich das ganze Jahr über gesehen hatte. Und das von einem DJ, der damals etwa 65 Jahre alt war. Wenn er cooler ist als ich und älter als mein Vater, dann mache ich wohl etwas falsch, dachte ich. Ein anderer Grund war, dass ich mit älteren DJ-Mentoren in Clubs ging. Diese waren bis drei oder vier Uhr morgens da, machten dann ein Nickerchen und tranken Orangensaft. Das sah nicht nach dem Partyleben aus, das ich führte. Die anderen DJs hingegen, die ständig Substanzen konsumierten, sahen am Morgen furchtbar aus, als wären sie viel älter. Die Dance-Music-Szene in den 90ern war sehr intensiv. Ich denke, es ist jetzt ein bisschen anders und das Publikum hat eine andere Einstellung. Es ist nicht mehr so hedonistisch wie früher, glaube ich.

Ist das Ausgehen jetzt eine neue und vielleicht langweilige Erfahrung?

Eine der besten Club-Erfahrungen hatte ich in Brooklyn, als ich nüchtern war. Es ging mehr um die Musik und die Erfahrung selbst. Es war rein und erstaunlich. Ich wünschte, es wäre immer so gewesen.

Deine Eltern waren Teenager, als sie dich bekommen haben. Du dagegen warst einiges über 40, als du Vater geworden bist. War das eine bewusste Entscheidung oder hat sich das schlicht so ergeben?

Ich war früher einfach nicht reif genug. Mich haben andere Dinge beschäftigt. Es gibt junge Eltern und ältere Eltern, und ich war vorher nicht bereit, ein Elternteil zu sein. Ich habe bis vor ein paar Jahren nur im Jetzt gelebt, ohne vorauszuplanen. Das ist an sich nicht schlecht, aber es bedeutet, dass man nicht an die Zukunft denkt. Man macht sich keine Gedanken darüber, was in zehn Jahren sein könnte. Vielleicht bin ich dann Milliardär, vielleicht leben wir wie in Star Trek oder in einer Wüste. Ich weiß es doch nicht. (lacht)

Hat sich durch die Vaterschaft auch etwas für dich als Künstler verändert?

Ja, definitiv. Ich denke jetzt mehr darüber nach, dass meine Tochter meine Musik eines Tages hören wird. Einige Songs auf dem neuen Album enthalten Botschaften für sie. Das gibt meiner Musik eine tiefere Bedeutung, und ich fühle mich motiviert, diese Emotionen und Gedanken festzuhalten. Es hat mir eine neue Perspektive gegeben und mehr Stunden am Tag, weil ich nun ihretwegen früh aufstehe.

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