Florian David Fitz: „Therapie hat noch keiner Beziehung geschadet“

Florian David Fitz: „Therapie hat noch keiner Beziehung geschadet“

Florian David Fitz ist Schauspieler, Regisseur und Drehbuchautor in einem. Bei der Komödie „Der Vierer“ hat er wieder nicht nur die Hauptrolle übernommen, sondern auch das Buch mitgeschrieben. Mit ntv.de spricht er über Rollenklischees, Midlife Crisis und zu hohe Erwartungen an sich selbst.

Kaum ein anderer Schauspieler ist in Deutschland derart gut gebucht und bei den Zuschauern so beliebt wie Florian David Fitz. Im Frühjahr erschien die von ihm mit kreierte Science-Fiction-Serie „Das Signal“, in der sich der Vater von Zwillingen mal von einer anderen Seite als der sonst meist komödiantischen zeigen konnte. Jetzt starten kurz hintereinander gleich zwei neue Filme mit ihm in einer der Hauptrollen.

Neben Sönke Wortmanns „Der Spitzname“ am 19. Dezember gibt es bereits jetzt mit „Der Vierer“ von Iván Sáinz-Pardo die Möglichkeit, Fitz als frustrierten Ehemann zu erleben. An der Seite von Julia Koschitz als seine Ehefrau versucht er, wieder Schwung ins eingeschlafene Liebesleben zu bekommen.

Im Interview mit ntv.de spricht Florian David Fitz, der eben seinen 50. Geburtstag feierte, über die Midlife Crisis und ihre Herausforderungen sowie die permanent viel zu hohen Erwartungen an einen selbst.

ntv.de: Florian, bei der Vielzahl an Projekten und Interviewterminen – wirst du da nicht irgendwann müde?

Florian David Fitz: Nee, ich surfe da eher auf einer Adrenalinschwemme. Ich komme gerade vom Drehen, und morgen drehe ich weiter, und jetzt kommen zwei Filme gleichzeitig raus. Da ist man eher so die Kugel im Flipper.

Musst du dich dann morgens erst mal orientieren und überlegen: Für welchen Film mache ich heute Promo?

(lacht) Nee, das geht noch. Aber heute ist Premiere, und ich freue mich schon sehr darauf, den Film endlich mit Publikum zu sehen. Das ist ein besonderer Moment, der immer wieder schön ist.

Gibt es denn trotzdem diese gewisse Angst, dass die Leute den Film anders aufnehmen, als du es dir erhofft hast?

Ich war beim finalen Schnitt nicht dabei, aber es gibt vorab Testvorführungen. Die Macher wissen schon sehr detailliert, was den Leuten gut gefällt. Der schmerzhafte Moment kommt für sie ja schon vor der Premiere. Man lernt aber über das Filmemachen viel, wenn man einen Film mit den Zuschauern zusammen erlebt. Manchmal gibt es überraschende Reaktionen, Lacher an Stellen, an denen man sie nicht erwartet hätte. Und dann gibt es auch diese seltenen, sehr seltenen Momente, in denen es komplett still im Saal wird, nicht aus Langeweile, sondern weil alle total bei der Sache sind. Die Premiere heute ist für mich jedenfalls ein Wohlfühltermin, die Belohnung für die Arbeit.

Hast du das spanische Original gesehen? Machst du das bei Remakes allgemein oder ist das eher hinderlich?

Bei „Das perfekte Geheimnis“ hatte ich mal kurz reingeschaut. Mir hilft das nicht wirklich. Hier habe ich jetzt einfach das Drehbuch zum Original gelesen, das man mir geschickt hat. Aber wir haben in der Entwicklung schon einige Sachen geändert. Eine der größten Änderungen war, dass wir keine Mittzwanziger oder Mittdreißiger sind. Wir sind Ende vierzig. Da ist ein erotisches Abenteuer plötzlich nicht mehr einfach nur ein Abenteuer. Es geht um viel mehr. Was heißt das für Menschen in dem Alter? Das ist ja auch viel lustiger, man hat mehr zu verlieren. Also haben wir uns gefragt: Vielleicht sind das Eltern, vielleicht ist die Ehe in einer Krise, und vielleicht hat Sophie, also meine Film-Ehefrau, sogar die Rolle, die man typischerweise einem Mann zuschreiben würde. Wir wollten diese klassische Dynamik umdrehen, und das war total spannend, weil trotzdem genau diese typische Midlife Crisis entsteht.

Beim Schauen kommt einem einiges bekannt vor – zumindest, wenn man schon mal in einer langjährigen Beziehung war oder es noch ist. Ging dir das – beim Erarbeiten des Drehbuchs – auch so?

Das ist lustig, es scheint vielen so zu gehen. Gerade hat mich auch eine Journalistin gefragt, ob ich Paaren empfehlen würde, zusammen in den Film zu gehen. (lacht) Es scheint ja einige Themen zu geben- neben dem Sex-, in denen sich die Leute ertappt fühlen. Die Frage ist also, ob Pärchen nach dem Film über einen Vierer debattieren oder über ganz andere Dinge. (lacht)

Das könnte auch eine Chance sein. Paare könnten den Film zum Anlass nehmen, mal über ihre Beziehung zu reden. Manche Beziehungskrise wäre womöglich vermeidbar, wenn die Leute offener miteinander kommunizieren würden?!

Klar, aber ich finde, wir erwarten oft einfach zu viel von uns. Wir sollen und wollen alle ganz viel auf einmal: Karriere, Kinder großziehen, Eltern beim Altern betreuen- mit dem Partner besten Sex und tiefste Freundschaft haben gleichzeitig und noch dazu eine erfolgreiche Wirtschaftsgemeinschaft sein. Da kann auch mal die Kommunikation auf der Strecke bleiben. Unsere Energie hat Grenzen. Und deshalb erscheint es mir fast logisch, dass so viele nach dieser Stauphase des Lebens an eine Sollbruchstelle kommen.

Bei Frauen spielt auch noch die Menopause mit hinein. Die ist im Film nicht explizit Thema, aber beeinflusst natürlich, wie Frauen mit dieser Phase ihres Lebens umgehen.

Absolut. Das ist ja auch das Spannende. Frauen kommen an diesen Punkt, an dem sich alles verändert, körperlich wie emotional. Und Männer weinen schon aus viel geringeren Gründen in ihre Biergläser. Klassischerweise sind sie es aber, die sich aufbäumen, um dem Alter zu entkommen, mit ihren Freundinnen und schnellen Autos. Wir haben das mal umgedreht. Bei uns ist es die Frau, die die klassische männliche Midlife Crisis bekommt und nach vorne prescht. Aber das Gefühl, dass, wenn jetzt alles gleich bleibt und nicht noch was passiert im Leben, man sich in kürzester Zeit quasi ins Grab hinüber langweilt, das ist schon ziemlich verständlich und universell.

Ein guter Kniff also, die Rollenbilder an dieser Stelle zu vertauschen …

Im späteren Alter ist es ja eher so, dass sich die Geschlechter hormonell angleichen, was uns dann bestenfalls ein bisschen entspannen könnte. Aber hier stemmen sich die Figuren schon noch ganz schön dagegen. Wir sind ja auch noch keine 70. (lacht) Wir sind eher noch im Stadium, wo wir einen Vierer für eine gute Idee zur Lösung unserer Eheprobleme halten. (lacht)

Ein erotisches Experiment als Lösungsansatz. Denkst du, dass eine Paartherapie vielleicht hilfreicher wäre, wenn eine Beziehung so in der Krise steckt?

Klar, eine Therapie hat vermutlich noch keiner Beziehung geschadet. Aber im Kino ist das Vergnügen doch sehr viel größer, anderen Leuten für uns extreme Lösungsansätze durchzuspielen und dabei ordentlich auf die Nase zu fallen.

Der Film behandelt Intimität, hier und da geht’s auch mal zur Sache. Heute werden solche Szenen mit einem Intimacy Coordinator am Set gedreht. Hilft dir das?

Grundsätzlich finde ich es super, wenn ein Raum geschaffen wird, in dem sich jeder wohlfühlt. Aber ich merke auch, dass ich mich unwohler fühle, je mehr ich mir Gedanken darüber machen muss. Früher war es oft so, dass mir nach einer Nacktszene jemand von der Seite panisch ein Handtuch rüberwarf. Das hat mich eher unentspannter gemacht. Hier hatten wir eine Intimacy-Koordinatorin, aber wir haben uns mit allen Beteiligten zusammengesetzt und gesagt: „Wenn jemand sich unwohl fühlt, sagen wir es einfach direkt.“ Das hat super funktioniert, und wir hatten das Vertrauen, dass jeder ehrlich sein kann, wenn etwas nicht passt.

Du kennst es auch noch anders. Also schafft eine Intimitätskoordinatorin schon eine Veränderung am Set – in die eine oder die andere Richtung?

Das schafft eine andere Atmosphäre, und das ist fein so. Die andere Herausforderung bei intimen Szenen ist eher der emotionale Zusammenhang. Wenn in einer Szene ein Kuss vorkommt, dann kann der dramaturgisch und emotional dies oder das bedeuten. Und man muss ihn auch glauben. Das ist dann nicht einfach so regulierbar, sondern man muss sich emotional auf die Situation einlassen. So ist das halt.

Der Film ist eine Komödie, aber du hast zuletzt auch Filme gemacht, die durchaus ernstere Themen – dennoch als Komödie verpackt – behandeln …

Ich würde gar nicht so stark zwischen Komödie und Drama trennen. Ich finde, auch in einer Komödie kann man extrem tiefe Themen behandeln. Zum Beispiel in „Oscars Kleid“ geht es um das Thema Transidentität, was nicht oft verfilmt wird. Viele denken, das sei ein Drama-Thema, aber wir wollten das mit einer komödiantischen Leichtigkeit erzählen.

Glaubst du, dass die Komödie als Genre der Schlüssel ist, um Menschen gewisse Themen näherzubringen?

Ich denke, gerade im Kino braucht es oft den Humor, um Menschen in Bewegung zu bringen. Niemand fährt abends ins Kino, um sich noch mit dem Alltag schwer zu machen. Deswegen liebe ich es, ernste Themen über das humorvolle Trojanische Pferd der Komödie zu transportieren. Das finde ich persönlich am spannendsten. Humor ist eine gute Art, mit den Herausforderungen des Lebens umzugehen.

Du bist Schauspieler, Autor, Regisseur – gibt es da Phasen, in denen du eine der Rollen bevorzugst?

Das kommt tatsächlich von außen. Ich spiele, wenn die Filme finanziert und die Bücher fertig sind, und ich schreibe in den Zeiten dazwischen. (lacht)

Interessiert es dich, auch noch mehr andere Genres auszuprobieren? Vampire sind zum Beispiel gerade im Trend …

Ich war als Kind großer Vampir-Fan, aber man könnte behaupten, die Sache ist auserzählt. (lacht) Superhelden fand ich auch toll, aber da ist es nicht besser. Was sonst? Zombies? (lacht) Ich persönlich mag das Horror-Genre echt gerne, da gibt es seit ein paar Jahren auch echt kluge, psychologisch gebaute Filme mit echtem Inhalt. Trojanische Pferde eben. (lacht)

Mit „Das Signal“ hast du immerhin schon eine Science-Fiction-Serie für Netflix gemacht. Wäre so was noch mal ein Thema für dich?

Unbedingt, das reizt mich sehr! Aber Sci-Fi in Deutschland ins Kino zu bringen, ist noch schwieriger als Horror, denke ich. Hier ist das Genre einfach sauteuer, und dafür kriegt man einfach nicht genug Leute ins Kino. Aber auf Streaming-Plattformen wie Netflix kann man so was versuchen. Da gibt es mehr Freiheiten und auch ein Publikum, das sich dafür begeistert.

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