Fressen und gefressen werden

Fressen und gefressen werden

Es gibt im Internet zu sämtlichen Themen ein oder gleich mehrere Foren. Ob Golf GTI-Tiefleger, Anorexia-Anhängerin, Seefahrtmodellbau-Junkie, Freizeitpark-Coaster Counter oder bekennender Kannibale – im Netz der Netze findet jeder den für ihn passenden Kreis Gleichgesinnter. Gerade  Kannibalismus scheint derzeit Hochkonjunktur zu haben. Da bekommt das geflügelte Wort, jemandem zum Fressen gern zu haben, gleich eine völlig neue Note. Nun erfährt man im Zuge des jüngsten Falls Details rund um das Thema „Kannibalismus heute“, die einem ruhig hätten verschlossen bleiben können. „Long pig“ ist die Bezeichnung für jene, die der Gedanke anmacht, bei lebendigem Leibe gegrillt und verspeist zu werden. „Chef“ heißen Menschen, die nichts lieber täten, als ihnen diesen Wunsch zu erfüllen.

So ganz erschließt sich mir die Vorliebe für das Fressen- und Gefressenwerden allerdings noch nicht. Eigentlich kennt man das eher aus der Tierethik, bei der es ums nackte Überleben geht. Dass der Mensch selbst zum Tier da eine ganz ähnliche Einstellung unterhält, ist allein schon kritikwürdig. Was aber, wenn sich dieser Kannibalismus-Trend weiter durchsetzt? Zugegeben, für einige Länder, die unter massiver Überbevölkerung leiden und prozentual gesehen ausreichend „Long pigs“ verzeichnen dürften, könnte die Legalisierung des Kannibalismus eine Lösung sein. Auch könnte man sich so ungeliebter Mitmenschen spurlos entledigen. Dass das dann auf deren Seite allerdings immer freiwillig geschieht, wage ich zu bezweifeln. Massenmenschhaltung? Ein Bild der Zukunft? Eingepfercht in enge Verschläge bei nichts weiter als Wasser und Brot, gemästet mit allerlei Medikamenten und nach rund 20 Jahren dann zur Schlachtung freigegeben?

Da beruhigt es mich ja schon ein wenig, dass 99 Prozent aller Kannibalenforenmitglieder ihre Lust allein aus dem Austausch beziehen. Demnach hat meine Angst vor der artverwandten Zombieinvasion wohl doch eher Hand und Fuß. Und Kopf und Rumpf und Bein und Arm und …

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