Haußmanns „Stasikomödie“: Zwischen Ostalgie und Klamauk

Haußmanns „Stasikomödie“: Zwischen Ostalgie und Klamauk

Vor 23 Jahren kann Leander Haußmann mit „Sonnenallee“ seinen ersten Kinohit feiern. Jetzt erscheint nach „NVA“ mit „Stasikomödie“ der letzte Teil seiner DDR-Trilogie und damit eine etwas spröde Liebeserklärung an eine wenig ruhm- und offenbar dennoch lustvolle Zeit.

Beinahe ein Vierteljahrhundert ist vergangen, seit Regisseur Leander Haußmann mit „Sonnenallee“ nicht nur seinen ersten großen Kinoerfolg feierte, sondern auch seine DDR-Trilogie auf den Weg brachte. Sechs Jahre später – genauer 2005 – folgte mit „NVA“ der zweite Teil, ehe nun – mit einiger Corona-Verspätung – unter dem Titel „Leander Haußmanns Stasikomödie“ das Finale des Triples in die Kinos kommt.

Im Mittelpunkt der Geschichte steht dieses Mal Ludger Fuchs (Jörg Schüttauf), in der Gegenwart erfolgreicher Schriftsteller und langjähriger Ehemann von Corinna (Margarita Broich). Auf Drängen seiner Familie hat der ehemalige Regime-Oppositionelle Einsicht in seine umfangreiche Stasi-Akte beantragt. Sogar Historiker Dietrich (Tom Schilling) zeigt Interesse an den Unterlagen, die er für sein Institut, das den Widerstand in der DDR dokumentiert, sichern möchte. Doch schon kurz nach dem Aufschlagen des Ordners stolpert Ludger im Beisein von Herrn Dietrich sowie dem seiner gesamten Familie auf einen Liebesbrief, der unangenehme Fragen aufwirft und zumindest bei ihm selbst angenehme Erinnerungen weckt.

Das intime Schreiben bringt uns zurück in jene Zeit, in denen der junge Ludger (David Kross) unter der Leitung von Oberleutnant Siemens (Henry Hübchen) im Stadtteil Prenzlauer Berg für die Stasi spioniert. Eigentlich soll er Anfang der 1980er-Jahre im sogenannten LSD-Viertel – benannt nach Lychener-, Schliemann- und Dunckerstraße – bei der dort lebenden Bohème Querulanten ausmachen. Gemeinsam mit drei chaotischen Kollegen ermittelt er gegen die NEG-DEK – die „negativ-dekadente Szene“. Doch Ludger ist mehr und mehr fasziniert von den Künstlern und Widerständlern, darunter die schöne Natalie (Deleila Piasko). Und so vergisst er bald, warum er eigentlich hier ist.

Der Film trägt den Titel „Stasikomödie“ natürlich nicht nur zu Recht, sondern auch ganz bewusst, wenngleich die Gegenwartserzählung zu Beginn beinahe ins Klamaukige abzurutschen droht. Vor allem Tom Schilling als Historiker mit Hornbrille und Klemmi-Attitüde wirkt überzeichnet. Im Laufe der dann erzählten früheren Ereignisse ergibt die Entscheidung zu diesem Einstieg aber immerhin Sinn.

„Das ist meine Sicht der Dinge“

Wenig überraschend, denn natürlich würde der 1959 in der DDR geborene Regisseur bei diesem Thema nichts dem Zufall überlassen. Zumal der Abschluss der Trilogie der persönlichste seiner Filme sein soll. „Es geht mir darum, dass alles, was ich zu erzählen habe, keinen Anspruch auf Allgemeingültigkeit hat“, so Haußmann. „Das ist meine Sicht der Dinge. Die Sicht eines Menschen, der da gelebt hat in dieser Zeit, Leander Haußmanns Sicht. Ich bin natürlich auch ein unzuverlässiger Zeitzeuge. Das darf ich sein. Und es gibt noch keinen Film, der sich der Stasi so nähert wie dieser.“

Verkörpert wird besagte Staatssicherheit vor allem von Henry Hübchen als Offizier mit miesen Zähnen, der wie schon Tom Schillings Figur ein ums andere Mal in den Klamauk abzurutschen droht. Ein Kostümball zu Ehren von Erich Mielke (Bernd Stegemann) wirkt bisweilen albern und ist zudem zu lang geraten. Und auch über das fantastische Ende des Films lässt sich sicher diskutieren.

Klischee-Komödie mit Tiefgang

Eigentlich sind es doch eher die leisen Zwischentöne und subtileren Gags, die den mit Klischees gespickten Film trotzdem zu einer Komödie mit Tiefgang machen. Und auch sonst macht Haußmann abseits einiger Ausreißer nach unten viel richtig. Der von Kross mit einer charmanten Naivität dargestellte Ludger wächst dem Zuschauer schnell ans Herz. In weiten Teilen erinnert die Inszenierung an eine Theateraufführung, was dem Ganzen eine besondere Intimität und Nähe zu den Figuren und Ereignissen verleiht.

Nicht nur, wer in der DDR groß geworden ist, freut sich obendrein über die eine oder andere Anspielung auf das Kulturgut der damaligen Zeit. Für „Sonnenallee“- und „NVA“- oder auch Haußmann-Fans ganz allgemein gibt es ein Wiedersehen mit bekannten Gesichtern wie Alexander Scheer, Robert Stadlober, Karsten Speck und natürlich Detlev Buck als Kult-Bulle.

Ein besonderes Lob gilt auch dem Szenenbild von Lothar Holler, dem Kostümbild von Janina Winkelmann, für die es der erste große Job dieser Art war, und den visuellen Effekten von Denis Behnke. Alle drei wurden für ihre Arbeit mit einer Nominierung für den Deutschen Filmpreis bedacht. Auch Henry Hübchen könnte als „Bester Nebendarsteller“ ausgezeichnet werden und tritt hier unter anderem mit seinen „Stasikomödie“-Kollegen Jörg Schüttauf („Lieber Thomas“) und Alexander Scheer („Rabiye Kurnaz gegen George W. Bush“) in Konkurrenz.

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