„House of Gucci“: Szenen einer glamourösen Ehe

„House of Gucci“: Szenen einer glamourösen Ehe

Es ist der am heißesten gehandelte Filme des Jahres. Mit „House of Gucci“ bringt Ridley Scott Glamour und Stars in einer wahren Geschichte um Liebe, Gier und Macht auf die Leinwand. Ob der 84-jährige Regie-Altmeister seinem Ruf als Ikone seines Fachs erneut gerecht wird?

„House of Gucci“ wurde schon Gesprächsstoff, da war die letzte Klappe noch lange nicht gefallen. Erste Fotos vom Set, die Lady Gaga als Patrizia Gucci an der Seite von Film-Ehemann Adam Driver alias Maurizio Gucci zeigten, ließen nicht nur die Herzen aller Gaga-Fans höher schlagen. Auch der Rest des Casts – von Jeremy Irons über Jared Leto bis zu Al Pacino – sowie Regisseur Ridley Scott sorgten dafür, dass die Erwartungen an das Drama zum Kinostart enorm sind. Und tatsächlich enttäuscht „House of Gucci“ wohl nur die wenigsten.

84 Jahre ist Ridley Scott gerade geworden, hat Klassiker wie „Alien“ und „Blade Runner“ zu verantworten und denkt trotzdem nicht an Rente. Zum Glück, denn ohne ihn wäre die Verfilmung der dramatischen Gucci-Geschichte von Erfolg und Niederlage sicherlich eine ganz andere und womöglich weniger eindrucksvolle geworden. So aber ist „House of Gucci“ vor allem eins: ein unterhaltsames Familiendrama mit tragischem Ausgang, das nicht allein aufgrund seiner hervorragenden Besetzung glänzt.

Liebe, Leidenschaft und Geld

Anfang der 1970er-Jahre treffen Patrizia Reggiani (Lady Gaga) und der Jurastudent Maurizio Gucci (Adam Driver) bei einer Kostümparty zum ersten Mal aufeinander. Es ist Patrizias unermüdlichem Einsatz zu verdanken, dass sich der Sohn von Rodolfo Gucci (Jeremy Irons) schließlich in die Tochter eines Transportunternehmers verliebt und dafür sogar auf sein Erbe an der Gucci-Dynastie verzichtet. Die zwei heiraten und leben zunächst in eher ärmlichen Verhältnissen, sind aber auch so glücklich.

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Jared Leto (M.) ist in seiner Rolle kaum wiederzuerkennen.(Foto: Universal Pictures)

Auch wenn Patrizia zu Beginn nicht klar ist, wenn sie zu daten versucht, gewinnt die Vorstellung, eine reiche Unternehmergattin zu werden, für sie dann doch an Strahlkraft. Und mit Maurizios Onkel Aldo (Al Pacino) an ihrer Seite hat sie einen engagierten Unterstützer, wenn es darum geht, ihren Ehemann zurück ins Gucci-Business zu holen. Weniger begeistert davon ist Aldos Sohn Paolo (Jared Leto), der ständig vergeblich um die Gunst und Anerkennung seines Vaters buhlt. Der Kampf um das Unternehmen beginnt, dem sich schließlich auch Maurizio hingibt, was ihn nicht nur seine Ehe kostet …

Bei „House of Gucci“ wurde nichts dem Zufall überlassen, und so bilden schillernde Figuren, tolle Kostüme, eine detailgetreue Ausstattung und beste Musik aus jener Zeit die perfekte Melange für eine mehr als zweieinhalbstündige Seifenopfer par excellence. Der Zuschauer kommt praktisch gar nicht dazu, sich trotz der Länge des Films auch nur eine Sekunde zu langweilen.

Eine Art Ruhepol stellt dabei Adam Driver dar, der als einziger Gucci nicht vollkommen durchgeknallt scheint und sich im Laufe des Films und damit der fast 30 Jahre, die in der Erzählung ins Land gehen, nur wenig verändert. Anders verhält es sich mit seinem überdrehten Onkel Aldo und dessen Sohn Paolo. Nicht nur, dass Jared Leto dank Maske kaum wiederzuerkennen ist, auch seine überzeichnete Figur sorgt für so manche humoristische Einlage. Ebenso wie Salma Hayek als Pina, Kartenlegerin und Patrizias bald engste Vertraute mit Verbindungen in fragwürdige Milieus.

Oscar-reife Lady Gaga

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Vom Frust gezeichnet: Patrizia Gucci (Lady Gaga).(Foto: Universal Pictures)

Besonders herauszustellen ist dann aber doch Lady Gagas Performance, die als Patrizia eine wahnsinnige Bandbreite zeigt und sich damit doch zumindest eine Oscar-Nominierung erspielt haben dürfte. Ihre Veränderung ist nämlich nicht allein Haaren, Make-up und Kostüm geschuldet. Auch spielt sie die Verwandlung von der jungen, lebensfrohen Kleinunternehmer-Tochter hin zur verbitterten und verbiesterten Ex-Gattin mit so viel Leidenschaft, dass sich sogar mancher Anhänger ihrer Musik wünschen wird, sie lieber mehr vor der Kamera als am Mikrofon zu sehen.

Zugegeben, allzu tief steigt Ridley Scott nicht in die Hintergründe der Gucci-Unternehmenssaga ein. Zwar werden immer wieder auch geschäftliche Abläufe innerhalb der Modebranche thematisiert, doch dienen sie nur als Blaupause für einen glamourösen Ritt durch die 70er-, 80er- und 90er-Jahre und das Leben dieser schrecklich netten Familie. Und es gelingt Scott dabei, trotz des bekannten Ausgangs der Story, die Spannung bis zum Schluss hochzuhalten.

Die Entscheidung, alle Figuren im Original mit italienischem Akzent, aber eben nicht Italienisch sprechen zu lassen, ist sicher diskutiert worden. Am Ende ist sie vermutlich dem Umstand geschuldet, dass jede andere Lösung nicht minder seltsam und weitaus komplizierter gewesen wäre. Also sei’s drum, denn was zu Beginn doch etwas albern wirkt – immerhin befinden wir uns einen großen Teil der Zeit in Italien – versendet sich. Fast ist es schade, dass darauf in der deutschen Synchronfassung verzichtet wurde.

Die Gucci-Erben erwägen eine Klage

Doch ist es nicht das, was die noch lebenden Guccis an diesem Film erzürnt. Die Erben stören sich vielmehr an der „Mystifizierung“ von Patrizia Gucci, die 2016 nach 18 Jahren Haft aus dem Gefängnis entlassen wurde. In einem öffentlichen Brief an die italienische Zeitung „La Repubblica“ hieß es unter anderem, die Ehegatten-Mörderin werde trotz ihrer Tat „als Opfer“ stilisiert. Auch die Darstellung der übrigen Familienmitglieder sowie des Unternehmens selbst kam bei der Familie nicht gut an. Das alles sei „weit von der Wahrheit entfernt“. Nun sollen die Guccis sogar eine Klage in Betracht ziehen.

Am Ende ist „House of Gucci“ eben keine True-Crime-Dokumentation, sondern das Highlight des Kinojahres 2021 mit Option auf Kultstatus. Für den Umsatz des Labels ist das förderlich, finden Gucci-Produkte aktuell doch reißenden Absatz. Laut britischem Branchendienst „Love the Sales“ verzeichnete das Unternehmen bereits einen Zuwachs von mehr als 650 Prozent. Dumm nur, dass sich die Marke schon seit vielen Jahren nicht mehr im Besitz der Guccis selbst befindet, sondern der französischen Konzerngruppe Kering gehört.

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