Im Fokus: Sigur Rós und „Kveikur“

Im Fokus: Sigur Rós und „Kveikur“

Vulkane, Wasserfälle, heiße Quellen und eine unvergleichlich ursprüngliche Landschaft machen Island zu einem der mystischsten Orte unserer Erde. Das diesem Umfeld auch Sigur Rós entspringen, scheint angesichts des ähnlich hohen mystischen Sogs, den ihre Musik ausübt, nur naheliegend.

1994 am Tag der Geburt von Frontman Jonsís Schwester Sigurrós gegründet und gleich nach ihr benannt, zählen die lange Zeit vier, heute nur noch drei Musiker aus Reykjavík neben Björk zu den bekanntesten Künstlern der Vulkaninsel.

Wie eng Sigur Rós’ Musik und ihr Herkunftsland miteinander verknüpft sind, belegt 1997 ihr Debüt „Von“ – ein düsteres, naturverbundenes Album, am Ende nach dreijähriger Produktionszeit allerdings nicht die konzeptionellen Ansprüche der Band selbst erfüllend. Mit dem ein Jahr später erscheinenden Remixalbum „Von brigði“ gleichen die Slo-Mo-Perfektionisten die empfundenen Unzulänglichkeiten aus und lassen isländische Kollegen wie Múm und GusGus neue Versionen der Albumsongs anfertigen. Als 1999 der zweite Studiolongplayer „Ágætis byrjun“ erscheint, bedeutet das nicht nur übersetzt „Ein guter Anfang“, sondern ist für die Band selbst ebenfalls ein solcher. Weniger düster, emotional aufgeladen, neu instrumentiert und durch symphonische Orchestereinlagen angereichert – so das von Sigur Rós in überlangen Songs gezeichnete Bild. Gerade Jonsís Art der falsettähnlichen Intonation und die Verwendung einer Mischung aus Isländisch und der von ihm erfundenen Sprache Volenska machen die vordergründig melancholische Musik von Sigur Rós absolut einzigartig.

Besonders deutlich wird das auf dem 2002 erschienen Album „( )“, aufgenommen in einem von der Band selbst zum Studio umgebauten Schwimmbad in der ländlichen Gegend um die isländischen Hauptstadt herum. Gestaltet sich dieses Werk unterm Strich ruhiger und minimalistischer als seine Vorgänger, bricht der Abschlusssong „Crescendo“ dieses Konzept auf und ergeht sich wieder in einem lauten, dynamischen Finale.

Drei Jahre später folgt mit „Takk“ – übersetzt „Danke“ – das nächste Album. Ein Dankeschön an alle Fans, die durch den Kauf der bisher erschienenen Longplayer den Bestand der Band überhaupt erst möglich gemacht haben. Hierauf wirken Sigur Rós plötzlich fast freundlich, zugänglich, ihre Musik eingängiger als zuvor. „Hvarf-Heim“ in 2007 erscheint als Doppelalbum, präsentiert Studioaufnahmen bisher unveröffentlichter Songs auf der einen, sowie Akustikversionen auf der anderen Seite. Dazu gibt es mit „Heima“ eine DVD mit Aufnahmen ihrer Island-Tour und einer Dokumentation über ihre Heimat, was die enge Bindung von Sigur Rós an Island einmal mehr unterstreicht.

„Með suð í eyrum við spilum endalaust“ erscheint 2008 und präsentiert erstmalig auch einen Song in englischer Sprache. Aufgenommen wurde das Werk, dessen Titel übersetzt „Mit einem Brummen in den Ohren spielen wir endlos weiter“ bedeutet, in den legendären Londoner Abbey Road Studios. Das eigentlich für 2010 angekündigte sechste Album bleibt erst mal aus, da sich alle Bandmitglieder anderen Projekten widmen. So ist Jonsí beispielsweise mit seinem Soloalbum „Go“ auf Tour. Mit „Inni“ kommt dann aber Ende 2011 zumindest ein Live-Album der Band in die Läden, ehe 2012 „Valtari“ folgt. Ein schleppendes, sphärisches Ambientwerk, das auf die großen Ausbrüche und emotionalen Popmomente seiner Vorgänger verzichtet. Eine Rückkehr zu den Wurzeln der Band.

Dieser Tage nun ist mit „Kveikur“ LP Nr. 7 erschienen, und damit das erste als Trio aufgenommene Album, verließ Kjartan „Kjarri“ Sveinsson die Band doch zum Jahreswechsel, um sich seiner Familie und anderen Musikprojekten zu widmen. Und mit „Kveikur“ überraschen Sigur Rós einmal mehr ihre Anhänger, wirkt es wie eine Neuerfindung der Band im direkten Vergleich mit der Zurückgenommenheit von „Valtari“. Sigur Rós klingen rauer und aggressiver dank treibender Rhythmen und verzerrter Gitarren – dunkel und dystopisch. Beinahe ist so etwas wie eine konventionelle Struktur zu erkennen, und dabei klingt keiner der neun Songs wie der andere. Ein weiteres Meisterwerk im langen Backkatalog einer wahrlich außergewöhnlichen Band.

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