Ich setze mich gerade aus persönlich-beruflichen Gründen mit Berlin als zukünftigen Ort des Wohnens auseinander – und bekomme mehr und mehr Angst. Dass der „echte“ Berliner schon auf Touristen keine Lust hat, ist nicht neu. Die werden angefeindet, wo es nur geht.
Immer wieder liest man an die Wände geschmierte Parolen wie „No more Rollkoffer“ und „Tourists piss off“. Glaubte ich bisher, Berlin gehöre zu tolerantesten Städten Deutschlands, offenbart sich das immer wieder als Trugschluss.
Gentrifizierung macht die Menschen wütend. Wütend auf Touristen, die auf privat vermieteten Wohnraum zurückgreifen, der so den „echten“ Berlinern nicht mehr zur Verfügung steht. Und auf die Zugezogenen, die vorrangig als „die Schwaben“ bezeichnet werden – als wäre alles südlich-westlich von Berlin Schwabenland. Auch sie machen den „echten“ Berlinern den Wohnraum streitig und sorgen – mit samt der reichen Investoren aus Russland und Co. – wegen der steigenden Nachfrage für höhere Mietpreise. Dass hierfür aber vielleicht auch oder gerade die Berliner Wohnungspolitik verantwortlich ist, wird dabei gern ignoriert. Es ist so schön einfach, mit dem Finger auf Krethi und Plethi aus Sindelfingen zu zeigen und dort Dampf abzulassen.
Sicherlich kann ich den Unmut bisweilen verstehen. Wer – wie ich derzeit – in Köln (wahlweise Hamburg oder München) lebt, der weiß wie es ist, den größten Teil seines Monatseinkommens für die Miete berappen zu müssen. Dennoch sind mir als Zugezogene Anfeindungen wie die oben genannten hier noch nicht untergekommen. Ein wenig erinnern mich die Aussagen an Parolen rechter Parteien, wenn sich diese auch „nur“ an Nicht-Berliner und nicht an Nicht-Deutsche richten: „Berlin den Berlinern – Schwaben raus“ oder „Die Schwaben nehmen uns die Frauen und die Arbeitsplätze (oder auch die Wohnungen) weg“. Vermieter lehnen bisweilen sogar ab, Nicht-Berlinern ihre Wohnung für teures Geld zu überlassen. Wohlgemeinter Stadt-Patriotismus oder nicht doch innerdeutsches Nazitum?
Ich schöpfe aber auch immer wieder Hoffnung. Auf jeden zum „echten“ Berliner mutierten Zugezogenen mit Egoproblem kommen zwei echte „echte“ Berliner, die auf all das nichts geben, den Schwaben Schwaben sein lassen und alles und jedem so offen begegnen, wie die Stadt zu sein vorgibt. Es ist also noch nichts verloren. Ich freu mich drauf.