Das Thriller-Drama „Inside“ ist eine One-Man-Show des einzigartigen Willem Dafoe. In der Rolle eines Kunstdiebs, der während eines Einbruchs in einem Luxus-Penthouse eingeschlossen wird, kann er sein Können unter Beweis stellen. Dialoge braucht es dafür nicht.
Eigentlich ist das – im Studio erbaute – Penthouse mitten in Manhattan ein luxuriöser Wohntraum, der mit allem aufwartet, was das kapitalistische Herz begehrt. Marmor im Bad, Blumenbeete mitten im Wohnzimmer, die edelsten Designermöbel und vor allem jede Menge (echte) Kunst. Eben diese wird dem Protagonisten im Film „Inside“ von Vasilis Katsoupis zum Verhängnis.
Nemo (Willem Dafoe) ist ein erfahrener Kunstdieb und steigt in eben jenes Penthouse ein, dessen Besitzer auf unbestimmte Zeit verreist ist. Er kommt mit dem Auftrag, den Mann um seine beeindruckende Sammlung zu bringen. Scheint zunächst alles nach Plan zu laufen, springt plötzlich die Alarmanlage an. Die Edelbude macht die Schotten dicht. Dumm gelaufen, denn so sehr sich Nemo fortan auch bemüht, einen Ausweg zu finden, er ist eingeschlossen. Der Kontakt zur Außenwelt – in dem Fall ein Mitarbeiter am Empfang des Wohnkomplexes sowie eine Putzkraft – ist abgeschnitten, alles hermetisch abgeriegelt.
Kampf ums Überleben
Bald geht es für Nemo nicht mehr nur darum, sich als illegal aufhaltender Dieb einen Weg aus der Misere zu suchen, um einer Verhaftung zu entkommen. Es geht ums nackte Überleben. So modern das Penthouse auch eingerichtet ist, sein Besitzer hat vorgesorgt. Das Wasser wurde abgestellt, die kulinarischen Vorräte sind überschaubar, und dann spielt auch noch die Klimaanlage verrückt. Nemo sieht sich plötzlich einem lebensbedrohlichen Klimawandel ausgesetzt.
Und auch, wenn Nemo in „Inside“ ähnlich wie Tom Hanks in „Cast Away“ gestrandet ist, mit einem Mangel an Nahrungsmitteln sowie der Einsamkeit zu kämpfen hat, hält seine „Insel“ noch andere Tücken bereit. Dass beispielsweise der Kühlschrank, der in den Hitzeperioden die einzige Abkühlung bringt, nach 20 Sekunden den Los-del-Rio-Hit „Macarena“ in ohrenbetäubender Lautstärke abspielt, damit er schnell wieder geschlossen wird, ist zermürbend. Für Nemo, aber auch für den Zuschauer.
Auflösung von Raum und Zeit
Im Interview mit ntv.de am Rande der Berlinale erklärte der 67-jährige Dafoe, ihm und Regisseur Katsoupis sei es darum gegangen, nicht einfach nur die nächste Robinsonade zu erzählen. Vor allem Raum und Zeit sollten sich auflösen. Auf den obligatorischen Bart, der den meisten Männern im Laufe der Zeit naturgemäß wächst, wollte Dafoe deshalb verzichten. Es gibt wenige Hinweise, die einen Schluss darauf zulassen, wie lange Nemo schon in seinem goldenen Käfig feststeckt. Auch die Räumlichkeiten erschließen sich dem Zuschauer nicht wirklich. Die stark wechselnden Temperaturen werden zwar anfänglich noch angezeigt, doch auch hier legt sich der Film nie ganz fest. Da sich außer zahlreichen Anzügen nicht viel Brauchbares im Schrank befindet, sind Nemos Kleidungsalternativen ohnehin stark eingeschränkt.
Was zum einen der Clou des Films ist, mag zum anderen auch seine größte Schwäche sein, wirkt einiges etwas unmotiviert aneinandergereiht, ohne einem echten roten Faden zu folgen. Doch lässt sich das aufgrund der wieder einmal bemerkenswerten Arbeit von Willem Dafoe getrost vernachlässigen. Er bestreitet das Thriller-Drama nahezu allein, spricht maximal mit sich selbst oder der jungen Putzkraft, die er dank der Überwachungskameras über einen Monitor beobachten kann. Ein Dialog ist das natürlich noch lange nicht. Und so ist es vor allem seine Performance, die diesen Film so sehenswert macht.
Willem Dafoe kann in „Inside“ sein Können unter Beweis stellen – ohne, das überhaupt noch tun zu müssen – und zeigt, dass er eben einer der besten Charakterdarsteller ist, die Hollywood zu bieten hat. Die wachsende Verzweiflung und den sich nähernden Irrsinn zwischen Wut und Witz spielt er mit der ihm üblichen Präsenz und Körperlichkeit. Immer mehr verfällt er dem Wahn. Immer mehr nimmt die Kunst Nemo ein, was ihn am Ende zu einem Teil davon macht.