Joey DeMaio von Manowar: „Große Kunst braucht nun mal Zeit“

Joey DeMaio von Manowar: „Große Kunst braucht nun mal Zeit“

Seit mehr als 40 Jahren sorgen Manowar als „lauteste Band der Welt“ für Heavy Metal der Extraklasse und können eine treue Fanbase hinter sich versammeln. Im Interview mit ntv.de spricht Bassist Joey DeMaio zum Tourstart unter anderem über eventuelle Gemeinsamkeiten mit Madonna und steigende Ticketpreise.

Aktuell sind Manowar anlässlich ihres 40. Jubiläums auf „Crushing The Enemies of Metal Anniversary Tour 2023“ durch Europa unterwegs. Heute machen sie zum ersten Mal in Deutschland Halt. Nach dem Auftritt in Mannheim folgen weitere in Neu-Ulm, Oberhausen, Bremen und Berlin. Am Tag vor ihrem Gig in der Hauptstadt, der am 25. Februar stattfindet, gibt es dann noch eine Fan Convention im dortigen Kesselhaus.

Die als lauteste Band der Welt bekannten Metalheads bedanken sich zudem mit ihrer neuen Single „Laut und hart, stark und schnell“ bei ihren besonders treuen Fans aus Deutschland. Bassist Joey DeMaio hat mit ntv.de über das nächste Album, steigende Ticketpreise und Manowars eventuelle Gemeinsamkeiten mit Madonna gesprochen.

ntv.de: Hallo Joey, wo erwische ich dich gerade?

Joey DeMaio: Ich bin eben in Tschechien angekommen, in der Stadt Brünn, und habe ins Hotel eingecheckt. Ich hatte schon Sorge, ich käme zu spät zum Interview. Das wollte ich natürlich nicht. Ich habe versucht, wie ein korrekter Deutscher pünktlich zu sein. Deswegen stehen meine Koffer noch unausgepackt neben der Tür.

Vielen Dank, das ist sehr aufmerksam und hat ja geklappt. Vor ein paar Tagen wart ihr noch in Leipzig, wo ihr einen geheimen Gig gespielt habt. Pünktlich zur angegebenen Stagetime vermutlich. Wie war’s?

Das stimmt. Wir nennen es immer einen geheimen Gig, aber da wir das schon länger machen, ist es dann doch nicht mehr so ein Geheimnis. Wir spielen gerne mal in kleineren Locations, um zu erfahren, was das Publikum von der Setlist hält und davon, wie wir die Songs arrangieren. Es ist eine Art Live-Probe, bei der keiner erwartet, dass alles perfekt ist. Es geht vor allem um den Spaß – fürs Publikum, aber auch für uns als Band. Es ist nicht schlimm, wenn mal ein Fehler passiert, das geben wir dann auch ganz offen zu.

Aber angekündigt werdet ihr dann als Manowar-Coverband, richtig?

Ja, die ersten Male haben wir noch behauptet, es käme die Coverband, die am nächsten am Original ist, und ihr Tribute wäre von uns autorisiert. Da sagten die Zuschauer noch ganz überrascht: „Die klingen ja exakt wie Manowar.“ Inzwischen aber ist die Katze aus dem Sack und die Leute wissen dann schon, dass wir es wirklich sind.

Ihr testet da also das Arrangement und die Setlist. Aber auch neue Songs. Wie laufen die Arbeiten am neuen Album denn so? Wann ist es fertig?

Das ist wohl die Frage, die mir in meinem Leben am häufigsten gestellt wurde. Aber hey, wenn du in ein Restaurant gehst und einen Burger bestellst, dauert der vielleicht fünf Minuten. Wenn du dann aber irgendwohin gehst, wo es ein 5-Gänge-Menü gibt, dauert es entsprechend länger. Der Koch muss ja erstmal alle Zutaten zusammensammeln. Und da fragt man ja auch nicht immer, wann es so weit ist.

Es ist also fertig, wenn es fertig ist. Mehr gibt es dazu nicht zu sagen?

(lacht) Genau. So ist es bei deinen Artikeln und Interviews doch vermutlich auch?!

Na, da gibt es aber in der Regel schon eine Deadline.

Ja, aber große Kunst braucht nun mal Zeit. (lacht)

Da ihr in deinem eigenen Studio in New York aufnehmt, könnt ihr euch die Zeit natürlich nehmen. Wie wichtig ist das für den Sound von Manowar?

Das ist das Wichtigste. Und ich kann das nur so. Wenn man eine Karriere im Showbusiness hat, ist man von so vielen Menschen abhängig, würde aber eigentlich lieber alles selbst machen. Das geht natürlich nicht, denn du kannst dich ja nicht klonen. Wenn es zehn von dir geben würde, dann wäre alles, was du in deinem Leben machst, perfekt. So läuft es aber nicht, und für mich ist das Wichtigste eben, die Qualität unseres Sounds unter Kontrolle zu haben. Du kannst die Leute nicht dazu bringen, deine Musik zu mögen, aber du kannst dafür sorgen, dass für dich selbst alles perfekt ist. Dann gibst du es raus, und die Leute entscheiden, ob es ihnen gefällt. Außerdem kann ich so einfach nach Hause gehen, wenn ich müde bin, und nächsten Morgen wiederkommen, wenn ich ausgeschlafen habe.

Mit Michael Angelo Batio habt ihr seit einer Weile einen neuen Gitarristen dabei. Wie kam es dazu?

Unser vorheriger Gitarrist, E.V. Martel, ist Brasilianer, und als Covid kam, konnte er von dort nicht mehr zurückreisen in die USA, um mit uns aufzunehmen. Michael kenne ich schon seit Jahren, also habe ich ihn gefragt, ob er einspringen kann. Er hat zugesagt und sich gefreut. Und wir waren froh, weiterarbeiten zu können in dieser Zeit. Gut ein Jahr später hat uns E.V. darüber informiert, dass er nicht mehr zurückkehren, sondern bei seiner Familie bleiben möchte, denn dort gab es eine wirlich ernste Situation. Wir lieben diesen Typen, aber das war natürlich völlig in Ordnung. Weil Michael unsere Songs jetzt sowieso schon kannte, machte es einfach Sinn, dass er festes Mitglied der Band wird.

Ihr feiert 40-jähriges Jubiläum – wie Madonna. Habt ihr sonst noch was mit ihr gemeinsam?

Lass mich mal überlegen …

Vielleicht die Outfits? Ähnlicher Ausstatter?

Ich trage auf der Bühne schon mehr Klamotten als Madonna. Aber es könnte glatt sein, dass sie unsere alten Klamotten aufträgt. Ich finde jedenfalls, sie sieht fantastisch aus, ist glücklich und hat jede Menge Spaß. Und sie hat kein Problem damit, den Leuten ihren Hintern zu zeigen. Ich meine, sie ist 64. Und es gibt nur eine Madonna. Es gibt auch nur einen Peter Maffay, einen Herbert Grönemeyer und nur einmal Die Toten Hosen. Es gibt so viele, die sie zu kopieren versuchen, aber so etwas hält nicht lange an. Das Original überlebt sie alle.

Glaubst du, dass es für Männer im Musikbusiness einfacher ist, älter zu werden, als für Frauen?

Es gab auch früher schon Sängerinnen, die haben auf der Bühne gestanden, bis sie gestorben sind. Ich müsste darüber jetzt länger nachdenken, hoffe aber, dass es nicht so ist. Ich finde, man sollte tanzen, singen und schauspielern dürfen, solange man es liebt und in der Lage dazu ist und einen nicht irgendwelche gesundheitlichen Probleme davon abhalten. Solange die Qualität nicht drunter leidet, kann die Karriere doch ewig laufen.

Solange einen die Leute eben sehen wollen. Und die sind immerhin bereit, für ein Stehplatzticket bei Madonna über 400 Euro auszugeben.

Ja, das klingt erstmal teuer, aber viele Fans vergleichen die heutige Situation mit irgendwas vor 30 Jahren. Seither sind sämtliche Lebenshaltungskosten stetig gestiegen. Meine Krankenversicherung wird jedes Jahr teurer, ebenso Strom und Heizung. Wenn wir von einem Madonna-Konzert sprechen, geht es um etwas in der Größenordnung von Rammstein, was die Produktion angeht, den Aufwand der Show. Das sind 30 oder 40 Trucks, die haben wir zum Beispiel nicht.

Wie ist es bei euch? Eure Ticketpreise liegen bei etwa 70 bis 90 Euro …

Wir haben 5 bis 10 Trucks dabei. Dazu Busse, Benzin, Hotels … alles ist jetzt rund 40 Prozent teurer. Und klar, ich habe einen skandinavischen Veranstalter gefragt, wie es mit dem Ticketvorverkäufen läuft, und er hat mir gesagt, dass die Leute allgemein gerade vorsichtig sind. Sie haben Angst, die Heizkosten in diesem Winter nicht bezahlen zu können. Das ist die Realität. Und die Karten für unsere Konzerte sind gar nicht mal teurer geworden, weil sie schon vor Covid kalkuliert worden sind, was es für uns gerade schwierig macht. Und werden sie irgendwann teurer? Werden die Kosten an den Verbraucher weitergegeben? Ja, aber ich bin auch Verbraucher, mir geht es nicht anders. Die Reichen werden immer reicher, die Armen immer ärmer.

Ihr seid seit 40 Jahren dabei, habt sämtliche Entwicklungen miterlebt, bislang acht Alben veröffentlicht. Ist es mit der Zeit – aufgrund von mehr Lebenserfahrung – einfacher geworden, Inspirationen für neue Songs zu finden – oder wird es schwieriger, weil alles schon gesagt wurde?

Ich persönlich werde zumindest selektiver, denn ich habe das Gefühl, schon eine Menge gemacht zu haben und mich nicht wiederholen zu wollen. Aber ich habe auch nicht vergessen, woher wir kommen und was die Leute von uns als Band erwarten. Daran muss man sich immer wieder erinnern. Die Leute sagen dir, welchen Song sie mögen und warum. Und ich möchte wissen, was ihnen gefällt. Auch das ist ja wichtig. Wir sind ein Buch mit vielen Kapiteln, das den Titel Manowar trägt. Jeder Song ist ein Kapitel, und jedes Kapitel ist ein Teil der Band, so sehe ich unsere Karriere. Und wir fügen noch weitere Kapitel hinzu.

Gibt es ab und an schon mal Musik neuerer Bands, die euch gefällt und inspriert, oder sind die Einflüsse stets dieselben geblieben?

Ach, weißt du, ich habe das Gefühl, es ist schon alles mal da gewesen. Das beste Ballet, der beste Jazzsong … all das ist bereits geschrieben worden. Leute wie John Coltrane haben etwas in die Welt gebracht und etabliert. Auch in der klassischen Musik ist das so. Und man kann von all diesen Musiker noch immer so viel entdecken und lernen. Es wird niemand mehr kommen und der neue Richard Wagner werden. Es wird keinen neuen Mozart oder so geben.

Du bist auch ein großer Filmfan. Siehst du es da ähnlich?

Tatsächlich habe ich in jüngerer Zeit keinen Film gesehen, den ich besonders spektakulär fand. Aber auch in dem Bereich ist es ja nicht unbedingt einfacher geworden. Ich meine, als zum Beispiel „Ben Hur“ gedreht wurde, da brauchtest du nur ein paar Dollar am Tag und konntest 50.000 Menschen engagieren, die alle in extra gefertigten Outfits agierten. Das war was anderes, als solche Szenen heute am Computer entstehen zu lassen. Versteh mich nicht falsch. „Der Herr der Ringe“ ist ein tolles Kunstwerk, egal, wie es entstanden ist. Es ist brillant, die Musik ist wundervoll, sie wurde von einem echten Orchester eingespielt. Und die Schauspieler waren auch fantastisch.

Wie sieht’s mit „Avatar“ bei dir aus?

Ich habe den ersten gesehen, den zweiten noch nicht. Bei dem ersten ging es vor allem darum, wie sie ihn gemacht haben, die Technik ist State of the Art. Das kann ich anerkennen. Ich bin auch nicht an Country interessiert, wenn ich einen guten Countrysong höre, eine kristallklare Aufnahme, dann kann ich das trotzdem honorieren und schätzen. Ich suche immer nach Dingen, von denen ich noch irgendwas lernen kann.

Bist du eher ein Filmliebhaber oder kannst du dich auch Serien etwas abgewinnen?

Bei Netflix gibt es schon immer mal wieder interessante Sachen, von denen man was lernen kann. Ich habe neulich die Mini-Doku-Serie „The Men who build America“ gesehen über Carnegie, Ford, Rockefeller und solche Leute. Das war sehr interessant. Ich bevorzuge auch hier Serien, von denen ich was lernen kann. Dumme Sachen habe ich genug um mich herum in meinem Leben. Ich meine, ich arbeite im Musikbusiness. (lacht)

Das Gute am Musikbusiness aber sind die Fans, und für die gibt es jetzt sogar ein Convention. Wie muss ich mir die vorstellen?

Genau, das wird ein kleines Get Together für Fans, die Lust darauf haben. Es wird ein paar Aktivitäten geben, wir werden vermutlich gemeinsam was aufnehmen, bei dem die Fans im Background mitwirken können. Und es gibt einen kleinen Ausschnitt aus meiner nächsten Spoken-Words-Tour. Unser Gitarrist wird ein wenig seines Könnens vorführen. Verschiedene Dinge eben, an denen die Leute hoffentlich ihren Spaß haben werden, weil sie einen Blick hinter die Kulissen werfen können. Und natürlich spielen wir dann ein paar unserer Songs.

Und wer es nicht zur Fan Convention am 24. Februar nach Berlin schafft, kann euch ja noch auf Tour besuchen, wobei die meisten Konzerte bereits ausverkauft sind.

Ja, der Ticketverkauf lief im Vorfeld super und wir freuen uns sehr. Das ist eine tolle Situation, endlich wieder spielen zu können und auf Leute zu treffen, die wie wir drei Jahre lang darauf gewartet haben.

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