Laura Lackmann: „Es ist natürlich Angst da, was falsch zu machen“

Laura Lackmann: „Es ist natürlich Angst da, was falsch zu machen“

Ob Folgen für „Blochin“, Filme wie „Mängelexemplar“ und „Caveman“ oder ganz aktuell die Prime-Serie „Luden“, Regisseurin Laura Lackmann hat schon so einige Erfolge vorzuweisen. Im Interview mit ntv.de gesteht sie unter anderem, dass sie sich trotzdem oft wie eine Betrügerin fühlt.

Ob die Verfilmung von Sarah Kuttners Roman „Mängelexemplar“, Folgen der Serie „Blochin“ mit Jürgen Vogel oder aktuell die Komödie „Caveman“, Autorin und Regisseurin Laura Lackmann kann inzwischen auf so einige erfolgreiche Projekte verweisen. Dabei achtet sie auf größtmögliche Abwechslung, und so ist die Serie „Luden“, die nun bei Prime Video startet und bei der sie neben Kollege Stefan Lukacs Regie führte, wieder einmal so ganz anders.

Mit ntv.de sprach die 43-jährige Berlinerin über das Projekt, das sich der in den 1980er-Jahren umtriebigen Hamburger Zuhälter-Clique Nutella-Bande widmet, unter anderem über den Kiez, dessen spannende Gestalten und besondere Frauenrollen.

ntv.de: Laura, an welcher Stelle bist du zu dem Projekt „Luden“ dazugestoßen?

Laura Lackmann: Ich bin relativ spät dazugekommen, so etwa vier Monate vor Drehbeginn. Für ein so großes Projekt ist das recht kurzfristig. Für mich war das aber ein großes Glück, denn ich habe mein ganzes Leben lang immer Albträume, dass ich am Set bin und nicht weiß, an welchem. Immer versuche ich dann, das Drehbuch zu finden, um zu wissen, welchen Film ich überhaupt drehe. Das hat nun aufgehört, weil ich gemerkt habe, dass ich meinen Job dann doch so gut kann, dass ich auch in dieser knappen Zeit in der Lage war, alles aufzuarbeiten und die anderen einzuholen.

Also ein Fall von geheiltem Imposter Syndrome (deutsch Hochstapler-Syndrom)?

Vor diesem Interview habe ich tatsächlich drei Artikel dazu gelesen. Ich habe wirklich einiges, auf das ich arbeitsmäßig zurückblicken kann und komme mir trotzdem oft vor wie die größte Betrügerin. Warum auch immer das so ist. (lacht)

Also hatte dieses späte Dazustoßen nur Vorteile?

Schon. Ungewohnt war erstmal, dass das Team schon besetzt war, denn normalerweise bringt die Regie das mit. Aber auch das war ein großes Glück, weil ich so mit Leuten zusammengekommen bin, die ich mir vielleicht nicht ausgesucht hätte, die aber meiner Arbeit sehr gutgetan haben. Wie zum Beispiel mein Kameramann Tim Kuhn, ohne den ich jetzt nicht mehr arbeiten will.

Gilt das auch für den Cast?

Aaron Hilmer war bereits besetzt, Jeanette Hain habe ich mitausgesucht.

Nach welchen Kriterien habt ihr diese außergewöhnliche und starke Rolle besetzt?

Als ich dazu kam, hatten die anderen schon eine Menge Frauen im Casting gesehen. Ich fand es toll, dass es diese super Rolle für jemanden gibt, der ein bisschen älter ist als der normale Love Interest. Für mich musste Jutta eine sein, die heraussticht aus diesem Kiez, eigentlich nicht so richtig dorthin gehört. Eine, bei der man das Gefühl hat, dass sie eigentlich aus einer ganz anderen Welt kommt. Für mich war beim Lesen schon klar, dass Jutta etwas Außerirdisches hat. Und Jeanette ist ja quasi von einem anderen Stern.

Hattest du bei der Inszenierung dann komplett freie Hand? Wie hast du dich darauf vorbereitet, was wusstest du vorab über die Nutella-Bande?

Ich kannte eine ganze Menge Storys darüber, als ich eingestiegen bin. Dann habe ich noch viel gelesen, angeguckt und mit Leuten von damals gesprochen. Die Geschichte ist ja auch nur an die Realität angelehnt. Wir haben uns also im Sinne einer stimmigen Erzählung von den wirklichen Personen und Orten inspirieren lassen. Der echte Klaus (Barkowsky) ist zum Beispiel von der Physiognomie her weicher als Aaron Hilmer. Um das zu übersetzen, haben wir uns dann auf eine so Mick-Jagger-artige Körperlichkeit verständigt, der ja sehr sexy und feminin ist. Aaron konnte das toll umsetzen, weil er sehr körperlich ist.

Zumindest zu Beginn denkt man, das sei alles ein bisschen drüber. Dann schaut man sich Dokus über Klaus Barkowsky an und stellt fest, dass er bis heute doch sehr ähnlich rüberkommt …

Aaron ist selbst Hamburger, insofern brachte er den Schnack mit, aber wir haben auch noch einen Polisher gehabt fürs Drehbuch, der noch einmal über die Dialoge gegangen ist. Was einem beim Schauen zunächst vielleicht etwas viel vorkommt, ist der besondere Ton, der da herrscht, die Sprache. Das kommt dem Ganzen aber zugute, weil er diese Welt fest verortet und auch zeigt, dass es selbst in der Sprache viel um Show ging. Das sieht man ja schon an den Namen wie „Lamborghini-Klaus“ oder „Karate-Tommy“.

Hat sich dein zuvor sicherlich auch eher touristischer Blick auf den Hamburger Kiez durch die Recherche vor Ort irgendwie verändert?

Eher nicht. Die Zeit, die wir in „Luden“ abbilden, ist so anders als heute. Damals wurde wirklich vom Rotlichtmilieu gelebt, das macht heute vielleicht noch fünf Prozent aus. Der Rest sind Fressbuden, Striplokale, Glücksspiel … Ich glaube, auf dem Kiez spielen heute andere Dinge eine Rolle als damals.

„Luden“ hebt sich von vielen anderen deutschen Serien durch Bildgestaltung, Ausstattung, Erzählweise und die Figuren selbst ab. Es ist deutlich mutiger. Woran liegt es deiner Meinung nach, dass vieles hierzulande noch immer so bieder daherkommt?

Ich denke, dass das an dem Phantom „Zuschauer“ liegt, beziehungsweise an dem, was in ihn hinein interpretiert wird. Der Zuschauer als Auftraggeber, dem etwas mundgerecht gemacht wird. Man orientiert sich an etwas, das gerade gut gelaufen ist. Das heißt, man wiederholt das, was funktioniert hat, anstatt neue Wege zu gehen und damit die Möglichkeit des Scheiterns in Kauf zu nehmen. Es ist natürlich Angst da, Geld in die Hand zu nehmen und was falsch zu machen. Dabei sind Filmemacher bereit dazu, grenzwertig zu erzählen, denke ich. Wir haben versucht, so viele Fehler wie möglich zu machen. Was gar nicht so einfach ist. Zum Beispiel bei den Wandfarben. Wir haben Farben ausgesucht, die man normalerweise so niemals wählen würde, weil sie die Schlechtigkeit der Haut hervorheben.

Du bist gerade mit der Komödie „Caveman“ in den Kinos, ein Film, bei dem du dich auch für das Drehbuch verantwortlich zeichnest. Inszenierst du lieber Dinge, die du selbst geschrieben hast oder Skripte anderer Autoren?

Bei „Luden“ habe ich es schon genossen, an den Drehbüchern ohne eine Autorenschaft mitwirken zu dürfen. Es war für mich schön, was von jemand anderem zu inszenieren, weil ich da eine größere Freiheit spüre, Sachen zu interpretieren. Anders, als wenn du es dir selbst ausdenkst und im Kopf hast. Dann ist es schwierig, die Gedanken noch mal zu verändern. Das passiert im günstigsten Fall nur noch mal durch die Motive oder den Kameramann.

Aktuell gibt es eine Initiative von Schauspielerinnen beziehungsweise Frauen über 47, die sich in Film und Fernsehen unterrepräsentiert finden. „Let’s change the Picture“ heißt das Motto. Siehst auch du hier Handlungsbedarf?

Absolut, Gott sei Dank reagiert unsere Branche immer auf solche Anstöße, finde ich. In puncto Diversität hat sich ja wirklich schon super viel verändert. Ich habe auch jetzt bereits das Gefühl, dass in gewissen Positionen inzwischen deutlich mehr Frauen sitzen, die das genauso sehen.

Achtest du bei der Zusammenstellung deines Teams für einen Film auf Ausgewogenheit hinsichtlich der Geschlechter?

Tatsächlich nicht, denn es ist schon so schwierig genug, Leute zu finden, mit denen man chemisch irgendwie zusammenkommt. Aber ich finde, es ist schon etwas anderes, mit Frauen zusammenzuarbeiten. Irgendwie ist dann mehr Ruhe drin.

Du hast 2016 auch einen Roman veröffentlicht. „Die Punkte nach dem Schlussstrich“. Ist hier ein Follow-up zu erwarten oder wirst du vom Film so vereinnahmt, dass die Zeit dafür fehlt?

Ich habe das Buch damals zwischen zwei Produktionen geschrieben und hatte sehr wenig Zeit. Ich glaube, es wäre besser geworden, wenn ich mehr Zeit gehabt hätte. Es war trotzdem eine sehr gute Erfahrung, und im Moment wäre ein weiteres Buch zu schreiben sicher das Beste für mich. Also mal ein bisschen außerhalb der Regeln, die ein Drehbuch mit sich bringt.

Und es ist weniger eine Teamleistung wie eine Serie oder ein Film, eben ein Solo-Projekt …

Aber nach Corona finde ich, ist das Schreiben noch mal schwieriger als vorher. Davor war es immer ganz schön, sich zurückzuziehen für ein paar Wochen, aber im Moment finde ich es schwierig, allein zu Hause zu sitzen und mich selbst hochzuhalten.

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