„Macbeth“: Düsteres Drama in anspruchsvollem Gewand

„Macbeth“: Düsteres Drama in anspruchsvollem Gewand

Für seine erste Solo-Regiearbeit hat sich Joel Coen Shakespeares Tragödie „Macbeth“ vorgenommen. Mit Denzel Washington als Königsmörder kreierte er ein formales Meisterwerk, das der Düsternis der Vorlage gerecht wird und dem Klassiker eine neue Richtung weist.

Anfang des 17. Jahrhunderts wurde Shakespeares Tragödie „Macbeth“ uraufgeführt. Seither sind also mehr als 400 Jahre vergangen, und so sperrig die Sprache den meisten heute scheint, so aktuell sind die darin behandelten Themen. Es geht um Macht, Verrat, Intrigen und den totalen Wahnsinn.

Dass sich Joel Coen für seine erste Solo-Regiearbeit ausgerechnet den düstersten aller Shakespeare-Klassiker ausgesucht hat, ist gewagt. Immerhin hat der 67-Jährige als Teil der Coen-Brüder bislang vor allem mit Grotesken wie „Fargo“, „No Country for old Man“ und „The Big Lebowski“ Erfolge gefeiert. Allesamt auch nicht unbedingt leichte Kost, aber ganz sicher gefälliger als „Macbeth“. Was immer ihn zu dieser Entscheidung bewogen hat, dabei herausgekommen ist formal gesehen ein echtes Meisterwerk.

Unheilvolle Prophezeiung

Inhaltlich dürfte die Story weitgehend bekannt sein. Ein geheimnisvolles Hexentrio (Kathryn Hunter) prophezeit dem Feldherrn Macbeth (Denzel Washington), er könne bald schon der nächste König von Schottland werden. Als er seiner Frau Lady Macbeth (Frances McDormand) davon berichtet, schmieden die zwei – getrieben von dem Traum von Macht – einen perfiden Plan, um die Prophezeiung wahr werden zu lassen. Der beinhaltet den Tod des amtierenden Königs, dem es zu diesem Zeitpunkt noch ganz prächtig geht. Und während zunächst alles so zu laufen scheint, wie es sich das Ehepaar Macbeth vorgestellt hat, kommen sich bald seine Machtgier und ihre Paranoia in die Quere.

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Frances McDormand als Lady Macbeth.(Foto: Apple TV)

Diese Geschichte hat Coen unberührt gelassen, Shakespeares Dialoge an der einen oder anderen Stelle lediglich eingekürzt, sodass am Ende von rund drei Theaterstunden 105 Filmminuten übrig blieben. Getragen wird „Macbeth“ also von den schauspielerischen Leistungen der Darsteller sowie der äußerst ungewöhnlichen Bildgestaltung.

So kann man Denzel Washington und Frances McDormand, die übrigens seit 1984 mit Coen verheiratet ist, mal wieder auf höchstem Niveau erleben, wenngleich ihr schauspielerisches Talent auch schon vor diesem Film ja nie infrage stand. Sie sind Darsteller in einem Theaterstück, das vor laufender Kamera aufgeführt wird. Und ebenso werden sie von Coen inszeniert. Was womöglich altbacken klingt, ist das Gegenteil, denn wie sie sich in ihrem surrealen Umfeld bewegen, erzählt die Dramatik der Ereignisse auch zwischen den Zeilen. Die drei Hexen werden oft nur durch drei Stimmen oder drei Raben dargestellt. Einige von Shakespeares Original-Figuren fügen sich zu einer zusammen, Verse werden von anderen Personen als der ursprünglichen vorgetragen.

Theater fürs Kino

Zwar tragen Macbeth und Co. in die Zeit passende Kostüme und rasseln dann und wann auch mit ihren Schwertern, doch könnte das Schloss des Königs ebenso gut aus der Bauhaus-Ära stammen. Ein trister Betonklotz, ohne Prunk, ohne Schnörkel und damit eine durchaus zeitgemäße Theaterkulisse. Gedreht wurde in Schwarz-Weiß und einem fast quadratischen Format, was zunächst gewöhnungsbedürftig ist, in all seiner Konsequenz aber Sinn ergibt. Durch Licht und Schatten, scharfe Kanten und weite Einstellungen unterstreichen die kontrastreichen Bilder von Kameramann Bruno Delbonnel die Ereignisse.

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Kathryn Hunter als prophezeiende Hexe.(Foto: Apple TV)

So schlicht das „Bühnenbild“, so kompliziert die Texte Shakespeares. Dieser Film lässt sich unmöglich mal so nebenbei schauen, denn er erfordert allerhöchste Konzentration. Und selbst dann dürfte das eine oder andere für Klassiker-ungeschulte Ohren untergehen. Es ist also von Vorteil, mit der Geschichte von „Macbeth“ vertraut zu sein und sich auf die Bilder und die Inszenierung konzentrieren zu können. Doch selbst das ist bei dem Film in englischer Originalsprache mit deutschen Untertiteln eine echte Herausforderung. Voraussetzung, um Gefallen an Coens „Macbeth“ zu finden, ist, Shakespeare etwas abgewinnen zu können und keine Angst vor Arthouse-Kino zu haben.

Wer sich dann aber auf den Film einlässt, wird mit einem formalen Meisterwerk belohnt. Ohne diese Affinitäten wird das Ganze trotz aller Originalität womöglich doch eher zur langatmigen Qual denn zur kurzweiligen Freude.

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