Irland – Deutschland – Schweiz. Diese Route hat Niall Mannion in Bezug auf seinen Lebensraum in den letzten Jahren zurückgelegt. Geboren in Greystones nahe Dublin zog er vor rund acht Jahren nach Berlin, ehe es ihn der Liebe wegen nach Zürich verschlug. Sein Schedule umfasst aber noch weitaus mehr internationale Stationen, denn seit Jahren ist der 31-Jährige weltweit unterwegs. 2013 erschien mit »Changing Days« Album Nr. 1, und das brachte Niall jede Menge Lob und noch mehr Bookings ein. Vielschichtig, emotional, stimmungsvoll und wunderbar lauteten die meist genannten Adjektive. Dem steht der Nachfolger »Trails«, der wie »Changing Days« auf Permanent Vacation erscheint, in nichts nach. Das zweite Album ist eine konsequente Weiterentwicklung des ersten, ein Stück weit souveräner, aber nicht weniger gefühlvoll und tiefgründig. Ich treffe Niall an einem Vormittag im September im Hotel Michelberger in Berlin. Er ist für ein paar Promotermine in seine ehemalige Wahlheimat zurückgekehrt. Da ich bislang noch nicht das Vergnügen hatte und nur einige – offenbar ältere –Pressefotos von Niall kannte, bin ich doch überrascht, denn er ist im Vergleich zu diesen deutlich erschlankt. Zürich und die Liebe scheinen ihm gut zu tun.
In Sachen Energie sind sich Berlin und Zürich nicht gerade ähnlich. Lärmende Metropolenromantik gegen saubere Gelassenheit mit Seeblick. Kein schlechter Tausch, selbst wenn oder gerade weil man selbst Teil der elektronischen Musikszene ist. Deren Mekka mag Berlin sein, doch die Vorzüge Zürichs liegen auf der Hand: »Ich bin ja ohnehin weltweit unterwegs, da braucht man den Stress nicht unbedingt auch noch im Privaten. Klar ist der Vibe in Zürich vollkommen anders. Und ich komme auch wirklich gern zurück nach Berlin, um Leute zu treffen, aber hier leben muss ich nicht mehr. Und ich komme in Zürich viel einfacher zum Flughafen und damit auch zu meinen Gigs«, schwärmt Niall und lässt keinen Zweifel daran, den nun ein Jahr zurückliegenden Umzug bislang nicht bereut zu haben. Sieben Jahre Berlin, ein Jahr Zürich – trotz- dem bevorzugt es der Ire, sich in seiner Muttersprache zu verständigen. »Ich habe Deutsch gelernt, und ich verstehe alles. Allerdings bin ich wohl zu schüchtern, um es selbst zu sprechen. Ich rede auch daheim mit meiner Freundin nur Englisch.« Wieder komplett zurück in die Heimat – also zurück nach Irland – das ist für Niall heute nicht vorstellbar: »Immer wenn ich dort bin, denke ich, wie schön es ist. Doch spätestens nach einer Woche reicht es mir. Dann halte ich es für den schlimmsten Ort auf Erden,und ich muss dort wieder weg. Ich bin glücklich da, wo ich jetzt bin. Aber wenn man so viel unterwegs ist, ist die Situation ja ohnehin ganz anders, als wenn man irgendwo lebt und an diesem Ort seine gesamte Zeit verbringt. Daher ist das für mich vielleicht auch gar nicht so wichtig.«
Inspirationen sammelt Niall auch eher unterwegs, als dass sie von seinem Lebensraum beeinflusst wären. Vermutlich würde »Trails« also nicht anders klingen, wäre es in Berlin entstanden anstatt mit Blick auf den Zürichsee. „Tatsächlich habe ich sämtliche Ideen und Skizzen auf Reisen gesammelt. Dann aber bin ich zwei Monate daheim geblieben, um das Album fertigzustellen. Sicherlich kann man sich nicht ganz davon frei machen, auch von seinem Umfeld beeinflusst zu sein, aber es geht viel mehr darum, wo man mit den Gedanken ist, was einen beschäftigt. Aber der Wohnort ist nicht der größte Einfluss. Dort in der Schweiz ist es jedenfalls perfekt zum Arbeiten, du hast dort viel weniger Ablenkung als woanders.“ Vor allem viel weniger Ablenkung als in Berlin. Dennoch entstand genau hier das erste Mano Le Tough-Album »Changing Days«. Vielgelobt, aber auch für Niall nicht nur positiv konnotiert. Bei »Trails« war ihm nun erstmals im Vorfeld klar, was auf ihn zukommt, nämlich … »eine Menge Promotermine. Das ist es, was so ein Album vor allem mit sich bringt«, lacht er. »Ansonsten hat natürlich jeder Künstler eine andere Motivation, überhaupt ein Album zu machen. Es ist auf jeden Fall ein gutes Format, um die Leute zu erreichen. Vor allem, um andere Leute zu erreichen als bei den Gigs im Club. Das Spektrum erweitert sich. Und es geht mir natürlich darum, mich zu präsentieren. Ich war schon als Kind ein Fan von Alben, umso wichtiger sind sie mir heute als Künstler.« Es geht darum, die ganze Geschichte zu erzählen. »’Trails‘ erzählt die Geschichte eines Reisenden und der Spuren, die er auf seinem Weg hinterlässt. Aber auch die Geschichte der Spuren, die die Reisen in ihm hinterlassen. „Und es geht um die Spuren, die du in Bezug auf deine Kunst, die Musik hinterlässt. Es geht also ums Reisen auf ganz unterschiedlichen Ebenen.« Wirft man einen Blick aufs Tracklisting, fällt ein Titel besonders ins Auge. Während Englisch die Amtssprache von »Trials« ist, findet sich mit »Meilen« auch ein scheinbar deutsches Wort wieder. »Meilen ist doppeldeutig. Zum einen heißt so der kleine Ort in der Schweiz, in dem ich lebe. Aber zum anderen meint es natürlich auch Meilen im Sinne der englischen Miles, als Streckenangabe, was wiederum gut zum Albumtitel passt.« Und nicht nur das, denn inzwischen ist Laufen ein wichtiger Bestandteil in Nialls Leben. Damit erklärt sich vielleicht auch die anfänglich erwähnte veränderte Optik. Vermutlich hat er bereits einige Meilen in Laufschuhen hinter sich gebracht. »Dixon glaubte, ich meine damit Flugmeilen, aber damit lag er komplett daneben. Zwar ist das viele Reisen toll, weil du so unglaublich viele Menschen mit deiner Musik erreichst. Bei sechs Gigs in einer Woche reicht es dann aber auch mal. Du bist müde und hast die Schnauze voll davon. Diese Momente gibt es immer wieder. Aber du fliegst natürlich doch wieder irgendwo hin und hast ein fantastisches Erlebnis. Dann weißt du wieder, wofür du dir das alles antust. Das Positive überwiegt – ohne Frage.«
Das Pensum eines Mano Le Tough ist allerdings nur durchzuhalten, wenn man ein paar wichtige Verhaltensregeln beherzigt: »In 90 Prozent der Zeit komme ich erst kurz vor dem Set und trinke keinen Alkohol. Klar, wenn Freunde vor Ort sind, ist es auch schon mal anders. Aber ich komme erst kurz vorher, weil ich mich so vor dem Set besser auf mich selbst konzentrieren kann und gar keine Lust habe, schon irgendwelchen Smalltalk zu halten. Da fokussiere ich mich lieber. Und ja, ich bin in der Regel auch schnell wieder weg. Meist geht es am nächsten Morgen auch schon wieder weiter, da ist es für mich persönlich besser, nüchtern zu bleiben.« Und so gibt es auch in den kommenden Monaten für Niall wenig Gelegenheit, privat die Sau rauszulassen. Dafür gibt es für seine Fans umso mehr, ihn an den Decks zu erleben. Eine klassische Promotour wird es aber nicht geben. »Im Grunde bin ich ja schon die ganze Zeit durch gebucht. Daran ändert sich nichts, außer dass nun dann eben mein Album erschienen ist.« Am 7. November spielt Mano Le Tough im Berghain/Panorama Bar, übrigens der einzige Deutschlandgig im restlichen Jahr 2015.