Hübner & Manthei: „Eine Freundschaft, die durch Metal geheilt wird“

Hübner & Manthei: „Eine Freundschaft, die durch Metal geheilt wird“

Ehe im August das Wacken Open Air stattfindet, startet auf RTL+ mit „Legend of Wacken“ eine Serie über dessen Gründer Holger Hübner und Thomas Jensen. Gespielt werden die zwei unter anderem von Charly Hübner und Aurel Manthei, die selbst dem Metal verfallen sind, wie sie im Interview mit ntv.de erzählen.

Vor 33 Jahren erscheinen zur ersten Ausgabe des Wacken Open Air gerade mal 800 Metalheads, heute sind es rund 80.000 Fans, die über das 2000-Seelendorf einfallen. Initiiert wurde das Event damals wie heute von Holger Hübner und Thomas Jensen, zwei Musikfans aus der Gegend, die genug hatten vom dörflichen Einerlei. Ihre Geschichte – mit einigen harten Fakten und viel Fantasie – erzählt die Serie „Legend of Wacken“, die jetzt auf RTL+ gestartet ist.Anzeigejavascript:void(0)Die ntv Nachrichtenfernsehen GmbH ist nicht für den Inhalt verantwortlich

Während die Wacken-Gründer in jungen Jahren von Sammy Scheuritzel und Sebastian Jakob Doppelbauer gespielt werden, schlüpfen in ihre 2022er-Versionen Charly Hübner und Aurel Manthei. Im Interview mit ntv.de sprechen die beiden Schauspieler unter anderem darüber, wie es war, als sie als Teenager selbst die Liebe zum Metal entdeckten.

ntv.de: Aurel, die erste Premiere fand beim Filmfest in deiner Wahlheimat München statt. Wie kam „Legend of Wacken“ dort an?

Aurel Manthei: Sehr gut. Die Leute haben sich gefreut. Und wir sind froh, dass vor allem die Menschen, deren Geschichte wir erzählen, das Ganze abgesegnet haben. Das war für mich und eigentlich für uns alle das Wichtigste. Man hat schon Sorge, wenn man in irgendwas so viel Herzblut reinsteckt, dass die Leute sagen: „Das war kacke!“. Dann hast du ein Problem. Aber hier stecken kluge Leute dahinter, die gute Figuren und gute Geschichten mit großem Herz für die Sache erzählen. Da geht dann eher selten was schief.

Wie war euer privates Verhältnis zu Wacken vor dieser Serie?

Manthei: Ich war vorher noch nie dort. Früher, als ich gern gefahren wäre, hatte ich nicht die Kohle oder es war zu weit weg. Ich war damals in Unna bei Dortmund und habe Zivildienst gemacht. Da sind wir dann eher aufs Dynamo nach Eindhoven gefahren. Sechs Mann im Bulli und los. Da habe ich Rage Against The Machine und so gesehen. Das war schon auch okay. Später hatte ich dann immer zu viel anderes um die Ohren, jetzt drei Kinder … wie das so ist.

Charly Hübner: Ich war davor zweimal da, unter anderem 2013, als Motörhead gespielt haben und das Konzert nach 30 Minuten abgebrochen werden musste. Davor habe ich Mikkey (Dee, Motörhead-Drummer – Anm. d. Red.) interviewt. Eigentlich sollte ich mit Lemmy (Kilmister, Motörhead-Frontmann – Anm. d. Red.) sprechen, aber der war an dem Tag schon so krank. Das war dieses ganz beschissene Jahr für ihn. Jetzt bin ich jedenfalls dem Andy sehr dankbar, der in „Legend of Wacken“ die Rolle von Lemmy spielt. Er ist eigentlich so ein alter englischer Punk und hat mit Metal nichts am Hut. Der hatte sich mit Lemmy noch nie befasst. Dann habe ich den mit Zeug über ihn überhäuft. Und ich finde, er macht das super. Als Hardliner höre und sehe ich natürlich schon den Unterschied. Aber es ist crazy, wie gut das funktioniert.

Genau, du hast 2021 ja ein Buch über deine Liebe zu Motörhead und Metal ganz allgemein veröffentlicht. Lag dir dieses Projekt also noch mal besonders am Herzen?

Hübner: Ich dachte, diese ganzen Geschichten sind noch nicht erzählt – die 80er-Jahre in der BRD, Kohl, der Stillstand, diese Agonie für die Jugend, das No-Future-System. Jeder hat seinen Klinkerbau – ob in Baden-Württemberg oder Schleswig-Holstein. Und dann sind da diese Typen, die in den großen Städten scheitern, weil die nur im Drogenrausch zu ertragen sind. Es ist so schön, wie Dennis Svensson in seiner Rolle an einer Stelle sagt: „Wenn ich nicht auf eine Party eingeladen bin, dann mache ich eben selbst eine.“ Und dann sieht man, wie das Ganze organisch wächst. Da habe ich gedacht, das müssen wir unbedingt erzählen. Man muss die Geschichten immer wieder erzählen, in denen junge Leute nicht aggressiv das System kaputt machen wollen, sondern im System die Nische finden.

Aurel, wie bist du dann dazugestoßen?

Manthei: Ich habe mit Lars seinerzeit „Kranitz“ gedreht. Irgendwann rief er mich an und meinte, dass sie Wacken als Serie machen wollen. Ich war Feuer und Flamme und habe sofort zugesagt. Das war allerdings ein Missverständnis. Lars meinte, ich müsse schon erstmal noch ein Casting machen. Ich bekam also einen Text von Thomas Jensen. Der erzählte darin, wie ihn seine Mutter zur Tanzschule im Landgasthof schicken wollte. Er ist nicht hingegangen, hat lieber Bier getrunken und gedaddelt. Und ich habe eine ganz ähnliche Geschichte. Bei einer Tombola in der Schule habe ich mal einen Tanzkurs gewonnen. Meine Mutter hat mich dann gezwungen, dort hinzugehen. Sie hat mich dafür in eine blaue Lacoste-Strickjacke gesteckt. Ich bin wegen meiner langen Haare damals ständig von Jungs aufgefordert worden, die mir von hinten auf die Schulter tippten. Die Geschichte habe ich fürs Casting dann auch noch erzählt, und so war das Ding durch und es war klar, dass ich das mache.

Erkennt ihr sonst noch Parallelen zu den von Sammy Scheuritzel und Sebastian Jakob Doppelbauer gespielten jüngeren Versionen von Hübner und Jensen – den Jungs vom Dorf mit einer riesigen Leidenschaft für Metal?

Manthei: Ich bin so mit neun oder zehn Jahren mit meinen Eltern von Wuppertal nach Hamburg gezogen und dort großgeworden. Mein erstes Konzert war Motörhead im Docks aufm Kiez, dann folgten die Ramones und AC/DC. Vom Punk und Rock zum Metal und zurück, ganz klassisch. Schon ein bisschen wie bei Thomas Jensen. Ich bin viele Jahre mit Iron-Maiden-Kutte und langen Korkenzieherlocken über den Kiez gelatscht. Das war eine geile Zeit.

Hübner: Wir waren zwar auch zwei Kumpels auf dem Dorf in Mecklenburg-Vorpommern, aber wir waren uns selbst genug. Für uns war Party nicht so wichtig, die Musik war viel wichtiger. Sich von den bürgerlichen Kindern abzusetzen, sich wirklich mit einem selbst gemalten Motörhead-Shirt in die Klasse zu setzen und von allen belustigt angeguckt zu werden. Das fand ich gut. Und wir haben nebenher viel Sport getrieben. Wir haben also getrunken und gepumpt.

Habt ihr Holger Hübner und Thomas Jensen vor den Dreharbeiten kennengelernt, um euch in die Rollen einzufinden?

Hübner: Ich habe die beiden vorher ganz oft getroffen und auch ein paar Mal interviewt. Lars und ich wollten herausfinden, was möglich sein kann. Das erste Interview war im Sommer 2020. Da durfte man gerade wieder raus, und wir sind da hochgefahren. Ich habe jeden von den beiden drei Stunden lang interviewt, um herauszufinden, wie sie ticken. Man hat gemerkt, sie haben sich ganz viel vorgenommen und wollten das ernst nehmen. Es war auch toll für Sammy, Sebastian und Aurel, weil wir ihnen diese Interviews geben konnten.

Manthei: Ich habe die zwei vorher nämlich gar nicht getroffen, weil die Zeit zu knapp war. Ich habe mir einfach die Interviews mit Thomas reingezogen und die Art, wie er gerne Geschichten erzählt und was für einen Schnack er draufhat. Noch eine Geschichte, noch eine Story, immer sehr lustig. Wir haben dann auf dem Wacken gedreht, aus dem Augenwinkel sehe ich Thomas, wie er 20 Meter weiter weg steht und sich das anguckt. Ich habe dann abgebrochen, bin hin, wir haben die Hand geschüttelt und direkt geschnackt.

War dieses erste Treffen nicht schräg? Und wie nervös hat es dich überhaupt gemacht, eine real existierende und noch lebende Person zu spielen?

Manthei: Total. Wir haben uns hier in Hamburg gemeinsam alle sechs Folgen am Stück angeguckt. Natürlich guckst du dir dann eher die beiden Gründer aus dem Augenwinkel an, als dass du auf die Leinwand schaust. Wenn ich Shakespeare spiele, interessiert es den einen Scheiß, wie ich das mache, der ist tot. Aber spielst du jemanden, der noch lebt, dann hast du den Druck, ob ihm das gefällt. Fühlt er sich richtig getroffen, oder sagt er: Wieso habt ihr denn den Spacken genommen? Hat er aber nicht gesagt. Er fand es mega. Ich habe mehrfach nachgefragt, aber er war fein damit.„LEGEND OF WACKEN“ AUF RTL+

Gleich bei der Eröffnungsszene steht ihr auf der Bühne beim Wacken 2022, vor echtem Publikum. Wie war der Moment für euch?

Manthei: Thomas und Holger haben die Leute darauf vorbereitet, dass was gedreht wird und gleich noch was passiert. Wir standen hinter der Bühne, und da geht dir ordentlich die Zitter, selbst wenn du schon viele Auftritte im Theater hinter dich gebracht hast. Dann gehst du da raus, zeigst die Pommesgabel und schreist „Moin, Wacken“ und kriegst das so powermäßig zurück. Da schwebst du erstmal einen halben Meter über dem Boden. Charly und ich sind dann auf dem Festival permanent für die echten Hübner und Jensen gehalten worden. Wir haben anfänglich noch versucht, das aufzuklären. Zu fortschreitender Stunde haben wir damit aufgehört, weil die Leute es eh nicht glauben wollten. Das war so herzlich. Die haben sich ständig bedankt, Selfies gemacht und so.

Wäre Rockstar nicht auch eine Option gewesen? Charly am Bass, Aurel am Schlagzeug?!

Manthei: Unbedingt. Aber Schlagzeug ist da scheiße. Du packst deinen Kram zu Hause ein, hievst alles ins Auto, fährst zum Gig, packst es wieder aus, baust auf, spielst den Gig und musst dann alles wieder zusammenpacken. Im nächsten Leben dann lieber Querflöte. Aber ich hatte immer Bands, habe immer gespielt und es hat mir immer viel Spaß gemacht. Heute wäre ich dann aber lieber Sänger. Mein Junge ist jetzt 18 geworden und spielt Kontrabass, die 14-Jährige spielt Klavier, die Kleene will Schlagzeug spielen – es dauert noch ein paar Jahre, dann haben wir eine Hausband. (lacht)

„Legend of Wacken“ ist nicht nur eine Serie über Metal, sondern vor allem über eine besondere Freundschaft …

Hübner: Als wir Holger Hübner und Thomas Jensen die Serie gezeigt haben, war das Erste, was sie gesagt haben: „Wir sind wohl doch Freunde, ne?!“ Und uns war gemeinsam mit den Autoren schnell klar, dass das der Punkt ist, um den es gehen muss.

Manthei: Freundschaften, die durch Musik entstehen, sind schon was Besonderes. Die halten entweder besonders lange oder zerwerfen sich für immer. Eine Freundschaft, die durch Metal geheilt wird – die Geschichte, die wir erzählen, ist doch totaler Wahnsinn. Du hast diese Jungs aufm Dorf, die im Nichts so eine Nummer durchziehen mit all den Rückschlägen – dem Widerspruch vom Umfeld und Problemen finanzieller Art. Bis dann alle langsam schnallen, dass das, was die machen wollen, Hand und Fuß hat, eine geile Nummer ist und eine wahnsinnige Menge enthusiastischer und friedlicher Leute generiert. Wo kommen denn sonst schon 80.000 Leute so friedlich zusammen, die wie düstere Orks aussehen und Musik hören, bei denen Pflanzen eingehen? Das hat mich daran total geflasht.

Previous post „Legend of Wacken“: Die heilenden Kräfte des Heavy Metal
Next post „Barbie“: Feminismus zwischen Kult, Kunst und Konsum