Bis vor drei Wochen kennen Fans seiner Band Mighty Oaks zwar seinen Namen, vielen anderen ist Ian Hooper aber eher nicht bekannt. Durch seine Teilnahme an „Sing meinen Song“ ändert sich das plötzlich. Nun erscheint mit „Mexico“ – natürlich nicht ganz zufällig – ein neues Album der Berliner Folk-Band.
Die Mighty Oaks klingen so wenig nach Berlin, wie die Temperaturen an der Ostsee beim „Sing meinen Song“-Dreh an den Pre-Corona-Show-Standort Südafrika erinnerten. Neben Johannes Oerding, DJ, Bobo, Nura, Stefanie Heinzmann, Joris und Gentleman ist in diesem Jahr auch Ian Hooper dabei. Und war der einigen der Kollegen sowie den meisten TV-Zuschauern zu Beginn der achten Staffel noch kein Begriff, hat sich das inzwischen geändert.
Der gebürtige Amerikaner und seine Kollegen Craig Saunders und Claudio Donzelli machen als Mighty Oaks aus der Hauptstadt heraus schon seit mehr als zehn Jahren waschechten Folk, der ebenso gut aus den USA und vielleicht sogar ein bisschen aus den 1970ern stammen könnte. Dass das vierte Album, das nun erscheint, den Titel „Mexiko“ trägt, könnte also verwirren. ntv.de hat an einem Dienstag im April nachgefragt.
Hi Ian, heute Abend läuft die nächste Folge von „Sing meinen Song“. Schaust du es dir an?
Ian Hooper: Ich gucke es auf jeden Fall. Wir sehen ja nichts vorab, nachdem es geschnitten ist. Und so viel habe ich jetzt auch nicht mehr in Erinnerung. Es wurde auch ordentlich getrunken. Es ist also interessant zu sehen, was man da gemacht hat. (lacht)
Du hast vorzugsweise Whisky getrunken. Gehört das für einen Amerikaner zum guten Ton?
Für einen halben Iren auf jeden Fall. Meine Mutter stammt aus Dublin, da steckt es in meiner Herkunft. Ich habe das in meinen Genen, vertrage Whisky ganz gut. Im Vergleich zu Gin oder Tequila, da werde ich wilder.
Um Tequila wirklich gut zu vertragen, muss man demnach Mexikaner sein. Immerhin heißt euer neues Album „Mexico“. Dein Lieblingsgetränk ist dafür schon mal nicht der Grund, sondern …
Nun, das Album entstand in einer Zeit großer Unsicherheit, in der wir gezwungen waren, Bilanz zu ziehen. Was haben wir, was haben wir verloren? Viele Leute wurden irgendwie verrückt, es brachte das Schlimmste und das Beste in ihnen zum Vorschein. Das ist es, wovon der Song „Mexico“ handelt. Er fasst die Situation zusammen, in der wir uns befanden, weshalb wir dachten, das sei auch ein guter Albumtitel. Wenn man Tequila trinken will, dann sollte es übrigens auch einer aus Mexiko sein, denn dort gibt es natürlich den besten. (lacht)
Euer drittes Album erschien vor etwas mehr als einem Jahr. Hattet ihr überhaupt vor, jetzt schon den nächsten Longplayer zu veröffentlichen, oder ist das Corona sowie „Sing meinen Song“ geschuldet?
Das hat sich alles gefügt. Wir haben im vergangenen Jahr noch eine Tour durch Europa gespielt. Wir sind eine der wenigen Bands, die das von sich sagen können. Sechs Wochen waren wir auf Tour, aber Corona hing uns die ganze Zeit an den Fersen. Am 10. März kamen wir wieder, und gleich danach war Lockdown. Am Anfang war das für mich easy, weil ich nach einer langen Tour eh eine Pause brauche. Das hielt aber nicht so lange an, und dann habe ich mich in die Musik vertieft. Ich habe sehr viel geschrieben. Seit unserem ersten Album habe ich nicht mehr so viel Zeit gehabt, mich so intensiv mit der Musik auseinanderzusetzen. Aus einem Guss so viele Lieder zu schreiben, die zusammengehören und aus einer Zeit stammen. Das war auch gut. Es ist alles durchdachter, als sonst so zwischen Tür und Angel zu schreiben. Ich dachte, wir schauen mal und würden die Songs irgendwann schon brauchen können. Dass es so schnell geht, hätte ich dann nicht gedacht.
War „Sing meinen Song“ schon früher mal im Gespräch?
Immer mal wieder in den letzten Jahren. Es hat zeitlich nie hingehauen, weil wir immer auf Tour waren. Und wir taten uns auch ein bisschen schwer mit dem Mainstream und wer dann von der Band hingeht. Das war das erste Mal, dass alles zusammengepasst hat. Es ist Pandemie, es läuft sonst gar nichts. Unsere Fans kennen uns schon, und es ist gut für uns, wenn Mighty Oaks jetzt ein Gesicht bekommt und die Leute durch mich auf uns aufmerksam werden. Die Lieder waren ja da, und die haben wir dann ganz schnell hier in meinem Kellerstudio durchgeboxt.
Grundsätzlich ist es aber finanziell ein Tropfen auf den heißen Stein. Auch ihr lebt – wie alle anderen Bands – vor allem vom Live-Spielen. Kommen da in der aktuellen Situation – eure Tour ist jetzt erst für das nächste Jahr geplant – Existenzängste auf? Du bist immerhin auch noch zweifacher Vater …
Zum Glück nicht. Erstmal ist noch alles gut. Die Band und unsere Firma, wir waren immer sehr gut mit Geld und sparsam. Wir haben nicht einfach zwei Nightliner gebucht, nur weil es gut lief. Wir sind nur einmal – mit dem zweiten Album – in die Staaten geflogen und haben in einem super teuren, geilen Studio aufgenommen. Das war das Beschissenste, was wir machen konnten. Wir wären fast auseinandergegangen, weil wir uns so gestritten haben unter dem Zeitdruck. Da haben wir gesehen: Scheiß auf teuer, scheiß auf Luxus. Wir sind sowieso eher so super bodenständige Typen, fahren lieber mit 14 Leuten im Nightliner, auch wenn es eng ist, ist es geil. Wir fahren auch immer noch mal mit einem Sprinter, wenn wir nicht mehrere Shows am Stück haben.
Was versprichst du dir von der Showteilnahme für die Band?
Aber klar, „Sing meinen Song“ pusht uns jetzt auch gewissermaßen und wir hoffen, dass es langfristig zum Erfolg führt. Und das wir noch im nächsten Jahr ein bisschen etwas davon mitnehmen können. Unsere Industrie ist allerdings sehr schnelllebig. „Sing meinen Song“ ist in ein paar Wochen vorbei, und 2022 ist noch lange hin. Ob die Leute uns dann noch im Kopf haben, werden wir sehen.
Was sind denn die Sachen, die dich jetzt in dieser doch eher tristen Zeit zum Schreiben der neuen Songs inspiriert haben? Input gibt es ja gerade nicht so viel …
Wir alle sind gezwungen, andere Perspektiven zu finden und unsere Denkweisen komplett auf den Kopf zu stellen. Wir wurden erstmal alle mit neuen Problemen konfrontiert. Für mich macht es das einfacher zu schreiben. Plötzlich habe ich Zukunftsängste. Oder ich habe Menschen in meinem Umfeld, die mit psychischen Problemen kämpfen. Menschen, die ich zu unterstützen versuche, weil es ihnen auch existenzbedingt nicht gut geht. Es füttert auf jeden Fall die kreative Kasse. Für mich war das gut. Die Themen, die ich sonst in meine Lieder einbringe, waren jetzt nicht da, aber ich hatte dann viele neue Ideen und Themen, über die ich schreiben konnte.
Glaubst du, dass das, was im Bereich Kunst und Kultur gerade passiert beziehungsweise nicht passiert, auch euch irgendwann betrifft? Ihr hättet letztes Jahr auch in Nordamerika getourt, ist das für die Zukunft noch vorstellbar?
Das mit den USA haben wir geknickt. Es ist sowieso teuer, dorthin zu fliegen. Wie viel Geld wir da verloren haben an Visa und was man vorab so bezahlen muss. Das tat schon weh. Wir fokussieren uns jetzt schon auf Europa, wenn auch nicht England, was auch wehtut. Aber wir haben doch Glück, denn Deutschland ist ein Ziel für Musiker aus aller Welt, denn die Bedingungen hier sind so gut zum Spielen. Es gibt so viele gute kleine Clubs überall. Du kannst eine Tour im deutschsprachigen Raum spielen, und du bekommst überall Essen. In vielen anderen Ländern ist das nicht so. Von Künstlerseite ist das hier echt ein Traum. Die Ami-Bands wollen alle hier hin, weil du gut verdienst und gut aufgehoben bist. Die Deutschen kaufen ja sogar noch CDs.
Unklar ist, wie viele gerade kleinere Clubs nach der Pandemie überhaupt wieder aufmachen können …
Das wird schon hart für die Nachwuchskünstler, die gerade vor dem ersten großen Sprung waren. Es gibt noch immer Organisationen wie die Initiative Musik, die denen helfen, und wenn überhaupt, dann sind die Bedingungen in Deutschland noch gut. Wie viel Geld in diesen Kassen dann noch sein wird, werden wir allerdings dann erst sehen. Und ich hoffe einfach, dass die guten kleinen Clubs überleben werden. Die kreative Welt ist wie die Natur, sie findet immer einen Weg, zurückzukommen. Die Ideen kommen, die Kreativen wollen sich äußern. Vor allem nach so einer Zeit, wenn das Leben zurückkehrt zu einer halbwegs normalen Welt, wird es so grandiose, gesellschaftskritische, freundliche Kunst geben, Partys, Orgien … (lacht)
Wenn morgen die Pandemie vorbei wäre, könntest du den Schalter direkt wieder umlegen?
Auf jeden Fall. Ich wohne aber eh nicht mehr in der Stadt, ich bin hier eher mit Bäumen und Fluss unterwegs als mit vielen Menschen. Früher ging mir das schon immer so, dass ich abgehauen bin, wenn es mir irgendwo zu voll war. Open Airs fand ich aber immer geil. Das sind Momente, in denen du komplett sorglos bist und nicht nachdenken willst. Ich finde es jetzt schon komisch, an einem sonnigen Tag herumzulaufen und es ist überall total voll. Schulter an Schulter. Ich werde dann so ein bisschen panisch, weil ich im Hinterkopf weiß, es ist immer noch Pandemie. So sehr ich das gern vergessen möchte … es gibt so viele, die eben nicht krank werden dürfen.
Du sorgst dich also eher um andere als um dich selbst?
Ich bin ein junger Mann und hoffe, dass ich es gut wegstecken würde. Aber mein Nachbar Horst, der ist 70 und ist eine echte Seele, den mag ich super gern. Dem will ich nicht nahekommen, denn ich möchte nicht, dass er krank wird und stirbt. Ich nehme das schon sehr ernst. Aber alle Leute haben halt die Schnauze voll.
Was wäre denn das Erste, das du tun würdest, wenn alles wieder möglich ist? Du hast ja vermutlich noch Familie in den USA? Würdest du also dorthin reisen?
Genau, die würde ich besuchen. Meine Schwester hat gerade ein Baby bekommen in Chicago. Ich könnte als Ami wahrscheinlich hin, aber das möchte ich ja mit meiner Frau machen.
Ich habe schon rausgehört, dass Ausgehen jetzt nicht mehr ganz oben auf deiner To-Do-Liste steht?
Ich bin schon lange nicht mehr der Typ, der feiern geht. Ich bin Papa, habe zwei kleine Kinder, ich gehe nicht mehr so oft in Kneipen. Aber ich hätte gern mal wieder einen langen Abend in der Stadt, von Kneipe zu Kneipe mit meinen Buddys, mich ohne Hemmungen betrinken. Ich habe in letzter Zeit immer mal wieder Beef mit ein paar Jungs, die sich alle seit Ewigkeiten kennen, ich bin da so reingerutscht. Aber ein, zwei davon sind auf die Querdenker-Schiene geraten. Ich möchte gerne unter vier Augen mit denen einen saufen gehen, um das mit ihnen zu klären.
Glaubst du, dass die sich noch bekehren lassen?
Diese Leute blasen Trübsal und jammern rum. Denen will ich nur „Shut up“ sagen. Immer nur dieses „Freiheit, Freiheit“, die sind doch alle frei. Als weißer Mann in Deutschland bist du frei. Und das will ich ihnen persönlich sagen. Dann kann ich zur Not immer noch einen Strich drunter machen und einfach „Tschüss“ sagen. (lacht)
Plant ihr vielleicht doch noch irgendwas wie ein Streaming-Konzert?
Wir haben da von Anfang an nicht mitgemacht bei diesem Live-Streaming-Ding. Diese Produktionen in Clubs wollten wir auf gar keinen Fall machen. Aber wir werden am 7. Mai hier im Studio sitzen, Whisky trinken, ein paar akustische Lieder spielen und über Instagram Live Fragen der Fans beantworten. Das ist doch viel persönlicher.