Miss Platnum veröffentlicht ihr sechstes Album. Wie gewohnt überrascht sie ihre Fans mit einem gänzlich neuen Sound, den sie auch ihrem Produktionspartner Bazzazian zu verdanken hat. Mit n-tv.de sprechen die zwei unter anderem über Wandlungsfähigkeit und Weiterentwicklung.
Fünf Alben hat Miss Platnum bislang veröffentlicht und sich beinahe ebenso häufig dafür neu erfunden. Als Queen of R’n’Balkan in englischer Sprache gestartet, lieferte sie zuletzt mit „Glück und Benzin“ und „Ich war hier“ zwei Longplayer auf Deutsch ab. Jetzt erscheint unter dem Titel „The Opera“ das sechste Werk, und wie der Titel vermuten lässt, hat sich Ruth Maria Renner erneut dem Englischen zugewandt.
Bei der Produktion zur Seite stand ihr mit Bazzazian aus Köln einer der derzeit fähigsten Schrauber im deutschen Hip-Hop-Business. Ihn kennen Fans des Genres nur zu gut, denn Alben wie „Russisch Roulette“ von Haftbefehl und Kontra Ks „Labyrinth“ stammen aus seinem Studio. Wer jetzt glaubt, er und Miss Platnum hätten den nächsten heißen Scheiß am Hip-Hop-Himmel abgeliefert, der irrt. „The Opera“ ist ein lupenreines Popalbum, das internationaler klingt als alles, was die 38-Jährige bisher gemacht hat. Große Gesten und Melodien öffnen das Tor zu einer neuen Miss-Platnum-Welt, während sie selbst sich im Privaten schon wieder der nächsten großen Herausforderungen stellt.
Mit n-tv.de sprachen die hochschwangere Renner und Benjamin Bazzazian über das, was sie zu dem für beide Seiten neuen Sound bewegt hat.
n-tv.de: Wie kam es überhaupt dazu, dass ihr ein gemeinsames Album gemacht habt?
Miss Platnum: Das hat sich über längere Zeit entwickelt. Zum ersten Mal haben wir für „Russisch Roulette“ von Haftbefehl den Song „Anna Kournikova“ zusammen aufgenommen. Dann habe ich „Ich war hier“ gemacht, dafür hat Ben zwei Beats beigesteuert. So haben sich unsere Wege immer wieder mal gekreuzt. Als ich dann neue Demos fertig hatte, wollte ich sie ihm zeigen. Das hat sich allerdings ein Jahr hingezogen, weil ich mich nicht getraut habe.
Und Ben, war Ruths Scheu begründet oder hat dir direkt gefallen, was du gehört hast?
Bazzazian: Ja voll. Okay, das Lied, das sie mir geschickt hatte, ist jetzt nicht auf der Platte drauf. (lacht) Aber es war schon cool, hat am Ende nur nicht mehr so gut zum Rest gepasst.
Miss Platnum: Es hat sich alles einfach anders entwickelt.
Bazzazian: Ich war aber eh Fan von ihr. Allein wegen des Songs vom Haftbefehl-Album. Ich hab ein Jahr drauf gewartet, dass sie was schickt und am Anfang noch nachgefragt. Irgendwann habe ich das aber gelassen. Man kennt das ja. Es ist, wie wenn man Leute von früher trifft und immer meint: „Ey, lass uns mal treffen.“ Nie wird was draus, das Ganze wird zum Running Gag.
So war es dann aber am Ende bei euch nicht …
Miss Platnum: Du weißt gar nicht, wie oft ich zu Hause mit meinem Mann darüber gesprochen habe und er immer meinte: „Na, mach doch einfach.“ Ich immer so: „Nee, ich kann nicht. Was soll der denn denken?“ Ich weiß auch nicht, ich hatte Hemmungen. Keine Ahnung.
Und das, obwohl du zur englischen Sprache zurückgekehrt bist. Etwas, von dem du bei den letzten Interviews immer gesagt hast, dass es dir leichter fällt als das Texten auf Deutsch.
Miss Platnum: Das war eher ein Impuls. Es hatte ja vielleicht einen Grund, dass ich von Anfang an auf Englisch gesungen habe. Mich würde es aber tatsächlich interessieren, ob „The Opera“ auch auf Deutsch funktioniert hätte. Ich denke sehr unterschiedlich, je nachdem, auf welcher Sprache ich Musik mache. Ich habe das Gefühl, dass ich beim Englischen viel weniger nachdenke und das dem Ganzen guttut.
Ben, macht es für dich einen Unterschied, in welcher Sprache der Künstler singt oder rappt, mit dem du aufnimmst?
Bazzazian: Wenn man so gut Englisch spricht, als käme man aus England oder Amerika, dann macht es keinen Unterschied. Oder man macht es wie Rammstein und spielt damit. Das hat auch was. Ich glaube, es wäre auch überkrass gewesen, das Album mit deutschen Texten zu machen. Als Ruth die erste deutsche Platte „Glück und Benzin“ gemacht hat, fand ich das übertrieben gut. Es hat mich viel mehr angesprochen als ihre alten Sachen.
Miss Platnum: Das ist auch immer noch eine echt gute Platte.
Bazzazian: Ja, ist ganz okay. (lacht) Nein, die ist mega. Aber da war für mich der Moment, wo ich mir von dir auch echt mal was angehört habe.
Miss Platnum: Aber weißt du, was für ein Hassel diese Platte war? Wie oft wir da abgebogen sind und gelitten haben?
Zumindest sorgt die Verwendung des Englischen neben dem besonderen Sound des Albums dafür, dass es extrem international klingt. Wäre der Schritt über die Ländergrenzen hinaus etwas, das ihr euch für „The Opera“ wünschen würdet?
Bazzazian: Klar wünscht sich das jeder deutsche Künstler, und ich glaube, die Mukke ist auch gut genug, dass Leute in den USA oder England oder so das feiern könnten. Aber das haben wir nicht so gemacht, damit das passiert.
Jetzt der große Durchbruch im Ausland wäre vielleicht auch ein schlecht gewählter Zeitpunkt. Immerhin lässt das Baby nicht mehr lange auf sich warten, was eine Tour ja wohl auch erst mal ausschließt?
Miss Platnum: Es wird im Herbst eine geben. Also im Herbst 2020.
Du bist seit zwei Jahren verheiratet, wirst bald zum ersten Mal Mutter. Hat dich das verändert?
Miss Platnum: Das kann schon sein, aber ich begrüße es, wenn ich mich verändere. Ich finde das schön, ich finde Veränderung toll. Was für viele vielleicht ein Problem ist, weil meine Alben immer anders sind und ich immer wieder switche. Aber ich habe eben Lust auf etwas Neues und keine Lust auf Stillstand. Für mich ist das etwas, das im Fluss passiert, ohne dass ich darüber nachdenke. Im Grunde überrasche ich mich selbst. Für mich ist es eine stinknormale künstlerische Weiterentwicklung. Ich bin ja nicht dafür angetreten, es jemandem Recht zu machen.
Bazzazian: Doch, dir selber.
Miss Platnum: Richtig, im besten Fall mir selber. Wie soll ich da Rücksicht auf die Befindlichkeiten anderer nehmen?
Apropos Erwartungen und Anspruch an sich selbst. Ben, dich kennt man ja eher als Hip-Hop-Produzenten. Nun hat du ein Popalbum gemacht. Hat sich dabei für dich was anders angefühlt? Zum Beispiel, mit einer Frau statt einem Mann im Studio zu sein, die dann auch noch singt statt rappt?
Bazzazian: Es ist natürlich erst mal eine andere Stimmung. Ruth kommt rein und macht die Jalousien hoch, die ich immer unten habe.
Miss Platnum: Und ich bringe Blumen mit.
Bazzazian: Genau, sie hat einen Blumenstrauß dahin gestellt. Und meistens mache ich die Sachen allein zu Ende, aber wir beide haben bis zum Schluss zusammen an den Songs gearbeitet. Das war der größte Unterschied. Aber auch emotional war es anders. Als wir die Vokals aufgenommen haben – das werde ich im Leben nicht vergessen. Das war ein „magic moment“.
Anders, als wenn Haftbefehl in der Kabine steht?
Bazzazian: (lacht) Das ist auch manchmal „magic“, aber definitiv nicht so. Dann habe ich oft Tränen vor Lachen in den Augen. Bei Ruth hatte ich das, weil mich ihre Performance so bewegt hat.
Mit Miss Platnum und Bazzazian sprach Nicole Ankelmann
Das Album „The Opera“ erscheint am 2. August.