Einst Youtube-Star, hat sich Nilam Farooq seit ihrer Rolle in „Contra“ auch im Kino etabliert. Jetzt erscheint mit „791 km“ ein neuer Film mit der 34-Jährigen. Mit ntv.de spricht sie über die Arbeit mit Legenden wie Iris Berben, anerzogenes Selbstvertrauen und das bedenkliche Erstarken der AfD.
Einst bekannte Youtuberin und Darstellerin in diversen TV-Serien, ist Nilam Farooq spätestens seit ihrem mit einem Bayerischen Filmpreis prämierten Auftritt in Sönke Wortmanns „Contra“ auch im Kino angekommen. Es folgten weitere Rollen, darunter in Wortmanns „Eingeschlossene Gesellschaft“ und Til Schweigers „Manta, Manta – Zwoter Teil“. Zudem erschien kürzlich ein Marvel-Podcast, für den Farooq mit Maren Kroymann im Tonstudio stand.
Nun spielt die Deutsche mit den polnisch-pakistanischen Wurzeln an der Seite von Iris Berben und Joachim Król in der Komödie „791 km“. Mit ntv.de sprach sie darüber, wie es ist, mit starken Frauen wie Anke Engelke, Berben und Kroymann zu arbeiten, woher sie den Glauben an sich selbst nimmt und was ihr gesellschaftlich und politisch derzeit große Sorge bereitet.
ntv.de: Nilam, du spielst in „791 km“ eine so genervte wie nervende Karrieristin. Was war es, was dich daran gereizt hat?
Nilam Farooq: Es gibt dazu eine lustige Anekdote. Ich stand irgendwann inmitten des Drehs am Set und dachte, dass ich nicht weiß, warum ich das Drehbuch vorher nicht ordentlich gelesen habe. Also, ich habe es natürlich schon gelesen, aber mir ist da erst aufgefallen, dass Tiana die ganze Zeit genervt ist. Beim Spielen fühlen sich die Dinge dann doch oft anders an als beim Lesen. Irgendwann war sogar ich genervt von ihr. (lacht) Es gibt Leute, die meinen, man müsse immer sympathische Figuren erzählen, dazu gehöre ich gar nicht. Es darf auch ruhig mal ein bisschen unsympathischer sein. Bei Tiana hat mich immer getröstet, dass sie einen Grund dafür hat, es eine Geschichte dahinter gibt, die ihr das Leben schwer macht. So hat sich das Gefühl dann ein bisschen aufgelöst. Aber wie es in letzter Konsequenz rüberkommt, das war mir wirklich am Anfang nicht bewusst.
Bisher waren deine Figuren deutlich sympathischer – ob in „Contra“, „Eingeschlossene Gesellschaft“ oder „Manta, Manta – Zwoter Teil“. Meist bist du allerdings in Komödien zu sehen. Wird so wenig anderes gedreht oder bist du einfach besonders lustig?
Nein, ich glaube, ich habe kein besonderes komödiantisches Talent. Da würde ich gern mal bei Anke Engelke oder Maren Kroymann einen Kurs belegen, bei dem man dann wirklich Comedy macht.
Mit beiden hast du schon gearbeitet, den Kontakt hast du also. Beides übrigens auch sehr feministische Frauen, wie Iris Berben, mit der du „791 km“ gedreht hast. Bist du zufrieden damit, wie es für Frauen im Filmbusiness gerade so läuft?
Ich habe zumindest ganz viel Hoffnung, weil ich sehe, dass viel passiert oder zumindest vieles angeregt wird. Ich glaube aber nicht immer gleich daran, dass daraus dann wirklich was Konkretes wird. Wir leben doch in einer Zeit, in der gefühlt alles verpufft. Manchmal nach zwei Wochen, manchmal erst nach zwei Monaten, aber es verpufft irgendwie.
Deswegen gibt es wohl auch noch immer die Frauenquote, gerade auch in den verschiedenen Gewerken bei Filmproduktionen.
Ich bin so erzogen worden, dass ich nichts schlechter kann als ein Mann. Aber ich sehe natürlich auch, wie wenig in den letzten 100 Jahren passiert ist und dass meine Überzeugung mit der Realität im Berufsleben oft nicht übereinstimmt. Deswegen braucht es die Frauenquote wohl auch noch eine Weile, um das geradezurücken. Wenn ich als Begründung zu hören bekäme, dass man mich irgendwo einstellt, weil ich eine Frau bin, wäre mein Ego aber schon verletzt.
Dann haben deine Eltern dich immer bei allem unterstützt, was du so gemacht hast?
Mein Papa hat immer zu mir gesagt: „Werde Kanzlerin oder Ärztin“, ich komme ja aus keiner künstlerischen Familie. Mir ist erst später klar geworden, wie selbstverständlich es bei uns zu Hause war, dass ich alles machen kann, was ich will. Auch ein Handwerk, Schreiner oder so. Das ist meine Erziehung und das ist toll, denn es legt gerade in den Anfangsjahren die Basis dafür, wie jemand später wird. Das habe ich geschenkt bekommen, damit habe ich selbst gar nicht so viel zu tun.
Du musst dann aber schon selbst etwas draus machen. Zumindest hast du mit Engelke, Kroymann und Berben schon mal Frauen an deiner Seite, die hier mit gutem Beispiel vorangegangen sind. Motiviert es dich, wenn du mit ihnen zusammenarbeiten kannst, oder schüchtert dich das eher ein?
Ich habe schon anders Respekt, wenn ich Kolleginnen wie sie treffe, die schon lange eine Karriere haben. Da gehe ich vorsichtiger ran, was an meiner Erziehung liegt. Ich würde nicht einfach hingehen und „Hey Iris!“ sagen. Als sie uns das Du angeboten hat, hat es mich zwei Wochen gekostet, bis ich das über die Lippen bekommen habe. Aber man kann viel lernen von ihr oder auch Anke. Die Geschichten, die sie zwischen den Takes oder morgens in der Maske zu erzählen haben, das ist schon toll. Aber die werde ich natürlich nicht herausposaunen. Die habe ich ganz für mich. (lacht)
Du bist parallel zu deiner Youtube-Karriere bei der „Soko Leipzig“ reingerutscht und hast dort fünf Jahre lang einen festen Job gehabt. Etwas, von dem andere in der Branche nur träumen können. Trotzdem hast du dich 2019 entschieden, den Cast zu verlassen. Hattest du keine Angst davor, dass es nicht so laufen könnte, wie erhofft und Engagements ausbleiben?
Doch, dieses Gefühl kenne ich tatsächlich auch. Wenn ich immer mal nur so ein paar Drehtage hatte bei „Kommissar Stolberg“, „Bella Block“ oder so, dann saß ich danach zu Hause und dachte, dass ich nie wieder drehen werde. Dass das für immer mein letzter Tag an einem Set war und ich nicht weiß, ob ich diesen Beruf jemals wieder machen darf. Ich bin nie auf einer klassischen Schauspielschule gewesen, und „Soko Leipzig“ hat mir dann natürlich eine Sicherheit gegeben, die ich vorher nicht kannte. Das war quasi meine Schauspielschule. Du lernst so viel, weil schnell gedreht wird, du viele Kollegen und Kolleginnen, Regisseure und Regisseurinnen triffst. Man sagt immer, man solle so etwas nicht zu lange machen, weil man sonst zu festgelegt ist, aber manche Leute hatten nach fünf Jahren noch immer nicht mitbekommen, dass ich dort überhaupt bin. (lacht) Aber im Endeffekt war der Grund zu gehen, dass sich eine Art Trott eingeschlichen hatte. Das ist wahrscheinlich total gut, wenn man Familie und Kinder hat. Aber wenn du Mitte 20 bist, dann wird es ein bisschen langweilig.
Gab es zu diesem Zeitpunkt schon entsprechende Angebote, die es dir leicht gemacht haben, zu kündigen?
Nein. Ich weiß gar nicht, was mich geritten hat, aber ich dachte immer, es wird, wenn es werden soll. Das ist meine Grundeinstellung. Es musste nur dieses eine Projekt kommen, bei dem ich ein bisschen mehr zeigen konnte, was ich kann, dann wird das Publikum entscheiden. Und das war dann mit „Contra“ etwa ein Jahr später der Fall.
Heute kannst du es dir leisten, auch mal Nein zu sagen. Was ist es, was dich dazu bringt, ein Angebot anzunehmen?
Die Umstände. Wer macht Regie, wer spielt mit, wie ist grundsätzlich mein Gefühl zu dem Projekt? Denke ich, das interessiert jemanden? Wenn es mich nicht interessiert, fällt es mir schon schwer, zuzusagen. Aber dann kann es immer noch sein, dass die Rolle spannend ist und ich es trotzdem mache.
Es gibt mit „Heilstätten“ und „Home Sweet Home“ – der im Januar in die Kinos kommt – zwei Horrorfilme mit dir. Was hat dich daran gereizt? Dieses Genre läuft in Deutschland ja eher unter dem Radar.
Es bleibt immer nischig, das stimmt. Aber es ist einfach so passiert. Das erste Projekt war spannend, eben weil es Horror war. Und das zweite, weil es ein One-Taker ist. Das war der große Reiz daran. Meine Lust, schreiend über Felder zu rennen, hält sich sonst gelinde gesagt in Grenzen. (lacht)
Das kann aber auch ganz befreiend sein … habe ich mal gehört.
Bestimmt. Aber auch da bist du irgendwann angestrengt von dir selbst. Dann denkst du: „Boah, ich kann mich selbst nicht mehr atmen hören.“ So ein Projekt ist aber kein bewusster Ausgleich zu den anderen Sachen, denn ich habe kein Problem mit Mainstream. Ich mache den Job, weil ich will, dass Leute den Film sehen, das impliziert das Wort Mainstream ja schon. Aber ich bin auch da, wenn mal ein Arthouse-Film kommt, der auf Festivals läuft.
In einem Arthouse-Film würde es dann womöglich nur um eines der Themen gehen, die „791 km“ oberflächlich ankratzt. Das sind ganz schön viele, meiner Meinung nach. Und keines davon wird tiefer ergründet.
Ich verstehe deine Kritik total. Ich habe da nach dem Lesen des Drehbuchs auch viel drüber nachgedacht und dachte dann, das ist doch eigentlich sehr realitätsgetreu. Fünf Menschen zusammen in einem Raum. Wie auf den bald kommenden Weihnachtsfeiern. Während der eine Onkel mit der Flüchtlingspolitik um die Ecke kommt, ist der andere schon beim Thema Klimawandel. So ist es in dem Film eben auch, und ich mochte, dass er sich das traut, anstatt jedes Thema bis zum Ende auszudiskutieren. Jeder hat so die Möglichkeit, seinen Standpunkt mehr oder weniger zu behalten.
Du bist mit sozialen Medien groß geworden und bist jetzt vorrangig auf Instagram aktiv. Hat sich im Laufe der Jahre dein Umgang damit verändert?
Ja, schon allein durchs Alter, würde ich sagen. Und ich habe natürlich auch dazugelernt. Ich weiß, was passiert, wenn du das und das von dir preisgibst. Was hat das für Konsequenzen, was nehmen sich die Menschen raus, um über dich zu urteilen, weil sie glauben, dich zu kennen? Dennoch finde ich es toll, dass ich meine Karriere mitlenken kann. Zum Beispiel, was die Presse angeht. Ich habe immer die Möglichkeit, Dinge klarzustellen. Zum Beispiel, wenn du schreibst, ich hätte das Drehbuch zu „791 km“ nicht gelesen. (lacht)
Nutzt du die Kanäle auch, um dich zu gesellschaftlichen oder politischen Missständen zu äußern? Ist dir das als Person mit gewisser Reichweite – es sind immerhin 422.000 Follower bei Instagram – wichtig?
Es gibt immer Themen, da muss man noch lauter sein. Ich bin kein Fan davon, jede Bewegung laut zu unterstützen, vieles passiert nur im Herzen. Wenn ich jede Woche auf einen anderen Zug aufspringe und mich positioniere, bringt es nichts. Und es ist auch nicht meine Aufgabe, oft fehlt mir dazu das Wissen. Und das ist jetzt völlig unabhängig davon, was ich in meinem Herzen trage. Wo ich aber gemerkt habe, dass ich nicht mehr leise sein kann, ist die AfD. Bei dem Thema kann ich die Klappe nicht halten. Die Partei wird immer größer. Am Anfang hat man sich noch über fünf Prozent gewundert, jetzt sind sie in Umfragen bei über zwanzig. Aktuell geht man von Alice Weidel als Kanzlerkandidatin aus. Wie absurd ist dieser Gedanke, was für eine Entwicklung ist das in den letzten fünf oder sechs Jahren? Das ist total gefährlich … und schade. An dem Punkt habe ich gesagt, das geht nicht. Da werde ich meine Klappe auch zukünftig nicht halten.