Powerwolf legen jetzt ihren neunten Studiolongplayer „Wake Up The Wicked“ vor. Im Interview mit ntv.de spricht Keyboarder Falk Maria Schlegel über die schier unendlich scheinenden Ideen für Songtexte und den Spaß aller Bandmitglieder am Gesamtkunstwerk Powerwolf.
Powerwolf legen jetzt ihr mittlerweile neuntes Studioalbum „Wake Up The Wicked“ vor. Seit ihrer Gründung im Jahr 2003 haben sich die fünf Musiker aus Saarbrücken durch ihre Mischung aus Power Metal, sakralen Inhalten, aufwändigen Videos und aufregenden Live-Shows einen festen Platz in der Metal-Szene erobert. Mit ihren Alben „Secret Of The Night“ und „The Sacrement Of Sins“ landeten sie sogar auf Platz 1 der deutschen Albumcharts und schufen Hymnen, die Fans auf der ganzen Welt begeistern.
Im Interview mit ntv.de spricht Keyboarder Falk Maria Schlegel unter anderem über die Entstehung des neuen Albums, die schier unendlich scheinenden Ideen für ihre Songtexte und den Spaß aller Bandmitglieder am Gesamtkunstwerk Powerwolf.
ntv.de: Euer letztes Album „Call Of The Wild“ erschien mitten in der Pandemie. Vermutlich war der Ansatz dieses Mal ein anderer?! Wo lagen die wesentlichen Unterschiede?
Falk Maria Schlegel: Beim Vorgängeralbum fehlte uns noch die Erfahrung, die wir jetzt bei „Wake Up The Wicked“ hatten. Nach unserer Nordamerika-Tour im April konnten wir uns sofort auf das Album konzentrieren und mit dem Songwriting beginnen. Es ist ein großer Unterschied, ob man Ideen aus dem Nichts schöpft oder von Erlebnissen inspiriert wird. Diese Frische und Energie merkt man dem neuen Album deutlich an. Die Energie, die man spürt, wenn man mit Menschen zusammenkommt, egal in welcher Form, ist sehr inspirierend. Unsere Auftritte und der Kontakt mit den Fans haben uns viel Kraft gegeben und uns daran erinnert, warum wir das tun: für unsere Fans. Der Eröffnungstrack ist der schnellste, härteste und kürzeste Song, den wir je gemacht haben. Das war eine neue Dynamik, die ich in meiner Karriere bei Powerwolf so noch nicht erlebt habe. Wie der Albumtitel schon sagt, haben wir ein Monster erschaffen – im positiven Sinne.
Ich gehe aber mal davon aus, dass ihr das nicht nur für eure Fans macht, sondern auch ein bisschen für euch selbst, oder?
(lacht) Danke, dass du das noch mal ansprichst. „Wir machen Musik für unsere Fans“ klingt vielleicht ein bisschen selbstlos, doch es geht schon darum, unsere Community glücklich zu machen. Aber wir sind auch unsere größten Kritiker. Das kann sehr frustrierend sein, weil man Ideen hat, die manchmal nicht ausreichen. Wir möchten unsere eigenen Erwartungen erfüllen und am Ende eben auch unsere Fans begeistern. In unserer gesamten Karriere haben wir nie ein Album nach einer sicheren Erfolgsformel geschrieben. Uns wird manchmal vorgeworfen, dass wir eine bestimmte Erfolgsformel anwenden, aber das stimmt nicht. Wir haben unseren eigenen Stil, unsere eigene Art zu schreiben und zu singen. Wenn wir mit dem Ergebnis zufrieden sind und die Leute es lieben, ist das für uns das Größte.
Powerwolf stehen eben für einen gewissen Sound. Da könntet ihr doch sowieso nicht einfach mal eben in ein anderes Genre wechseln?!
Ehrlich gesagt, ich wüsste nicht, was ich tun sollte, um auf eine andere Erfolgsformel zu setzen. Es gibt viele erfolgreiche Musikrichtungen, aber für uns würde das einfach nicht funktionieren. Deshalb machen wir das, was wir am besten können. Ich denke, dass die meisten Künstler genauso vorgehen – sie bleiben ihrem Stil treu. Zumindest hoffe ich das. Es ist wirklich eine Frage der Authentizität.
Und es ist nicht nur der Sound, der euch ausmacht. Es sind auch die Themen, die ihr behandelt, darunter Glaube, Götter und alte Sagen. Wo kommen die Inspirationen dafür her?
Im Laufe der Jahre hat sich unsere Arbeit weiterentwickelt. Wir lieben es, mit Klischees zu spielen und Themen wie religiöse Geschichte, Folklore und Mythologie in unsere Musik einzubringen. Das macht uns großen Spaß. Themen wie Hexenprozesse und die politische Dimension dahinter finden wir besonders spannend. Zum Beispiel basiert ein neuer Song „1589“ auf einer Geschichte aus Bedburg, wo im Mittelalter jemand als Werwolf hingerichtet wurde. Die Mythologie und die Frage, was daran wahr ist, fasziniert uns. War der Verurteilte wirklich ein Werwolf oder nur ein Sündenbock? Diese Geschichten möchten wir in unseren Songs und Videos verarbeiten. Auch wenn man sich nicht für diese Themen interessiert, kann man unsere Musik einfach genießen und eine Party feiern. Für viele Menschen ist Musik mehr als nur Unterhaltung – sie ist eine Lebenseinstellung, fast wie eine Religion. In diesem kreativen Kosmos bewegen wir uns gerne. Wir suchen ständig nach neuen, interessanten Geschichten und Ideen, und die gehen uns zum Glück nie aus.
Es gibt immer wieder aufwändige Videos zu euren Singles, so wie zum schon erwähnten „1589“. Warum sind euch solche Clips wichtig? Die kosten ja bestimmt nicht wenig Geld …
Ich sprach vorhin von unserem eigenen Anspruch. Uns ist es wichtig, unsere Arbeit mit einem gewissen Anspruch und Ernsthaftigkeit zu vermitteln. Natürlich könnten wir einfach ein Lyric-Video machen oder in einer Lagerhalle performen. Aber das wäre langweilig. Wir wollen einen Kontrapunkt setzen und die Qualität unserer Videos steigern, indem wir an echten Schauplätzen drehen. Ich bin kein Technologiefeind, aber es macht einen großen Unterschied, ob man mit Green Screen arbeitet oder tatsächlich mit echten Menschen und Requisiten agiert. Ein Beispiel dafür ist ein Dreh auf einem Schiff, bei dem ich wirklich seekrank wurde. In solchen Umgebungen agiert man anders, was die Qualität des Endprodukts erhöht. Alle Beteiligten – von den Schauspielern bis zur Kameraführung – müssen sich auf die realen Gegebenheiten einstellen. Das hat Auswirkungen auf das Licht, die Bewegungen und alles andere. Diese Herausforderung haben wir liebgewonnen, auch wenn sie manchmal sehr anstrengend ist.
Vor allem für dich auf dem Schiff, nehme ich an. Im Studio wäre das nicht passiert …
Das ist wohl wahr. (lacht) Oder wenn du im November in Südengland drehst und plötzlich regnet es. Solche Herausforderungen gehören dazu, aber wir haben uns bewusst dafür entschieden. Wir haben bereits opulente Konzerte gemacht, und jetzt wollen wir noch mehr in die cineastische Richtung gehen und unsere Geschichten intensiver transportieren. Das gelingt uns besser mit echten Requisiten und Originalschauplätzen, anstatt einfach nur den Song zu performen. Das bringt natürlich auch Herausforderungen mit sich, aber es ist ein wichtiger Teil unseres kreativen Prozesses.
Seid ihr abgesehen vom Performance-Part stark in die Entstehung eurer Videos involviert?
Wir sind sehr stark involviert, manchmal auch zum Leidwesen anderer. Wir möchten die Dinge gerne mitgestalten und sind deshalb auch oft länger am Set. Selbst wenn der Plan vorsieht, dass wir erst mittags am Set sein sollen, sind wir schon morgens da, um die Atmosphäre zu genießen und zu sehen, was passiert – sei es im Make-up oder bei den technischen Abläufen. Ich interessiere mich auch sehr für die Fachbegriffe und die Details. Dadurch werden die Tage natürlich länger. Dieser „Happening“-Charakter ist uns wichtig, nicht nur bei Live-Auftritten, sondern auch in unseren Videos. Ich finde es schade, wenn man nur kurz für seinen Take kommt und dann wieder geht. Ich möchte abends todmüde ins Bett fallen und das Gefühl haben, wirklich mitgearbeitet zu haben. Das ist für mich wichtig und trägt zur besonderen Stimmung bei.
Bringt ihr Ideen aus den Videos auch auf die Live-Bühne? Kostüme oder Requisiten zum Beispiel?
Wir werden zwar kein echtes Schiff auf die Bühne bringen, aber wir werden szenische Elemente einbauen, die das Video aufgreifen, mit den Mitteln, die uns zur Verfügung stehen. Das ist eine spannende Herausforderung, denn Dinge, die man im Video macht, würde man live oft nicht umsetzen. Manchmal entsteht im Video ein cooler Move, den wir dann auch in die Liveshow einbauen. Es kann auch vorkommen, dass ein theatralisches Setting aus dem Video in die Bühnenshow übertragen wird. Technisch sind wir da noch in der Planung. Es ist ein Unterschied, ob man ein Video zu einem Song gemacht hat und diesen dann live spielt, oder ob man keinen Clip dazu hat. Das mag seltsam klingen, aber die Video-Performance beeinflusst die Bühnenshow. Unsere Fans sind großartig und lieben es, die Moves der Musiker nachzuahmen, weil sie sich die Videos so oft anschauen.
Ihr unterscheidet euch weniger von Taylor Swift, als ich dachte …
Ja, mein Gott, jetzt wo du es sagst … (lacht) Aber die Fans erwarten jetzt vielleicht, dass ich meine Keyboards umwerfe und anzünde. Das kann ich ihnen nicht versprechen. Doch es gibt ein paar Moves aus den Videos, die ich mir merken werde und die ich vorher nicht im Repertoire hatte. Das finde ich toll. Der Regisseur animiert uns dazu, diese Dinge noch einmal zu steigern, und das bereichert unsere Performance. Es ist interessant, wie sich Video- und Liveauftritte unterscheiden.
Das Projekt Powerwolf ist sowas wie ein Gesamtkunstwerk. Hat bei euch einer den Hut auf oder trefft ihr alle Entscheidungen zur Band, der Musik, den Auftritten gemeinsam?
Wenn jemand eine Idee hat, wird diese auf jeden Fall berücksichtigt und niemand wird einfach weggebügelt. Manchmal müssen wir aber auch sagen: „Nein, das passt nicht.“ Es ist nicht einfach, denn es gibt so viele Ideen und ein enormes kreatives Potenzial. Manchmal überraschen uns diese Ideen so sehr, dass wir sprachlos sind und einfach nur sagen: „Wow, das ist großartig.“ Trotzdem diskutieren wir die Vorschläge immer noch einmal durch und geben Feedback. Wir haben im Laufe der Zeit unsere Rollen gefunden und das ist ein sehr schönes Gefühl. Wir müssen uns nicht mehr neu orientieren, weil wir seit 20 Jahren zusammenarbeiten und genau wissen, wie der andere tickt. Das erspart uns endlose Diskussionen und trägt zu unserer langjährigen Zusammenarbeit bei.
Gutes Stichwort. Ihr seid seit 2003 zusammen. Was ist heute anders als in den Anfangstagen? Konntet ihr euch beispielsweise den Spirit von damals bewahren?
Das ist eine sehr komplexe Frage, denn wenn man etwas über einen langen Zeitraum macht, fühlt es sich nie wirklich wie 20 Jahre an – es ist immer, als wäre es erst gestern gewesen. Das ist ein klassisches Phänomen des Älterwerdens. Unsere Reise begann mit einer groben Vision davon, wie wir klingen wollten und was wir erreichen wollten. Am Anfang war alles sehr rudimentär. Das Schöne ist, dass diese Reise nie zu Ende ist. Jedes Jahr entwickeln wir uns weiter, probieren neue Songstrukturen aus und werden selbstbewusster in dem, was wir tun. Es ist gut, dass wir eine gewisse Sicherheit im Vorgehen entwickelt haben – ich nenne es bewusst nicht Routine. Routine kann gefährlich sein, denn es suggeriert, dass man Dinge im Schlaf erledigen kann, und so empfinde ich unsere Arbeit nie.
Ehe ihr im Herbst durch Deutschland tourt, geht ihr auf eure erste Headliner-Tour durch die USA …
Streng genommen ist dies unsere zweite Tour in den USA. Letztes Jahr haben wir eine kleine, dreiwöchige Tour gemacht. Wir haben uns lange Zeit gelassen, um in die USA zu fliegen. Warum genau, weiß ich gar nicht. Letztes Jahr hatten wir das Gefühl, dass die Zeit reif war, und die Reaktionen waren beeindruckend, das hat uns motiviert. Nun wird die Weltpremiere von „Wake Up The Wicked“ im Hollywood Palladium stattfinden, und hier kann man definitiv nicht von Routine sprechen. Es ist eine Mischung aus purer Vorfreude und einer großen Portion Ehrfurcht vor dem, was kommt. Einige Songs haben wir noch nie live gespielt, außer in den Proben. Ich habe keine Ahnung, was passieren wird, wie das Publikum reagiert und wie wir darauf reagieren werden. Diese unvorhersehbaren Momente machen es besonders spannend. Ich freue mich sehr darauf, das alles zu erleben, auch wenn es mich ein Stück weit nervös macht. Es ist eine aufregende Zeit und ich bin gespannt, was uns erwartet.
Ihr seid dort vor den Präsidentschaftswahlen. Würde es für euch als Band etwas ändern, wenn Trump wieder an der Macht wäre?
Natürlich sieht man die Entwicklung mit Sorge. Irgendwie ist das Land dennoch faszinierend. Es gibt viele unpassende Witze und man denkt darüber nach, was dort gerade geschieht. Grundsätzlich habe ich jedoch die Erfahrung gemacht, dass man mit den Menschen in den USA besser nicht über Politik spricht. Das ist einfach sicherer.