„Priscilla“: Einsam unter Leuten

„Priscilla“: Einsam unter Leuten

In „Priscilla“ rückt Sofia Coppola Elvis Presleys Ehefrau in den Fokus, deren Leben von Einsamkeit und Isolation bestimmt ist. Es ist die Geschichte einer ambivalenten Beziehung zwischen Kontrolle und Abhängigkeit, die ein wenig charmantes Bild des King of Rock’n’Roll zeichnet.

Zuletzt widmete sich Baz Luhrmann dem Werdegang von Elvis, gespielt vom Oscar-nominierten Austin Butler, und der tragischen Geschichte vom Aufstieg und Fall eines Rock’n’Roll-Stars. Dass es nun Sofia Coppola ist, die dessen spätere Ehefrau Priscilla in den Mittelpunkt ihres neuen Films rückt, ist nicht verwunderlich. Ob in „Lost in Translation“, „Virgin Suicides“ oder „Marie Antoinette“ – Coppola erzählt immer wieder Geschichten von jungen Frauen, und das naturgemäß aus der weiblichen Perspektive.

Dem Drehbuch von Sofia Coppola zugrunde liegt die 1985 erschienene Autobiografie von Priscilla Presley und Sandra Harmon, und so lernt man nicht nur sie selbst kennen, sondern auch Elvis Presley von einer anderen, deutlich unsympathischeren Seite. Allein, dass Priscilla erst 14 ist, als sie von dem zehn Jahre älteren US-amerikanischen Musikstar zu seiner Lieblingsfrau auserkoren wird, hat ein Geschmäckle, das nicht selten in der romantischen Vorstellung von dieser Paarbeziehung untergegangen sein dürfte.

Sie ist unschuldige 14, er ein 24-jähriger Star

Im Jahr 1959, seinerzeit trägt Priscilla (Cailee Speany) noch ihren Mädchennamen Beaulieu, wird sie von Elvis (Jacob Elordi), der seinen Militärdienst auf einem US-Armeestützpunkt in Deutschland absolviert, zu einer seiner zahlreichen Partys eingeladen. Die 14-Jährige fühlt sich entsprechend geschmeichelt und ist vom Charme des Rock’n’Roll-Musikers angetan, wenn auch auf eine sehr scheue und zurückhaltende Art und Weise. Zwar sind Priscillas Eltern (Ari Chohen, Dagmara Domińczyk) zunächst von dieser Verbindung nicht begeistert, lassen sich aber von Elvis ähnlich einwickeln wie ihre Tochter und geben den beiden schließlich ihren Segen. Das Leben zwischen Schule und Party schafft die Teenagerin allerdings nur mithilfe der Pillen, die ihr neuer Freund ihr heimlich gibt.

Eines Tages, Elvis hat seinen Militärdienst hinter sich und kehrt in die USA zurück, muss sich das Paar räumlich trennen. Zwei Jahre lang halten sie über Briefe und Telefonate Kontakt. Schließlich sind Priscillas Eltern damit einverstanden, dass ihre inzwischen 17-jährige Tochter zu ihrem Liebsten nach Memphis fliegt und dort ihren Schulabschluss macht. Und so reibt sich Priscilla weiter auf zwischen ihrem Leben als Schülerin und dem als Elvis‘ Freundin auf dessen luxuriösem Anwesen Graceland. Anschluss findet sie in keiner der beiden Welten. Elvis formt sich seine Freundin zudem immer mehr nach seinen Vorstellungen und ist schon lange nicht mehr durchweg so charmant wie noch zu Beginn der Beziehung. Vielmehr ist er ein Kontrollfreak, dem es völlig egal zu sein scheint, dass seine Verlobte, die er ehelicht, als sie 22 ist, auf Graceland vereinsamt, während er durch die Weltgeschichte tourt. Auch mit der ein Jahr nach der Eheschließung geborenen Tochter Lisa-Marie ist Priscilla die meiste Zeit auf sich gestellt.

Entzauberung eines Sexsymbols

Das – sicherlich stimmige – Bild, das Coppola von Elvis zeichnet, dürfte vielen seiner Fans nicht schmecken. Er ist alles andere als ein Held, und so spielt seine Musik in „Priscilla“ auch keine Rolle. Stattdessen wird der Film untermalt von Songs, die Priscilla Ann Beaulieu seinerzeit mochte, und ein Fan von Elvis war sie nicht. Es ist die Geschichte dieser jungen Frau, die in völliger Isolation lebt, ganz gleich, wie viel Personal um sie herumschwirrt. Sie ist eine Frau mit einem Mann an ihrer Seite, der sie manipuliert und der zu cholerischen Ausbrüchen neigt. So ist es sicher kein Zufall, dass Coppola mit Elordi einen Schauspieler wählte, der mit 1,93 Metern deutlich größer als Elvis ist. Speany hingegen ist kleiner als die echte Priscilla, die ohnehin schon nur 1,63 Meter misst. Deutlicher kann man das Ungleichgewicht in dieser Beziehung optisch nicht darstellen.

Für viele nicht nur dank seines Hüftschwungs ein Sexsymbol, deutet der Film zudem an, dass Elvis mit seiner Sexualität haderte, seiner Freundin körperliche Nähe nur bis zu einem gewissen Grad gestattete. Immer wieder wurde einst hinter vorgehaltener Hand darüber spekuliert, dass er homosexuell gewesen sein könnte – ein weiterer Punkt, der am Image des Weiberhelden rüttelt, in „Priscilla“ jedoch lediglich eine Nebenrolle spielt. Wie eben Elvis selbst. Zumal gerade die Momente, in denen seine Stimmung mal wieder kippt, ein wenig redundant wirken und dem 113-minütigen Film so manche Länge bescheren.

Cailee Speany spielt Priscilla als 14-Jährige aber ebenso überzeugend wie als erwachsene Frau, die es mit 28 Jahren endlich schafft, sich von ihrem Mann scheiden zu lassen. Dafür konnte die eigentlich 25-jährige Schauspielerin bei den Filmfestspielen in Venedig im vergangenen Jahr den Preis als beste Darstellerin in Empfang nehmen. Das, sowie die atmosphärischen Bilder von Kameramann Philippe Le Sourd, die detailreiche Ausstattung und Coppolas Feingefühl für ihr wiederkehrendes Motiv einer jungen Frau in einem goldenen Käfig, das sie schon bei „Marie Antoinette“ beschäftigte, machen „Priscilla“ dennoch zu einem sehenswerten Film.

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