Riccardo Simonetti ist Aktivist, Moderator, Schauspieler und nun auch noch Synchronsprecher. Im Interview mit ntv.de zu „Der gestiefelte Kater 2“ verrät der 29-Jährige, was er von seiner Rolle, dem Chihuahua Perro, gelernt hat, was ihn schon in jungen Jahren inspirierte und wie er Hass im Netz begegnet
Riccardo Simonetti ist eine der schillerndsten Persönlichkeiten der hiesigen Showbranche und für viele Menschen eine Inspiration, für einige Verwirrte aber auch immer wieder Hassobjekt. Gerade für die LGBTQIA+-Community hat der heute 29-Jährige schließlich so manche Lanze gebrochen und viele Kämpfe ausgefochten. Immer wieder spricht der in Bad Reichenhall geborene und aufgewachsene Aktivist offen über homophobe Anfeindungen, die er als Teenager im Privaten erlebte und die ihn heute vor allem über sämtliche Social-Media-Kanäle erreichen. Dennoch wird Simonetti nicht müde, sich für Gleichgesinnte und Betroffene einzusetzen und findet dabei auch noch die Zeit, Sendungen wie „Glow Up“ und „Salon Simonetti“ zu moderieren und erste Schritte als Schauspieler zu unternehmen.
Im zweiten Teil des Animationsfilm „Der gestiefelte Kater“ leiht er nun außerdem dem Chihuahua Perro seine Stimme. Mit ntv.de hat Riccardo Simonetti darüber gesprochen, was ihn mit dem kleinen Hund verbindet, was ihn selbst schon früh inspirierte und wie er trotz zeitweiligem Gegenwind motiviert bleibt.
ntv.de: Riccardo, würdest du dich eher als Hunde- oder Katzenmensch einstufen?
Riccardo Simonetti: Ich bin definitiv ein Hundemensch. Ich finde Katzen auch ganz süß, aber ich fühle mich irgendwie selbst ein bisschen wie ein Hund. Deswegen war für mich ganz klar, dass ich in einem Katzenfilm nur einen Hund sprechen kann – der sich allerdings manchmal als Katze verkleidet. (lacht)
Was zeichnet dich sonst noch als perfekte Besetzung für Perro aus?
Die Rolle wurde mir angeboten, weil die Leute von Universal meinten, der Hund erinnere sie an mich. Er hat viel durchgemacht und musste überleben und klarkommen in einer Welt, die nicht immer für ihn gemacht war. Trotzdem hat er seine positive Grundhaltung beibehalten und möchte die Welt besser machen. Das ist durchaus etwas, womit ich mich identifizieren kann. Deswegen dachte ich, dass der Hund sich ruhig wie ich anhören kann, wie eine überdrehte, fröhliche Version von mir. Ich muss keinen Charakter sprechen, der ganz weit weg von mir ist. Und ich bin total dankbar dafür, denn ich habe auch viel von Perro gelernt. Ich bin auf dem Land aufgewachsen und wollte immer dahin kommen, wo ich heute bin. Das schafft man nicht, wenn man nicht ehrgeizig ist. Man muss immer nach mehr streben, sich weiterentwickeln. Perro aber ist genügsam. Er findet es nicht schlimm, den ganzen Tag an ein- und derselben Blume zu schnuppern, und trotzdem war es ein super Tag für ihn. Das fand ich irgendwie schön: mehr im Hier und Jetzt zu sein.
Aktivist, Model, Synchronsprecher, Schauspieler, Moderator … gibt es eigentlich etwas, das du nicht machst oder dir schlicht nicht zutraust?
Nur, weil ich viel mache, heißt das nicht, dass ich allem nachgehe, was mir angeboten wird. Es gab schon viele Dinge, bei denen ich dachte: „Das passt nicht zu mir, damit kann ich mich nicht identifizieren.“ Ich denke, dass es die Menschen nicht gewohnt sind, viele Facetten einer Person kennenzulernen. Wenn man in der Öffentlichkeit steht, fährt man oft besser damit, nur eine Facette von sich preiszugeben, denn dann macht man sich auch nur an einer Stelle seines Lebens angreifbar. Wenn man sich aber in viele verschiedene Gewässer begibt, macht man sich immer wieder aufs Neue angreifbar. Doch wenn ich das tue, bin ich sehr selbstkritisch dabei, aber eben auch sehr ehrgeizig. Ich versuche dann, alles zu geben. Deswegen sind das dann alles Projekte, bei denen ich das Gefühl habe, auch ans Ziel zu kommen.
Du machst bei Instagram immer wieder öffentlich, wenn Menschen dich angreifen. Ist das deine Art, diese Dinge zu verarbeiten oder hast du dir da ohnehin bereits ein dickes Fell zugelegt?
Nein, das geht auch nicht. Bei Social Media ist das bei mir abhängig von der Tagesform. An dem einen Tag kann ich besser damit umgehen, an dem anderen weniger gut. Ich merke, dass meine Laune nicht besser wird, wenn ich viel Zeit in den sozialen Medien verbringe und diese Kommentare lese, obwohl ich ein tolles Leben führe. Ich finde, man sollte sich bewusst sein, was das mit Menschen macht, wenn man so etwas schreibt. Es sind ja sehr viele aggressive Dinge dabei. Ich weiß nicht, ob sich die Leute dessen immer so bewusst sind. Wie würden die sich fühlen, wenn sie so etwas zu lesen bekämen, frage ich mich? Würden sie daran zerbrechen? Ich empfinde es als meine Aufgabe, den Menschen, die mir folgen, zu zeigen, wie unschön und homophob die Gesellschaft da draußen manchmal doch immer noch ist.
Du inspirierst mit deinem Mut und deinen Aktionen andere, aber was inspiriert dich? Und was motiviert dich, nicht aufzugeben?
Meine Inspirationsquelle Nummer eins war immer die Popkultur, deswegen darf Popkultur bei mir auch viel. Ich fühle mich zu Menschen hingezogen, die aus der heutigen Medienperspektive vielleicht problematisch sind. Eine meiner Heldinnen ist Lindsay Lohan. Sie hat viele Dinge getan, die man nicht unbedingt als inspirierend bezeichnen würde. Aber sie ist wieder da, und das allein ist schon inspirierend. Sie ist als Person ganz anders als ich, aber sie hat meinem schwulen Teenager-Ich auf dem Land gezeigt, dass man sein eigenes Ding durchziehen kann, auch wenn die Zeitungen jeden Tag Mist über einen schreiben. Das fand ich damals so cool. Wenn ich auf dem Schulhof beschimpft wurde, war das für mich so, als wenn sie eine Schlagzeile über sich liest. „Wenn sie am nächsten Tag weitermachen kann, dann kann ich das auch.“
Wer oder was fängt dich auf, wenn der Hass im Netz mal wieder besonders schlimm war?
Ich habe den tollsten Manager, ich habe die tollste Mutter, ich habe den tollsten Freund an meiner Seite, und ich habe einen richtig tollen Freundeskreis. Das fängt einen in solchen Momenten auf und gibt einem auch Motivation, weiterzumachen und weiterhin die Person zu sein, die man sein möchte.
DKMS, Jugend gegen Aids und deine eigene wohltätige Organisation … Wann hast du gemerkt, dass es für dich wichtig ist, dich für solche Themen einzusetzen?
Ich habe selber viele Steine in den Weg gelegt bekommen aufgrund meiner Identität. Ich bin Aktivist geworden, weil ich selbst sonst nicht im Leben vorangekommen wäre. Ich habe einfach gemerkt: „Wenn ich einen Schritt weitergehen will, muss dieser Stein weggerollt werden.“ Und das schafft man nicht ohne Aktivismus – für sich selbst und für Menschen. Das ist es, was mich zum Aktivisten gemacht hat. Alles andere hat ganz viel mit Empathie zu tun. Wenn ich zum Beispiel etwas für die DKMS Life mache, dann liegt es daran, dass in meinem familiären Umfeld jemand Krebs hatte, der mir was bedeutet hat. Wenn ich mich für Jugend gegen Aids einsetze, dann weil ich der Generation vor mir unglaublich dankbar bin, die dem Stigma Aids beziehungsweise HIV so krass unterstellt war und durch deren Aktivismus meine Generation heute Freiheiten und Privilegien genießt. Als ich angefangen habe, sexuell aktiv zu werden, war ich bei diesen Themen so unaufgeklärt, dass ich Angst und keine Informationsmöglichkeiten hatte, weil wir sowas in der Schule nicht gelernt haben. Ich schätze, deswegen fühle ich mich diesem Thema so verbunden. Und wenn ich was für Kinder mache, dann weil ich das Gefühl habe, dass es für mich leicht ist, etwas Gutes zu tun, was das Leben von so vielen Menschen verändern kann.
Worauf liegt der Fokus bei der Ricardo Simonetti Initiative aktuell?
Momentan arbeiten wir zum Beispiel an einer Broschüre, die Begrifflichkeiten rund um LGBTQIA+-Themen jugendgerecht aufarbeitet und dann an Schulen, Bildungseinrichtungen, andere Vereine oder Interessenten kostenlos zur Verfügung gestellt werden kann. Ich glaube, wenn wir so eine Broschüre anbieten, kann zum Beispiel selbst ein Lehrer, der nichts damit anfangen kann, ein paar Informationen weitergeben. Und wenn nur eine einzige Person in der Klasse davon betroffen ist, eine einzige Person queer ist, dann wurden alle anderen 20, die mit in der Klasse sind, auch schon mal dafür sensibilisiert, wie man mit so einer Person umgehen kann.