Romano: „Alles versinkt in einer komischen Einsamkeit“

Romano: „Alles versinkt in einer komischen Einsamkeit“

Bekannt wird Romano unter anderem durch eine musikalische Liebeserklärung an seine Heimatstadt Köpenick. Jetzt erscheint sein mittlerweile drittes Album „Vulkano Romano“, auf dem er dem Sprechgesang abgeschworen hat. Mit ntv.de redet er über Stilwechsel, alte Zöpfe und Fetische.

Bekannt wurde Roman Geike alias Romano nicht zuletzt durch eine musikalische Liebeserklärung an seine Heimatstadt Köpenick, in der er seither wie ein König behandelt wird. Mit Singles wie „Klaps auf’n Po“, „Metalkutte“, „Brenn die Bank ab“, „Der schöne General“ und „Mutti“ baute er seinen Fankreis immer weiter aus und tingelt inzwischen nicht mehr nur durch die Clubs der Hauptstadt, sondern tourt durch ganz Deutschland.

Nach „Jenseits von Köpenick“ von 2015 und dem zwei Jahr später erschienenen „Copyshop“ gibt es nun – weitere fünf Jahre danach – mit „Vulkano Romano“ endlich ein neues Album des meist gutgelaunten Musikers. Auf dessen Cover präsentiert sich der 46-Jährige nicht nur erstmals ohne seine Zöpfe, auch hat er dem Sprechgesang abgeschworen. Stattdessen bringt er Pop, Electro und Schlager unter einen Hut und nennt das Ergebnis Edelpop. Mit ntv.de sprach Romano über den musikalischen Stilwechsel, die fast neue Frisur und seinen ganz persönlichen Fetisch.https://www.youtube-nocookie.com/embed/fSTzwURHb8c?rel=0&showinfo=0

ntv.de: Romano, unüberhörbar hat sich von den ersten zwei Alben zu „Vulkano Romano“ musikalisch einiges getan. Vor allem, was den Wechsel vom Sprechgesang zum „richtigen“ Gesang angeht. Wie kommt’s?

Romano: Es gab nach den ersten beiden Alben erstmal nur einen Song, den ich gesungen habe – ein bisschen mit einem Augenzwinkern. Dann kamen noch einer zweiter, ein dritter dazu. Irgendwann habe ich gedacht: „Jetzt machst du noch sieben davon und hast ein Album zusammen.“ Am Ende waren es 24.

Also war das eine Entwicklung, keine Entscheidung?

Ich war davor ein bisschen mit dem Storytelling durch und habe überlegt, was ich noch erzählen kann. Darum geht es doch immer als Künstler. Es gibt genügend Rap-Nummern – oder egal in welcher Musikrichtung – bei denen man immer dieselben Dinge erzählt. Plattitüden, nicht mehr. Mir ging es darum, was ich Neues erzählen kann. Was interessiert mich? Worauf habe ich Bock? Ich bin irgendwann zu meinem Freund Siriusmo (Moritz Friedrich, Produzent – Anm.d.Red.) ins Studio und habe ihm die Idee zu „Schrei der Wildnis“ präsentiert. Er konnte gar nicht fassen, was ich da geschrieben hatte – und ich eigentlich auch nicht. (lacht) Gleichzeitig hat das auch so viel Spaß gemacht. Plötzlich wirkte es nicht mehr wie Arbeit, und das war wohl auch einer meiner Beweggründe. Ich hatte einen hohen Spaßfaktor bei den ersten beiden Platten. Aber hätte ich jetzt das nächste Hip-Hop-Album gemacht, weiß ich nicht, ob mir das noch so viel Freude bereitet hätte. Ich wollte mich einfach mal wieder ein bisschen ausprobieren.

Bislang hast du Menschen mit den unterschiedlichsten Hintergründen vereint – vom Metaller über den Grufi bis hin Rap- und Popfans. Glaubst du, dass du mit dem neuen Sound Edelpop einige von ihnen verlieren könntest?

Ich denke schon. Aber die Frage stelle ich mir nicht. Im Grunde ist es das, was alle Künstler beschäftigt: Für wen mache ich das? Und vor allem warum? Bei mir war es die anfängliche Corona-Zeit, die gar nicht richtig zu verorten ist und gefühlt nicht wirklich existiert hat. Damals habe ich mich neu orientiert und festgestellt, dass das der Weg ist, den ich gut finde. Mal wieder aus der Komfortzone des Romano hinauszugehen und vielleicht auch Leute zu verschrecken …

Verschrecken gleich?

Ja. Es gibt bestimmt welche, die steigen aus dem Partyzug aus und sagen: „Um Gottes Willen“ Aber es wird auch neue geben, die einsteigen. Und wieder andere bleiben drinsitzen und sagen: „Was für ein Irrsinn, aber ich fühle mich gut unterhalten“. (lacht) Und das reicht ja schon. Spaß mit den Leuten zu teilen, ist doch eine Menge wert. Das heißt aber nicht, dass das nächste Album wieder genauso wird. Ich hatte ja immer schon mal vor, eine Oper zu singen.

Der Titelsong zum Album heißt „Vulkano Romano“. Was steckt dahinter?

Ich hatte Bock auf einen absurden Titel, und dieser ist von allen für mich der Stärkste. Mein Name ist mit drin, er wirkt ein bisschen eigenartig, dazu Vulkano mit K geschrieben. Das ist alles nicht so ganz greifbar. Ich habe auch für das Cover-Artwork viel herumgewerkelt und mit einem Grafiker zusammen dann dieses entwickelt: Der Rauch geht nach vorne raus, das Herz wird einem sozusagen geöffnet. Es verbrennt wie ein Vulkan im Innern.

Es ist das erste Cover, auf dem du die Haare offen trägst. Ws bedeutet das für deine Auftritte?

Ich habe lange überlegt, wie das wird. Wenn ich mit Zöpfen anfange, mache ich die Haare dann hinter der Bühne auf? Oder umgekehrt? Allerdings sind die Zöpfe ja nicht mal eben schnell geflochten.

Zumal sie sicher Wellen in deinem ansonsten glatten Haar hinterlassen …

Das kann doch auch ganz sexy sein, wie eine Dauerwelle in den 80er-Jahren. Ich überlege jedenfalls immer noch, wie ich das bewerkstellige. Ich wollte auch hier den Leuten aber mal was anderes offerieren, die Zöpfe kennen sie ja schon. Und ich spiele da natürlich auch ein bisschen mit dem Schlager-Klischee. Es macht einfach Spaß, mit verschiedenen Rollen zu spielen.

Schlager trifft es gut, denn du bist ungewöhnlich romantisch auf „Vulkano Romano“. Was ist passiert? Liegt es an deiner Freundin?

Wenn man jemanden hat, mit dem man eine schöne Zeit verbringt und mit dem es funktioniert, dann kann es schon sein, dass man das nach außen transportiert und andere Dinge einen Wert bekommen. Politik und Gesellschaftspolitik waren aber immer der Ansatz für mich, das war bei meinen letzten Alben schon so. Ich will mit den Menschen Kontakt aufnehmen. Wo du herkommst, spielt keine Rolle, lass uns einfach eine gute Zeit miteinander haben. Andere abzustempeln, einen Aufkleber draufzumachen, das hemmt uns nur.

Dein Ziel ist es also, die Menschen zusammenzubringen, anstatt sie zu spalten.

Die Gesellschaft ist voll von Strukturen, wie etwas zu sein und nicht zu sein hat. Wir als Menschen sind eigentlich doch schon seit unserer Geburt traumatisiert. Geburt: Trauma. Die ersten Zähne: Trauma. Schwimmen lernen: Trauma. Schule: Trauma. Ausbildung: Trauma. Beziehungen: Trauma. Und mein Punkt ist: Lasst uns uns doch einfach mal begegnen, Hallo sagen, hier bin ich. Ein bisschen freier, grenzenloser, mit nicht so viel Paradigmen. Den Menschen zugewandter.

Einmal durch Twitter gescrollt und du weißt, dass wir eher auf dem Weg in die andere Richtung sind.

Da kriegst du einen dicken Hals. Manchmal gucke ich in freien Momenten durch Instagram, das geht noch. Facebook, na gut, das ist so anstrengend, da bin ich kaum. Aber Twitter macht mich total verrückt. Dort treffen sich wirklich alle Wahnsinnigen, die vielleicht im Stau stehen und vor Wut irgendwas rausschicken müssen. Wenn ich dort mal was kommentiert habe, wartete ich die ganze Zeit nur auf die Reaktionen und konnte mich überhaupt nicht mehr auf mein Leben konzentrieren. Also kommentiere ich nichts mehr. Es ist eine Erleichterung, wenn man an dem Zirkus nicht mehr so richtig teilnimmt. Wer Reibung sucht, sollte lieber zur Massage oder zur Physiotherapie gehen.

Oder offen über seine Fetische sprechen. Dem Thema hast du auch einen Song gewidmet.

Ja, wenn wir uns menschlich näherkommen wollen, sollten wir offener über solche Dinge reden. Schon früher gab es doch Sendungen wie „Wa(h)re Liebe“ mit Lilo Wanders und „Piep“ mit Verona Feldbusch, die probiert haben, diese Themen aufzugreifen.

Was ist denn dein Fetisch?

Erstmal ist ein Fetisch ja nur eine Vorliebe. Und ich bin – leider – durchaus schon mal materiell orientiert. Mein Fetisch sind Jacken. Mit ihnen ist alles möglich. Du kannst den Körper betonen, ihn aber auch verdecken. Dort gehen doch als erstes die Augen hin, wenn du jemanden triffst, erst dann wandern sie nach unten.

Zu den Schuhen. Auch ein Fetisch? Sind Jacke und Schuhe die wichtigsten Teile eines Outfits?

Genau. Jacken und Schuhe – der Rest ergibt sich. Dazwischen trage ich vor allem klassische Jeans in Blau. Leider bin ich überhaupt kein Typ für Mützen. Und ich habe kein Hut-Gesicht. Sonnenbrillen mag ich noch. All das ist auch eine Form von Fetisch, denn ich würde das auf eine Art eine Sammelleidenschaft ausweiten. Es geht nicht darum, seinen Fetisch auf der Straße herauszuschreien, aber um einen offeneren Umgang mit Gefühlen und sich nicht dafür schämen zu müssen. Solange man niemandem damit schadet, natürlich nur.

Apropos. Du hat schon lange vor der Pandemie mit „Klaps auf’n Po“ die Corona-konforme Begrüßung schlechthin beworben, die allerdings was Übergriffiges hat. Hast du damit dementsprechend auch schlechte Erfahrungen gemacht?

Tatsächlich war ich mal mit einem Freund in einem Metalclub hier in Berlin und wir haben getanzt. Da habe ich dann einem Typen einen Klaps auf den Po gegeben, ohne Ankündigung. Der trug sowieso schon eine grundlegende Aggression in sich, und ich habe ausgerechnet den erwischt. Mein Freund hat mich vor ihm gerettet, denn der wollte sich sofort mit mir prügeln. Das konnte dann alles irgendwie noch aufgelöst werden, aber so ganz überzeugt war der Typ am Ende trotzdem nicht. Später ist er dann aus dem Club geflogen, weil er an anderer Stelle noch eine Schlägerei angezettelt hat. Das war mir definitiv eine Lehre. Hat man eine gute Energie, kann das mit dem Klaps passieren. Aber ich habe am eigenen Leib gespürt, dass das sonst nicht einfach so geht.

„Vorstadtcity Boy“ ist der gesellschaftskritischste Song auf dem neuen Album. Hier zeichnest du ein eher düsteres Bild von deiner Heimat Köpenick. Dort bist du ein Lokalheld und ein Werbeträger. Keine Angst, dass dir die Kritik im Song auf die Füße fallen könnte?

Wenn man meinen Song „Köpenick“ hört, ist das nicht 1:1 Köpenick, sondern ein Fantasieort, in dem immer die Sonne scheint und es – wenn du willst – auch schneit. Geiler als Monaco, Ibiza und San Francisco zusammen. Dadurch ist es keine konkrete Abbildung. Bei „Vorstadtcity Boy“ geht es um die Tristesse. Ich überlege immer aber eher, was lustige Worte sind, Wendungen, die natürlich ein bisschen übertrieben, überzogen sind. Ich habe ein düsteres Stadtbild geformt in einer Vorstadt der Abgehängten – in einer Zeit, in der die Spanne zwischen Arm und Reich immer größer wird. In Köpenick hast du sie alle – den Tellerwäscher und den Millionär. Trotzdem bleibt man seiner City treu, egal, wie man sich entwickelt und wohin es geht. Und so ist es eine Liebeshymne an einen Ort, der nicht mehr wirklich bewohnbar ist. Es wird anonymer, das Miteinander geht flöten. Alles versinkt in einer komischen Einsamkeit. Es ist so eine schwarze Romantik, die natürlich Köpenick nicht gerecht wird.

Wenn du in Berlin spielst, ist die Hütte immer voll und die Stimmung kocht über – auch, weil dich hier jeder kennt. Wie ist das aber in Frankfurt, Köln und Stuttgart?

Das Konzert hier im SO36 ist bereits ausverkauft. In den anderen Städten dauert es länger. Aber ich habe mal in München gespielt, das ja einen gewissen Ruf hat. Damals war ich gerade noch im Kommen, das war so 2015. Den Club, in dem ich damals gespielt habe, gibt es nicht mehr, aber das war krass. Es passten so 120 rein, 170 bis 180 waren da. Alle sind ausgerastet. Schweiß tropfte von der Decke. Irgendwann kam ein Typ auf die Bühne und zertrampelte uns fast die Anlage. Danach hat man mir erzählt, dass das ein stadtbekannter Metaller war, der eigentlich nie tanzt. Das war wie ein Ritterschlag.

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