Sam Taylor-Johnson: „Wollte niemanden, der Amy Winehouse imitiert“

Sam Taylor-Johnson: „Wollte niemanden, der Amy Winehouse imitiert“

2011 stirbt Amy Winehouse im Alter von 27 Jahren. Nun widmet Sam Taylor-Johnson ihr mit „Back to Black“ ein Biopic. Mit ntv.de sprechen die Regisseurin und die Hauptdarstellerin Marisa Abela über ihr Verhältnis zu Winehouse und die größten Herausforderungen bei der Umsetzung des Films.

2011 stirbt Amy Winehouse im Alter von nur 27 Jahren. Nun widmet Regisseurin Sam Taylor-Johnson ihr ein außergewöhnliches Biopic. Mit ntv.de sprechen die Filmemacherin, die zuvor unter anderem bei „Nowhere Boy“ und „Fifty Shades of Grey“ auf dem Regiestuhl saß, und ihre Hauptdarstellerin Marisa Abela („Barbie“) über ihr Verhältnis zu Amy Winehouse und ihre Musik sowie die größten Herausforderungen bei der Umsetzung ihrer so beeindruckenden wie tragischen Geschichten.

ntv.de: Wie war Ihr Verhältnis zu Amy Winehouse und ihrer Musik vor der Arbeit an dem Film und wie hat sich womöglich Ihr Blick auf sie verändert?

Sam Taylor-Johnson: Ich war immer ein Fan ihrer Musik und hatte durch die Medien und die Art der negativen Aufmerksamkeit stets ein Bewusstsein für sie. Die beiden Dinge liefen parallel: Das Interesse an Amy Winehouse wuchs, als ihr Ruhm wuchs. Sie selbst aber fing dabei an zu schrumpfen. Alles war mit allem verflochten, das hat mich an der Geschichte interessiert. Ich wollte zurück zur Musik, denn die Tragödie ihres frühen Todes und der Blick auf sie als Opfer überschatteten die Musik. Und so ging es mir bei der Arbeit darum, zu ihr zurückzukehren und einen Film über eines der großartigsten Alben überhaupt zu machen. Was sich dadurch tatsächlich veränderte, war mein absoluter Respekt für das, was Amy Winehouse geschaffen hat und was für eine brillante Singer-Songwriterin sie war.

Marisa Abela: Ich denke, dass jeder das Gefühl hat, Amy Winehouse zu kennen. Allein schon, weil ihre kulturelle Bedeutung zu Lebzeiten und zu dem Zeitpunkt, an dem sie starb, so intensiv und weitverbreitet war. Für den Film war es wichtig zu verstehen, dass man sie eben nicht wirklich kannte, sondern nur dieses ikonische Bild von ihr. Man muss jemanden aber auch in seiner Menschlichkeit verstehen, um ihn zu kennen. Ich hatte das Gefühl, dass das mein Job war, schon beim Casting, Sam Amys Wünsche, Sehnsüchte, ihre Menschlichkeit und ihr Gefühlsleben zu präsentieren – also eher eine psychologische Wahrheit als eine akkurate Imitation. Dadurch habe ich viel über Amy Winehouse als Frau gelernt und nicht über sie als Sängerin.

Warum war es Ihnen wichtig, diesen Teil ihrer Geschichte zu erzählen, also die Ereignisse rund um das Album „Back To Black“?

Taylor-Johnson: Es war für mich nicht interessant, ihre ganze Lebensgeschichte zu verfilmen. Vielmehr hatte ich das Gefühl, dass dies der beste Weg ist, sich ihr zu nähern und in ihre kreative Seele einzutauchen. Sich die Musik und die Texte anzusehen und sich dadurch durch die Reise führen zu lassen. Das haben Matt Greenhouse, der das Drehbuch geschrieben hat, und ich in dem Moment entschieden, in dem wir verstanden hatten, dass „Back To Black“ der perfekte Rahmen war. Alles darin erzählt uns die Geschichte – wie sie sich fühlte, wie sie liebte. Es gibt einen großen Einblick in ihr kreatives Wesen.

Was war die größte Herausforderung daran, Amy Winehouse zu spielen?

Abela: Ich spiele eine berühmte Person, das ist schon mal die erste große Herausforderung, denn ich musste sie sowohl erkennbar als auch unterscheidbar darstellen. Da sind dann erst mal also die technischen Herausforderungen einer Art Transformation. Doch das Wichtigste war für mich, sie in all ihrer Komplexität zu zeigen, als vollwertigen Menschen – und nicht nur als Erweiterung eines Paparazzi-Bildes. Es ist weit mehr als nur eine einzige Geschichte, die in dieser Figur steckte und aus der Musik geboren wurde. Allein zwischen den Songs „Stronger Than Me“ und „Wake Up Alone“ ist es eine lange emotionale Reise. Wir sind doch alle viele Menschen in einer Person. Ich bin am Tag, an dem mein Freund mit mir Schluss gemacht hat, eine andere, als in der Nacht meiner Hochzeit. Es ist ein anderes Gefühl. Ich wollte, dass sich die Leute an das Mädchen erinnern und an die Frau, die dieses musikalische Vermächtnis aus ihren persönlichen Erfahrungen heraus geschaffen hat.

Ein Biopic zu drehen ist andere Verantwortung als eine fiktionale Geschichte. Macht das die Arbeit deutlich schwieriger oder einfach nur anders?

Taylor-Johnson: Es ist aufgrund der Verantwortung auf jeden Fall schwieriger. Diese Verantwortung hat man ihren Fans gegenüber und den Menschen, die sie lieben, ihrer Familie gegenüber. Es ist also wichtig, einen Film zu machen, der ihr die Ehre macht. Bei der Fiktion kannst du allem einen freien Lauf lassen. Jetzt aber drehst du eine Szene und denkst permanent darüber nach, ob das so richtig erzählt ist und ob alle damit einverstanden sein werden. Umso schwieriger ist es natürlich, wenn es um eine Person geht, die so groß ist wie Amy Winehouse. Der nächste Film wird ganz sicher wieder ein fiktionaler. (lacht)

Welches waren Ihre Ansprüche bei der Besetzung der Rollen?

Taylor-Johnson: Ich hatte einen brillanten Casting-Direktor, mit dem ich schon seit meinem allerersten Film zusammenarbeitete. Wir wussten daher gut, was wir in Bezug auf das Casting wollten, nämlich jemanden zu finden, der Amy Winehouse nicht nur imitiert und so aussieht. Denn davon gibt es viele. Aber eine solche Besetzung findest du vielleicht fünf Minuten lang beeindruckend. Was den Film hingegen über die gesamte Dauer trägt, ist jemand, der eine emotionale Verbindung herstellen und die Geschichte von innen heraus erzählen kann. Und Marisa hat es mir leicht gemacht. Als ich sie getroffen habe, konnte ich sofort ihre Absicht erkennen und sehen, dass sie verstanden hat, wie wir die Geschichte erzählen wollen. Erst mal durch Emotionen, und danach durch die Musik, die Haare, das Make-up und das Kostüm. Wenn man sich emotional nicht mit der Figur identifizieren kann, dann wird der Film einfach nicht gut. Marisa zu finden, war also großartig.

Welches Gefühl hat bei Ihnen überwogen, als der Anruf kam, dass Sie den Job haben? Freude oder Angst?

Abela: Ich hatte davor schon eine Weile vorgesprochen, also war da erst mal die Erleichterung, die Rolle bekommen zu haben und mit der Arbeit anfangen zu können. Dann aber dachte ich: „Oh mein Gott, das wird verrückt!“ Ich hatte zu diesem Zeitpunkt allerdings schon so viel recherchiert, dass ich wusste, was ich in die Rolle einbringen wollte, und dementsprechend war ich vorfreudig aufgeregt.

Dass einige Die-Hard-Amy-Fans Probleme an der einen oder anderen Stelle haben werden, ist wohl programmiert. Konnten oder mussten Sie das beim Drehen ausblenden?

Abela: Der Gedanke ist schon da, aber es ist definitiv besser, die Energie in deinen Fokus und die Arbeit zu stecken. Nun ist der Film fertig, und die Leute müssen ins Kino gehen und ihn sich ansehen. Schauen, was sie fühlen, wenn sie ihn sehen – selbst als jemand, der Amys Geschichte kennt. „Back to Black“ versucht wirklich, Amys Story zurückzubringen – mit all ihrem Vermächtnis. Und wenn die Leute aus dem Kino gehen und denken: „Mein Gott, was für ein Glück hatten wir, das erlebt zu haben“, ihre Alben besitzen und ihre Musik wieder auflegen, dann haben wir unseren Job gut gemacht.

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