Im Jahr 2017 trennen sich Xavier Naidoo und die Söhne Mannheims. Seither hat sich bei der Besetzung der Band einiges getan, sodass man nun bereit für einen Neustart ist. Michael Klimas und Florian Sitzmann sprechen mit ntv.de über alte Freunde, neue Musiker und frischen Sound.
Vor sechs Jahren trennen sich die Wege von Xavier Naidoo und den Söhnen Mannheims. Seither hat sich in der Besetzung der Band einiges getan, sodass man nun bereit für einen Neustart ist. Mit „Kompass“ veröffentlicht das Musikerkollektiv jetzt das erste neue Album seit „MannHeim“ von 2017.Anzeigejavascript:void(0)Die ntv Nachrichtenfernsehen GmbH ist nicht für den Inhalt verantwortlich
Die langjährigen Mitglieder Michael Klimas und Florian Sitzmann sprechen im Interview mit ntv.de über die Trennung von Naidoo und was die Neuaufstellung für Vorteile und neue Qualitäten mit sich bringt.
ntv.de: „Kompass“ soll ein Neustart für die Söhne Mannheims sein – auf emotionaler oder aber auch auf musikalischer Ebene?
Michael Klimas: Ich würde sagen, sowohl als auch. Die Band hat sich komplett gewandelt, die Besetzung ist anders mit den neuen Stimmen Karim Amun und Giuseppe Porello und dem zweiten Gitarristen Thilo Zirr. Die Band-Chemie ist dadurch also auch anders, sie hat sich verändert, und damit auch der Sound der Söhne. Die Inhalte haben sich teilweise verändert. Und es ist auf jeden Fall auch ein persönlicher Neustart für Leute wie mich, die schon so lange dabei sind. Jetzt geht es mit neuem Elan in eine neue Ära.
Unter einem neuen Namen zu firmieren, war aber dennoch keine Option? Es sind immerhin auch ein paar neue Gesichter dabei …
Klimas: Der Gedanke stand natürlich eine Zeit lang im Raum. Aber wir spielen auch immer noch alte Songs, insofern ist es nicht ganz so einfach, zu sagen, man fängt komplett bei null an. Wir haben eine gewisse Geschichte, wie wir zusammengekommen sind.
Florian Sitzmann: Es hat sich zwar einiges geändert, trotzdem bewahren wir bestimmte Dinge, die in der Kontinuität der Söhne Mannheims drin sind. Es war auf jeden Fall toll, einen Anlass zu haben, mal zu überlegen, was wir von all dem erhalten wollen, wofür wir als Söhne Mannheims stehen. Was gäbe es denn nicht, wenn es die Söhne Mannheims nicht mehr gäbe und stattdessen eine komplett neue Band aufersteht? Da sind schon einige Dinge geblieben, zum Beispiel die Söhne-Konzerterfahrungen der Leute, die sagen, das war für sie heilsam oder ermutigend. Das hat nicht jede Band, dafür wollen wir weiter stehen.
Wie sieht denn euer Konzertpublikum im Schnitt alterstechnisch aus? Inzwischen bringen vermutlich die Fans von einst ihre Kinder mit …
Sitzmann: Ja, es ist ein bisschen so, wie du es beschreibst. Wir haben relativ viele Altersgruppen, die dabei sind. Als wir angefangen haben, wieder live zu spielen, waren wir aber erstaunt, wie jung das Gros des Publikums ist. Das macht es zu einem kollektiven Erlebnis. Auch auf der Bühne haben wir inzwischen eine große Altersspanne. Wenn man mitbekommt, wie viele Nationalitäten auf der Bühne stehen, sich verstehen und eine echte Power mitbringen … vom Publikum kommt dasselbe zurück – von verschiedenen Generationen. Das verbindet schon sehr.
„Kompass“ ist das erste Album seit dem Ausstieg von Xavier Naidoo 2017. Hat es auch an diesem tiefen Einschnitt gelegen, dass erst jetzt neues Material fertig ist?
Sitzmann: Ich denke, das hat ein ganzes Bündel von Gründen. Tatsächlich haben wir uns wie immer Zeit gelassen. Wir haben nie in einer hohen Schlagzahl Alben veröffentlicht, auch früher nicht. Aber jetzt war es natürlich besonders lang, das ist klar. Eine neue Perspektive sehen wir seit 2019, und auch die Songs stammen aus den letzten vier Jahren. Ich persönlich liebe das, wenn Stücke für ein neues Album nicht mal eben schnell in einem Jahr entstehen müssen, sondern aus total vielen emotionalen Gemengelagen entstehen können. Aber natürlich hatte auch die Frage Gewicht, wohin wir uns musikalisch orientieren. Inhaltlich mussten Dinge ausprobiert werden, das hat ebenfalls seine Zeit gebraucht. Und während Corona konnten wir relativ wenig live spielen, da ergab die Veröffentlichung eines Albums sowieso nur begrenzt Sinn.
Bei so vielen Künstlern … hat einer von euch den Hut auf, wenn es darum geht, wann ein Song, ein Album final fertig ist? Das kann sonst ja ewig dauern …https://www.youtube-nocookie.com/embed/2ShCvO7500E?rel=0&showinfo=0
Klimas: Wie in jeder Beziehung muss es einfach passen, und dann gibt es auch gar nicht mehr viel zu diskutieren.
In einer Beziehung ist man meist zu zweit, wenn man nicht gerade offen oder gar polyamor lebt … das tut ihr allerdings – also zumindest musikalisch.
Klimas: Wir reden von einer offenen Beziehung, das ist richtig. Wir wissen, was wir aneinander haben – musikalisch und persönlich. Natürlich sind wir nicht immer der gleichen Meinung, und auch musikgeschmacklich liegen wir oft weit auseinander. Ich bin beispielsweise eher der poppige Songschreiber, andere mögen es etwas härter. Da muss man einen Weg finden, wie man zusammenkommt. Aber meistens gewinnt der, der den längsten Atem hat.
Sitzmann: Manchmal muss man, gerade wenn man als Produzent mit den Dingen beschäftigt ist, Entscheidungen treffen oder einen Titel fertig mischen, ohne dass jetzt noch zehn Meinungen auf den Tisch kommen. Sonst ist es wie du sagst: Man wird zu gar nichts kommen, es wird gar nichts fertig oder es werden Dinge fertig, die ein Kompromiss aus allem sind und keinen Impact haben.
Kommen wir noch einmal zurück zu Naidoo. Habt ihr damit euren Frieden gemacht oder schaut ihr nach wie vor teils mit Sorge auf die Entwicklungen, die er in den vergangenen Jahren durchgemacht hat? Wie ambivalent sind eure Gefühle ihm gegenüber?
Klimas: Ich habe es so erlebt, dass ab einem bestimmten Zeitpunkt die Gespräche nicht mehr so fruchtbar und produktiv waren. Für beide Seiten. Das hat nicht mehr zusammengepasst mit der Weltsicht und den Themen, die uns beschäftigen. Deswegen haben wir gesagt, dass sich an dieser Stelle unsere Wege trennen. Xavier hat sich dann 2017 dazu entschieden, sich ausschließlich auf seine Solo-Projekte zu fokussieren. Das klingt jetzt so einfach, aber es ist natürlich dauernd da, es quält auch eine lange Zeit. Man verliert einen Menschen aus dem Leben, der einem viel bedeutet hat, auch viel geschenkt hat, dem man viel zu verdanken hat. Der einen an bestimmten Stellen faszinieren konnte. Wenn langjährige Wege auseinandergehen, ist immer ein gewisser Schmerz dabei. Innen drin fragt sich alles, ob das so richtig war. Musste das so sein? Habe ich an irgendwelchen Stellen versagt? Hat jemand anderes versagt? Das ist für uns alle ein langer, schmerzhafter Prozess gewesen, den man aber in Kauf nimmt dafür, dass es weitergehen kann. Dass wir innerlich frei geworden sind von vielen Dingen, die uns am Boden hätten halten können.
Sitzmann: Es ist genau das, was du gesagt hast. Es ist sehr ambivalent. Man verbringt viel Zeit mit Xavier, auf der Bühne, hinter der Bühne, privat, und lernt ihn auch als Freund kennen. Irgendwann merkst du, du kannst nicht jede Meinung nach außen tragen, die du nicht unterschreiben kannst. Dann versuchst du noch, ein gesundes Level, eine gesunde Ebene zu finden für die Band, aber das hat nicht funktioniert. Wir haben das eingesehen, daraufhin kam es zur Trennung. Das war schmerzhaft, eben auch, weil es zum Teil eine sehr große, persönliche Tragödie ist. Ich kann nur hoffen, dass es Xavier gutgeht. Ich habe seitdem auch keinen Kontakt mehr. Ich glaube, keiner von uns hat Kontakt zu Xavier. Das macht schon traurig. Ich meine, wir haben früher Rock gegen Rechts gespielt, wurden von Nazis gejagt. Plötzlich so eine Trennung – das hätte niemand erwartet. Das hat auch bei mir was hinterlassen, was ich gar nicht in Worte fassen kann. Ich bin jetzt froh, dass es weitergeht und wir weiterarbeiten können.
Als multikulturelles Kollektiv habt ihr euch schon gegen rechtes Gedankengut und gegen Rassismus eingesetzt. Wie sehr schmerzt es, die aktuellen Entwicklungen in Deutschland dahingehend zu beobachten? Dass eine Partei wie die AfD in den Umfragen so weit vorne liegt …
Sitzmann: Natürlich schmerzt uns das. Aber es gibt eigentlich erst jetzt wieder die Möglichkeit, als Band zu einer politischen und gesellschaftlichen Stimme zu werden, das war die letzten 15 Jahre viel schwieriger. Wir sind damit früher oft gegen die offene Faust gelaufen, weil die Unterhaltungsindustrie und die Medien das gar nicht wollten. Es gab Jahrzehnte voller Happy-Clappy-Bands im Radio. Nichts, woraus man eine gewisse Stellungnahme hätte ziehen können oder was gesellschaftskritisch war. Wir haben aber Modi gefunden, mit denen man das machen kann. Und das machen wir jetzt sichtbar. Wir möchten damit ein Modell dafür sein, wie es klappen kann. Zeigen, dass das gebraucht wird und dass man das irgendwo sehen muss. Den Tropfen auf den heißen Stein gibt es nicht. Sondern: Du bist da, wo du bist, und gibst etwas rein, und das ist unheimlich viel.
Und ihr sprecht da alle mit einer Stimme, auch wenn ihr mit vielen Stimmen singt und rappt?
Klimas: Richtig. Es ist die Augenhöhe, die wir bei den Söhnen Mannheims gerade haben. Wir sind alle auf einem Gleis. Es gibt keine Probleme, die dafür sorgen, dass wir getrennt zu unseren Konzerten fahren und getrennt wieder nach Hause. Ich persönlich freue mich immer auf die Leute, das ist für mich wie Familie geworden.
Also doch ein neuer Name bald? Die Geschwister Mannheims? Die Familie Mannheim?
Klimas: Familie beschreibt das Gefühl genau. Unabhängig davon, wie viele Leute vor der Bühne stehen, weiß ich immer, dass eine Truppe auf der Bühne ist, mit der ich sehr viel Zeit verbringe und verbringen möchte. Ich mag die Jungs total gerne, und das ist meine größte Motivation gerade. Vielleicht war es gut, mal aus allem rauszukommen und zu schauen, was uns zusammenhält. Denn Erfolg kann einen nur über einen gewissen Zeitraum zusammenhalten. Wir gehen jetzt wieder zurück zum Ursprung.
Macht sich das auch bei der Größe der Konzert-Locations bemerkbar? Sind die heute kleiner als früher?
Sitzmann: Es ist beides dabei. Zunächst auch, weil wir uns erstmal ausprobieren mussten und herausfinden, wer wir jetzt auf der Bühne in der neuen Konstellation sind. Wie kommen wir in Beziehung mit den Menschen da draußen, und das funktioniert in den kleineren Läden ja sowieso viel besser. Aber natürlich ist es auch so, dass noch nicht jeder in Deutschland weiß, dass es die Söhne Mannheims noch gibt – und nun mit „Kompass“ auch noch ein neues Album erscheint.
Angesichts Albumveröffentlichung, Tour und so weiter – worauf freut ihr euch besonders?
Sitzmann: Da ich kein Sänger bin, darf ich das sagen: Ich habe das Gefühl, es wurde noch nie so toll zusammen gesungen wie im Augenblick. Einfach, weil wir mehr geprobt haben, weil wir mehr den Fokus darauf legen, weil wir uns mehr zusammenfinden mussten. Vielleicht auch, weil wir im Moment mit unseren Sängern Dominic Sanz, Giuseppe Porrello, Karim Amun, Michael Klimas und Rapper Metaphysics ein Piano-Projekt haben, bei dem wir alles auf die Stimmen plus Klavier herunterbrechen. Da geht es nicht anders, als dass man wirklich super zusammen harmoniert. Das ist auch eine der großen Stärken der neuen Söhne Mannheims. Es ist qualitativ und vom mehrstimmigen Sound her, der auch das neue Album maßgeblich prägt, eine richtige Freude, mitzuspielen.