Sönke Wortmann: „Über Kriege kann man keine Komödie machen“

Sönke Wortmann: „Über Kriege kann man keine Komödie machen“

Mit „Der Spitzname“ bringt Sönke Wortmann den dritten Teil seiner „Name“-Trilogie ins Kino und setzt dabei auf altbewährten Humor und ein Starensemble. Im Gespräch mit ntv.de erzählt der 65-Jährige von seiner Leidenschaft für das Genre und die gute Zusammenarbeit mit alten Freunden.

Nach „Der Vorname“ in 2018, „Der Nachname“ in 2022 kommt nun „Der Spitzname“ in die Kinos. Dort gibt es – dieses Mal im Schnee – ein Wiedersehen mit den Familien Berger, Böttcher und König und damit einem hochkarätigen Cast um Christoph Maria Herbst, Iris Berben, Justus von Dohnányi und Florian David Fitz. Regie führte natürlich auch dieses Mal wieder Sönke Wortmann und damit der Mann, der seit Jahrzehnten mit Komödien wie „Der bewegte Mann“, „Frau Müller muss weg“ und „Eingeschlossene Gesellschaft“ Humor ins Kino bringt.

Im Interview mit ntv.de spricht der 65-Jährige über die eigentliche Aufgabe einer Komödie, das Arbeiten im familiären Team und seinen persönlichen Umgang mit Kritik.

Herr Wortmann, „Der Vorname“ basierte noch auf einem französischen Original. Mit „Der Nachname“ und jetzt „Der Spitzname“ gibt es zwei eigenständige Fortsetzungen. War früh klar, dass diese Familienkonstellation noch mehr hergibt?

Sönke Wortmann: Das war anfangs nicht fest geplant. Natürlich versuchen wir, jeden Film so gut wie möglich zu machen, aber letztendlich entscheidet das Publikum. Wenn die Zuschauer gesagt hätten, das interessiert uns nicht, dann hätte es keine Fortsetzung gegeben. Nach dem ersten Film haben wir im Scherz gesagt: Wenn es gut läuft, machen wir noch einen zweiten. Beim zweiten Film dachten wir: Wenn auch der funktioniert, vielleicht noch einen dritten. Aber jetzt, beim dritten, hat niemand mehr über einen vierten gesprochen. Das zeigt, dass es bei einer Trilogie bleibt.

Haben Sie dennoch schon mal über weitere Titel nachgedacht – für alle Fälle?

Das war ein Thema, ja. Wir haben viele Titel durchgespielt, aber da kam auch viel Unsinn dabei heraus. Vorschläge wie „Der Deckname“ oder „Der Künstlername“ standen im Raum, aber die passten nicht.

In Interviews wurden Sie schon oft gefragt, ob Sie selbst dysfunktionale Familienstrukturen kennen, wie sie in diesen Filmen dargestellt werden. Sie verneinen das. Hilft es, keinen eigenen Schmerz verarbeiten zu müssen, sondern unbeschwert mit Humor auf das Thema blicken zu können?

Ich glaube, das ist gar nicht so entscheidend. Ob man traumatische Erlebnisse hat oder nicht, spielt für die Qualität keine Rolle. Es gibt ja ein Drehbuch, an das man sich als Regisseur hält, wenn es gut ist. Natürlich arbeite ich ein wenig daran mit, aber in diesem Fall wirklich nur minimal. Ich habe in dieser Hinsicht keine eigenen „Altlasten“, die ich einbringen müsste.

In „Der Spitzname“ werden auch aktuell heiß diskutierte Themen wie das Gendern oder Geschlechteridentitäten aufgegriffen. Wird das am Set weiterentwickelt oder steht das alles genau so schon im Drehbuch?

Ich bin der Meinung, dass eine Komödie so präzise wie möglich vorbereitet sein muss, gerade was den Text betrifft. Komödie ist Präzisionsarbeit. Tempo und Timing sind entscheidend, manchmal kommt es auf eine Zehntelsekunde an. Deshalb improvisieren wir nicht. Was wir aber machen, ist, die Texte im Vorfeld intensiv zu diskutieren – mit den Schauspielern, manchmal in Einzelgesprächen, manchmal im Team. Über jeden Halbsatz wird gesprochen, bis alles passt. Am Set wird dann nichts mehr verändert, weil das, was wir vorher erarbeitet haben, in der Regel das Beste ist.

Sie sind einer der führenden Komödien-Regisseure in Deutschland. Haben Sie dennoch den Drang, mal wieder das Genre zu wechseln?

Absolut. Ich habe mit Komödien angefangen, zum Beispiel mit „Allein unter Frauen“ oder „Kleine Haie“, und wurde schnell in die „Komödien-Schublade“ gesteckt. Das hat mich damals dazu gebracht, andere Dinge zu machen – Dramen, Historienfilme oder auch Sportfilme wie „Das Wunder von Bern“. In den letzten Jahren hat mir die Arbeit an Komödien wieder großen Spaß gemacht, aber jetzt merke ich, dass es mich wieder reizt, ein großes Drama zu machen. Ich habe noch keine konkrete Idee, aber die Lust darauf ist da.

Könnten Sie sich vorstellen, wieder eine Serie zu machen?

Ja, das könnte ich mir gut vorstellen. Kino ist für mich immer das Größte, aber wenn eine Geschichte besser ins Serienformat passt, wie es bei „Charité“ war, dann mache ich das gerne. Es kommt immer auf die Geschichte an.

„Der Spitzname“ behandelt in erster Linie familiäre Konflikte, kratzt bei gesellschaftlichen Themen aber eher an der Oberfläche. Können Dinge, die aktuell zur gesellschaftlichen Spaltung beitragen und auch in Familien zu Zerwürfnissen führen, überhaupt komödiantisch behandelt werden? Oder sind wir dann schon beim Drama?

Natürlich gibt es größere Probleme als die, die dieser Film behandelt, etwa die Ukraine oder Gaza. Aber über Kriege kann man keine Komödie machen, das verbietet sich. Die Weltlage ist so schlecht wie seit 50 Jahren nicht mehr, und meine große Hoffnung ist, dass diese Konflikte eines Tages enden. Eine Komödie über solche Themen käme für mich nicht infrage, und auch einen Kriegsfilm würde ich nicht drehen.

Lassen Sie zu Hause alle Themen zu oder gibt es dort und im Freundeskreis Bereiche, die Sie ausklammern, um Konflikten aus dem Weg zu gehen?

Zu Hause lassen wir keine Themen aus, das finde ich auch wichtig. Aber es gibt Freundschaften, bei denen ich mir denke: Okay, den sehe ich zweimal im Jahr. Wenn ich dann ein bestimmtes Thema anspreche – und ich weiß, dass die Person auf irgendeine Verschwörungstheorie hereingefallen ist -, lasse ich es lieber. Ich möchte den einzigen Abend, den man nach langer Zeit miteinander verbringt, nicht ruinieren.

Apropos Freunde. Sie arbeiten seit vielen Jahren mit dem nahezu gleichen Ensemble. Nicht nur für die „Name“-Reihe. Leben Sie nach dem Motto „Never change a winning team“?

Es hat auf jeden Fall nichts mit Verpflichtung zu tun, sondern damit, dass diese Zusammenarbeit hervorragend funktioniert. Wir planen die Dreharbeiten lange im Voraus, weil alle Beteiligten sehr beschäftigt sind. Für „Der Spitzname“ haben wir die Termine ein Jahr vorher festgelegt, um alle zusammenzubekommen. Und so wurde es eben ein Winterfilm.

Wie entscheiden Sie, welche neuen Schauspieler in dieses eingespielte Ensemble passen?

Das ist bei mir oft eine intuitive Entscheidung. Ich merke sehr schnell, ob jemand passt oder nicht. Wenn ich das Gefühl habe, dass jemand perfekt für die Rolle ist, suche ich nicht weiter. Natürlich ist das subjektiv – andere können eine ganz andere Meinung haben. Aber ich fahre ganz gut damit.

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