„Sophia, der Tod und ich“Liebe, Lethargie und Sterblichkeit

„Sophia, der Tod und ich“Liebe, Lethargie und Sterblichkeit

Mit „Sophia, der Tod und ich“ legt Musiker Thees Uhlmann 2015 seinen melancholisch-ironischen Debütroman vor und begeistert damit Fans und Kritiker. Charly Hübner hat sich der ungewöhnlichen Geschichte als Regisseur angenommen und bringt sie stark besetzt ins Kino.

Gut acht Jahre ist es her, dass Thees Uhlmann mit seinem Debütroman „Sophia, der Tod und ich“ nicht nur die Fans seiner Musik überzeugte, sondern auch Literaturkritiker begeisterte. Jetzt hat Charly Hübner als Regisseur mit Autorin Lena May Graf die zwischen Melancholie und Ironie pendelnde Geschichte für die Kinoleinwand übersetzt. Ohne das Buch jemals zu Ende gelesen zu haben, wie er ntv.de im morgen erscheinenden Interview verriet, ist es dem 50-Jährigen gelungen, das besondere Gefühl der humoristischen wie anrührenden Buchvorlage in Bewegtbild zu übertragen.

Altenpfleger Reiner (Dimitrij Schaad) aus Berlin kennt den Tod, denn berufsbedingt begegnet er ihm tagtäglich. Als er dann aber eines Tages in Form des blassen Morten (Marc Hosemann) scheinbar in Fleisch und Blut vor ihm steht, erkennt er ihn nicht. Morten teilt Reiner mit, dass er jetzt aufgrund eines unentdeckten Herzfehlers, der auch seinen Vater einst viel zu früh dahinraffte, sterben wird. Die zwei verstricken sich allerdings erstmal in eine längere Diskussion, denn trotz aller Lebensmüdigkeit und Lethargie ist Reiner noch nicht so weit, zu gehen.

Das Chaos ist perfekt, als es erneut an der Tür klingelt und Reiners Ex-Freundin Sophia (Anna Maria Mühe) davor steht. Der gemeinsame Trip zum Geburtstag von Reiners Mutter Lore (Johanna Gastdorf) muss noch stattfinden, denn die weiß ja noch nicht mal, dass sich das Paar getrennt hat. Morten muss wohl oder übel mit, denn seine Aufgabe ist es, bis zur Klärung des Sachverhalts dem Tode Geweihten nicht mehr als 300 Meter von der Pelle zu rücken. Ansonsten wäre das nicht nur Reiners Tod, sondern auch Sophias Ende und ein Karriereknick für Morten selbst. Also macht sich das ungleiche Dreiergespann per Bahn und mit einigen Flaschen Wodka im Gepäck auf den Weg zu Lore in die norddeutsche Provinz. Während Morten mehr und mehr Gefallen am Schnaps findet, müssen sich Reiner und Sophia auch noch ihren anderen, irdischeren Problemen stellen.

Viel Leben im Tod

Dimitrijj Schaad mimt den sympathischen Verlierer mit dem traurigen Blick und einer großen Sehnsucht nach Ruhe mit viel Gelassenheit. Anna Maria Mühes zunächst aufbrausende und genervte Sophia zeigt sich dann überraschend warmherzig. Den charmanten Mittelpunkt des Films bildet allerdings Hosemann, der dem Tod mit einer berührenden, aber auch trocken-humoristischen Naivität das für diese Rolle paradoxe Leben einhaucht. Zudem findet sich im Cast noch so manches weitere Highlight, nicht zuletzt Lina Beckmann, die nicht nur Hübners Ehefrau und Nachfolgerin beim Rostocker „Polizeiruf“ ist, sondern auch die perfekte Besetzung als von oben alles kontrollierende Erzengelin Michaela. Außerdem mit dabei sind Rocko Schamoni als Lores Nachbar Tiedemann und Hübner selbst in einer Nebenrolle als Wirt.

Während das Buch in weiten Teilen von den spitzfindigen Dialogen seiner Protagonisten lebt, vermitteln sich im Film viele Emotionen zwischen ihnen auch nonverbal. Gerade die spannungsgeladene Beziehung zwischen der energetischen Sophia und dem kraftlosen Reiner wird auf sehr subtile Weise erzählt. Mit getragen und erzählt wird das von der Musik, die nicht wie zunächst geplant von Thees Uhlmann selbst stammt, sondern von Nora Steiner und Madlaina Pollina alias Steiner & Madlaina, einem Indie-Duo aus Zürich, beigesteuert wurde.

Viel Gefühl ohne Klischee

Dem Format und seiner beschränkten Länge beziehungsweise Kürze von 98 Minuten ist es geschuldet, dass manches Element aus der Romanvorlage komplett gestrichen oder stark verkürzt wurde. Das mag man als Fan des Buchs bedauerlich finden, tut dem Ergebnis selbst aber keinen allzu großen Abbruch. Dass es sich hierbei um den ersten fiktionalen Langfilm von „Nachwuchs-Regisseur“ Hübner handelt, sei gesondert erwähnt. Bislang hatte sich der Wahlhamburger lediglich im Bereich Dokumentarfilm verdingt. Auf sein Konto geht unter anderem „Wildes Herz“, ein Film über die Band Feine Sahne Fischfilet.

Als alter Hase im Schauspielgeschäft hat sich Charly Hübner für sein Debüt jedenfalls ambitionierte Ziele gesetzt und diese – zumindest im Auge des Betrachters – mit Leichtigkeit erreicht. „Sophia, der Tod und ich“ ist keine auf Hochglanz polierte Komödie, wie es sie im deutschen Kino zuhauf gibt. Alles ist ein bisschen düster, körnig und so entsättigt wie Mortens Gesichtsfarbe. Und trotzdem ist dieser Film der lebende und lebendige Beweis, dass es bei einer deutschen Komödie gern auch mal um andere Themen gehen darf als die ewig gleichen und längst ausgelutschten Beziehungsklischees.

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