Sternstunden: Das Jahr 1983

Sternstunden: Das Jahr 1983

Modisch waren die 1980er-Jahre ja nicht gerade ein Highlight, und auch das Jahr 1983 glänzte diesbezüglich nur bedingt – und zwar in Form des angesagten Stoffes Chintz. Taillierte Blazer mit Schulterpolstern waren ebenso ein Thema, wie Stulpen jedweder Art – auch abseits des von Jane Fonda initiierten Aerobic-Trends.

Vieles aus dieser Zeit jedoch findet auch 2013 wieder den Weg in die Regale der großen Klamottenläden und lässt Hipster im ganzen Land in Verzückung geraten. Muss man nicht verstehen. 1983 war offiziell das „Internationale Jahr der Kommunikation“, wenngleich diese in Zeiten ohne Mobiltelefon und Internet noch gänzlich anders aussah. Damals sprachen die Menschen noch persönlich miteinander, was für viele heute schier unvorstellbar scheint. Gesprochen wurde 1983 vor allem über das Thema AIDS, das sich gerade in das Bewusstsein der Öffentlichkeit drängte und die Gründung der deutschen AIDS-Hilfe nach sich zog. In Kärnten schwitze der Mensch aufgrund von 39,7 Grad, der höchsten Temperatur in Österreich seit Beginn der Aufzeichnungen, in Großbritannien hingegen schwitzen einige Räuber beim Wegschleppen von 6.800 Goldbarren mit einem Gesamtgewicht von drei Tonnen sowie einigen Diamanten, erbeutet bei einem Raubüberfall auf ein Lagerhaus in London. Dieses Verbrechen ging als der größte Raub in der britischen Kriminalgeschichte ein und ein Großteil des Goldes ist bis heute nicht wieder aufgetaucht. Bundeswirtschaftsminister Otto Graf Lambsdorff musste aufgrund der Flick-Affäre auf seine Immunität verzichten, und Udo Lindenberg durfte im Berliner Palast der Republik auftreten. Das blieb dann auch sein einziger Auftritt in der DDR. Während Amy Winehouse am 14. September das Licht der Welt erblickte, deren Karriere zu diesem Zeitpunkt noch gut 20 Jahre in der Zukunft lag, beendete das schwedische Tennis-Ass Björn Borg seine in diesem Jahr, um in die Produktion von Unterhosen, Socken und mehr einsteigen. Lösten sich auf der einen Seite die NRW-Heroen Ideal auf, wurden auf der anderen Bands wie Alphaville und The Red Hot Chili Peppers gegründet. Was musikalisch sonst noch auf der Agenda stand, erfahrt ihr in unserem Überblick über die wichtigsten Albumveröffentlichungen des Jahres 1983.

Nena – Nena

Es ist das Jahr ihres großen, internationalen Durchbruchs. Gabriele Susanne Kerner kann im knallroten Ledermini mit „99 Luftballons“ bzw. „99 Red Balloons“ nicht nur ihr deutsches Publikum begeistern, sondern auch die amerikanischen Charts erklimmen. „Schuld“ daran ist Bestseller-Autorin und Ex-Junkie Christiane F., die die deutsche Version mit auf eine USA-Reise nimmt, wo sie Radio-DJ Rodney Bingenheimer in die Hände fällt. Der Rest ist Geschichte. 1983 ist außerdem das Jahr, in dem Nena an der Seite von Sängerkollege Markus im Film „Gib Gas, ich will Spaß“ ihr äußerst fragwürdiges Filmdebüt gibt und eben das zur Single „99 Luftballons“ gehörige Album „Nena“ veröffentlicht, das daneben noch weitere Hits wie „Nur geträumt“, „Tanz auf dem Vulkan“ und „Leuchtturm“ präsentiert.

Michael Jackson – Thriller

Kann man über dieses Album eigentlich noch irgendwas sagen, dass in den vergangen 30 Jahren seit seiner Veröffentlichung noch nicht gesagt wurde? Nein. Also hier ein paar Fakten: Bei der Produktion des Albums mit Quincy Jones ist Michael Jackson selbst gerade einmal 24 Jahre alt, und schon gelingt ihm ein lange währender Paukenschlag. „Thriller“ ist bis heute der erfolgreichste Tonträger der Musikgeschichte und macht Jackson zum King of Pop. 80 Wochen ist das Album in den Top 10 der US-Charts, 37 davon auf Platz 1 sowie zwei Jahre hintereinander das bestverkaufte Album des Jahres. Das 14-minütige Zombievideo zu „Thriller“ ist der teuerste Musikclip seiner Zeit, die VHS-Kassette verkaufte sich 750.000 Mal und wurde zum bestverkauften Musikvideo schlechthin. Sieben der insgesamt neun Songs auf „Thriller“ schaffen es in die Top 10 der US-Charts, darunter „Billie Jean“, „Beat It“ und „Wanna Be Startin’ Something“.

Madonna – Madonna

„Madonna who?“ 1983 ist das Jahr, in dem die auch heute noch – mehr oder weniger zurecht – als Queen of Pop gefeierte Madonna Louise Ciccone ihr erstes Album veröffentlicht. Nach Engagements als Tänzerin, Backgroundsängerin und Schlagzeugerin bei diversen Bands knüpft die damals 24-Jährige in New York tanzenderweise Kontakte zu diversen DJs, was ihr am Ende einen Plattendeal und die erste Single „Everybody“ einbringt, die zumindest in den Clubs gut ankommt. Ganz anders dann ihr Debütalbum „Madonna“, produziert gemeinsam mit ihrem damaligen Freund Jellybean Benitez, dessen dritte Single „Holiday“ ihr den internationalen Durchbruch beschert. Und auch „Borderline“ und „Lucky Star“ festigen Madonnas neu gewonnen Status als die Pophoffnung des Jahrzehnts, wenngleich ihr erst im Folgejahr mit „Like A Virgin“ der richtig große Wurf gelingt.

V.A. – Flashdance

„Flashdance“ ist so etwas wie die Mutter aller Tanzfilme, die in den 1980er-Jahren Hochkonjunktur feiern. Erzählt wird die Geschichte der 18-jährigen Alex Owens, gespielt von einer lässigen Jennifer Beals. Tagsüber arbeitet sie als Schweißerin, nachts ist sie Tänzerin in einer Bar. Die Szene, in der Alex bei einem Vortanzen ihre eigenen Choreografie präsentiert, ist legendär und wurde in der Folge vielfach kopiert, zitiert und parodiert. Die Musik dazu, der Titelsong „Flashdance … What A Feeling“, gesungen von Irene Cara, gewinnt einen Oscar, einen Golden Globe und eine Emmy und wird so zum Welthit. Der Film selbst geht in Sachen Awards leer aus, was dem Umstand geschuldet ist, dass er auch inhaltlich recht leer ist. Es sind eben die Tanzszenen und die Musik, die ihn zum Hit machen, nicht die Story. Auch Michael Sombellos „Maniac“wird zu einem riesen Erfolg.

Depeche Mode – Construction Time Again

Depeche Mode outen sich zu Beginn der 1980er-Jahre als fleißiges Quartett und veröffentlichen nach „Speak And Spell“ und „A Broken Frame“ 1983 ihr bereits drittes Album. „Construction Time Again“. Dieses lässt erstmalig Neuzugang Alan Wilder akustisch erkennen, der das Sampling einführt, während Martin L. Gore für das Songwriting verantwortlich ist. Der Track [„Pipeline“] besteht zum Beispiel nur aus Industrie- und Alltagsgeräuschen sowie dem Gesang Gores. Auch in Deutschland gewinnen Depeche Mode mehr und mehr Fans und spielen im Rahmen ihrer Albumtour ganze 14 Konzerte bei uns. Bis heute in Erinnerung geblieben ist von diesem Werk insbesondere die Single „Everything Counts“.

New Order – Power, Corruption & Lies

Die einstigen Joy Divsion-Mitglieder, die sich nach dem Freitod ihres Frontmannes Ian Curtis zu New Order umbenannten, veröffentlichen im Jahr 1983 mit „Power, Corruption & Lies“ ihr zweites Album unter diesem Namen. War das erste, „Movement“ von 1981, noch stark mit der Musik Joy Divisions verwoben, immerhin stammten einige der Songs noch aus Curtis’ Feder, so geht es nun schon eher in einen neue Richtung, die man unter heutigen Gesichtspunkten wohl als elektronische Tanzmusik bezeichnen kann. Hierauf vertreten ist ihr bis dato größter Hit „Blue Monday“, der auch 30 Jahre später noch in schöner Regelmäßigkeit und immer wieder neuen Remixen oder neu aufgelegtes Original immer wieder die Tanzflure aufmischt. „Blue Monday“ ist bis heute die weltweit meist verkaufte Vinyl-Maxisingle.

R.E.M. – Murmur

Denkt man heute an R.E.M., hat man direkt ihren Superhit „Loosing My Religion“ aus dem Jahre 1991 im Ohr, auf den die Band um Michael Stipe von Unwissenden gerne immer wieder reduziert wird. Dass aber schon viel früher durchaus beachtenswerte Releases erschienen, wird dabei häufig ignoriert. So zum Bespiel 1983 das Album „Murmur“, das das erste ihrer langwährenden Karriere darstellte und trotz oder gar wegen seines eigenwilligen Stils von Journalisten und Musikfans äußerst positiv aufgenommen wurde. Im selben Jahr tourten R.E.M. im Vorprogramm ihrer britischen Kollegen The Police durch ihre Heimatland Amerika. Heute zählen R.E.M. mit mehr als 85 Millionen verkauften Alben zu den erfolgreichsten Rockbands überhaupt.

U2 – War

„War“ ist nicht nur eines der wichtigsten Alben des Jahres 1983, sondern vielleicht auch das beste U2s überhaupt. Inhaltlich überwiegend politisch motiviert möchte das dritte Album der Band um Bono aufrütteln und versteht sich als musikalischer Kreuzzug zugunsten des Pazifismus. Die erste Single „New Year’s Day“ behandelt das Thema der polnischen Solidarność-Bewegung, während sich „Sunday Bloody Sunday“ mit den Nordirlandkonflikt auseinandersetzt. „War“ beschäftigt sich sowohl mit der physischen Seite der Kriegsführung wie auch mit deren emotionalen Folgen. In Großbritannien erreicht es Platz 1 der Charts, in den USA immerhin Rang 12 und wird dort mit Gold ausgezeichnet. Die auf das Album folgende Tour ist weitgehend ausverkauft, Aufnahmen hiervon erscheinen noch in selben Jahr unter dem Titel [„Under A Blood Red Sky“] als erstes Livealbum U2s.

The The – Soul Mining

Es ist das erste Album der Briten The The, das auf das Soloalbum von Sänger Matt Johnson, „Burning Blue Soul“ von 1981, folgt. Die hierauf vertretene Single „Uncertain Smile“ war bereits 1981 unter dem Titel „Cold Spell Ahead“ erschienen, und „Perfect“ entstand gemeinsam mit Produzent Mike Thorne, ehe sich er und Johnson aufgrund dessen massiven Alkohol- und Drogenkonsums überwarfen. Paul Hardiman übernahm den Job, und gemeinsam mit einigen Gastmusikern entstand schließlich „Soul Mining“. Insgesamt gibt es sieben unterschiedliche Versions dieses Longplayers, was unterschiedlichen Märkten, Plattformen und Labels zu verdanken ist.

Culture Club – Colour By Numbers

George Alan O’Dowd aka Boy George setzte nicht nur modisch in den 80er-Jahren Trends, auch musikalisch konnten Culture Club ganz oben mitspielen. Mit ersten Singleerfolgen wie „Do You Really Want To Hurt Me“ und „Time (Clock Of The Heart)“ vom Debütalbum „Kissing To Be Clever“ in 1982 erreichte der androgyne, extravagante Brite mit seiner Band auch den US-Markt, so dass für das 1983 folgende zweite Album bereits sämtliche Türen und Tore geöffnet waren. Die im September 1983 veröffentlichte Single „Karma Chameleon“, Opener des Albums „Colour By Numbers“, übertraf dann aber trotzdem alle Erwartungen und wurde zu einer der meistverkauften Singles der 80er-Jahre, erreichte Platz 1 der britischen Charts und hielt sich dort sechs Wochen. Zudem machte Boy George auch privat Schlagzeilen, als die Bravo über eine potenzielle Liebesbeziehung zwischen ihm und Schlagzeuger Jon Moss munkelte.

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