Im Mai ist mit „Electric Horsemen“ das zehnte Studioalbum von The BossHoss erschienen, mit dem es jetzt auf Tour geht. Zudem feiert das Berliner Country-Duo in diesem Jahr sein 20. Jubiläum. Mit ntv.de sprachen Völkel und Vollmer unter anderem über neue Musik und gar nicht mal so alte Rollenklischees.
Im Mai ist mit „Electric Horsemen“ das zehnte Studioalbum von The BossHoss erschienen. Zudem feiert das Berliner Country-Duo in diesem Jahr sein 20. Jubiläum sowie die Rückkehr auf die Bühne nach der Corona-bedingten Auszeit.
Für Alec Vökel und Sascha Vollmer gibt es also jede Menge Gründe, aufgeregt und vorfreudig auf die kommenden Wochen zu schauen. Ab dem 15. September sind The BossHoss nämlich auf Tournee. Sie machen dabei Halt in Wien, Zürich, Düsseldorf, Leipzig, Hamburg, München sowie zahlreichen weiteren Städten, ehe am 28. Oktober in Berlin der Tourabschluss zelebriert wird. Mit ntv.de sprachen „Boss Burns“ (Völkel) und „Hoss Power“ (Vollmer) unter anderem über neue Musik und gar nicht mal so alte Rollenklischees.
ntv.de: Euer Album „Electric Horsemen“ ist bereits im Mai erschienen, jetzt geht es aber endlich auch auf Tour damit. Wie groß ist die Vorfreude?
Sascha Vollmer: Wir waren zuletzt 2019 auf Hallentour und wollten dann 2020 die Sommertour zum Album „Black Is Beautiful“ nachholen, aber das hat ja aus bekannten Gründen nicht geklappt. Im Jahr darauf ebenfalls nicht, sodass wir das erst 2022 tun konnten. Jetzt ist ein neues Kapitel aufgeschlagen, wir stehen auf Seite eins und machen mit einem neuen Album im Gepäck endlich wieder eine Hallentour. Das fühlt sich geil an. Wir haben Bock und sind froh, dass es jetzt endlich losgeht.
Wie bereitet ihr euch darauf vor?
Alec Völkel: Das Gute ist, dass sich über die Jahre eine gewisse Routine und Verlässlichkeit entwickelt haben, auf die man sich berufen kann. Wir wissen, dass wir als Band funktionieren. Wir wissen, wie die Songs funktionieren. Zwei Drittel des Programms sind Stücke, die wir schon lange spielen, also haben wir immer ein Best-of im Gepäck. Dazu kommen dann ein paar Songs vom neuen Album. So haben wir eine Bank an Liedern, die wir draufhaben und live super performen können. Aber die Proben sind natürlich das A und O. Wir sind jetzt seit eineinhalb Wochen unterwegs durchs ganze Land und spielen Warm-up-Sets für 50 bis 100 Fans. Das macht uns fit. Auch für Interaktionen und Entertainment, denn nach einer längeren Pause aus dem Kalten wieder auf eine Bühne geschmissen zu werden, ist so eine Sache. Da muss man sich erstmal wieder reinfinden. Aber wir freuen uns sehr auf die große Klassenfahrt.
Seid ihr noch mit demselben Team wie vor Corona auf Tour oder habt ihr ein paar Leute aus der Crew an andere Jobs und Arbeitgeber verloren?
Vollmer: Wir haben fast die gesamte Crew noch am Start. Teilweise sind wir schon zehn Jahre und länger zusammen unterwegs. Klar hat man ein paar Leute, die während der Coronazeit keine Jobs mehr hatten und sich in eine feste Anstellung retten mussten. Es sind zwei oder drei dabei, die sich jetzt extra Urlaub nehmen, um mit uns auf Tour zu kommen. Der einzige Unterschied zu der Zeit vor Corona ist, dass alle teurer geworden sind. Überall gibt es Personalmangel, und die guten Leute sind sehr begehrt, schaukeln sich gegenseitig hoch und haben andere Preise – Busfahrer, Catering … alles ist teurer geworden.
Schlägt sich das auch auf eure Ticketpreise nieder oder habt ihr ein Auge und einen Einfluss darauf, dass eure Fans nicht zu sehr geschröpft werden?
Völkel: Man hat einen Einfluss darauf, und jeder, der sagt, es ist nicht so, der lügt. Wir machen das in Absprache mit der Booking-Agentur und dem Veranstalter … und da kommen dann noch Gebühren dazu. Du musst also vorher gucken, wo der Preis am Ende landet. Aber wir haben ihn exakt so gelassen, wie er früher war. Man hätte ihn easy erhöhen können, eben weil alles teurer wird … Technik, Trucks, Nightliner … aber bei uns kostet eine Karte noch immer 45 Euro ohne Gebühren. Die Leute haben doch sowieso schon weniger Geld in der Tasche, und die Kultur- und Konzertbranche hat sich von Corona auch noch nicht wieder erholt. Es wäre kontraproduktiv, die Preise jetzt hochzuschrauben.
Vollmer: Alles haben wir natürlich nicht in der Hand. Die Vorverkaufsgebühren sind von Stadt zu Stadt unterschiedlich. Ich weiß nicht, warum Stuttgart teurer ist als Regensburg. Das entzieht sich unserer Kenntnis, und darauf haben wir auch keinen Einfluss, ebenso wenig wie auf die Preise in der Halle selbst für Bier und Bratwurst.
Vermutlich ist es auch gar nicht so leicht, sich von Unternehmen wie Eventim oder Ticketmaster loszusagen, wenn man auch möchte, dass möglichst viele Leute kommen?
Völkel: Das stimmt. Wir sind natürlich auch bei Eventim, das bleibt nicht aus. Und wie die ihre Gebühren stricken, das ist undurchsichtig. Man kann gar nicht genau sagen, was sie auf den Nettopreis draufschlagen. Aber es ist schon sehr ärgerlich, wenn man versucht, ein Ticket günstig zu halten und es für 45 Euro rausgibt, und die nehmen dann am Ende 64 Euro. Allerdings sind wir jetzt auch nicht so groß, als dass wir sagen könnten, wir verkaufen unsere Karten nur über unsere Plattform. Das wäre ein bisschen zu riskant.
„Electric Horsemen“ ist euer zehntes Album, ihr feiert außerdem 20. Bandjubliiäum. Wird sich das auf euren Konzerten auf irgendeine Weise zeigen? Rosa Cowboy-Otfits, Glitzerboots, Luftballons, Einhörner …?
Völkel: Also das ist schon was Besonderes, aber wir ziehen keine rosa Anzüge an, und Luftballons und Einhörner passen auch nicht so gut zu uns. (lacht) Wir werden aber eine Menge abfackeln. Wir haben die Pyro ausgebaut, auch wenn das Geld kostet. Doch es ist die erste Tour nach über vier Jahren in einer Halle, und da müssen wir schon ordentlich auffahren. Wir wollen es schon fett machen. zehntes Album, 20 Jahre. Es gehört aber auch das Konzept dazu, das Ganze eher zu einer Best-of-Show zu machen. Wir wissen oft gar nicht, welche Songs wir weglassen sollen bei 150-200 insgesamt. Davon sind so viele live-tauglich, dass wir uns gar nicht entscheiden können. Ein fettes Bühnenbild, das zum Album „Electric Horsemen“ passt, gibt es natürlich auch.
Ihr vertretet das Cowboy-Image nun schon seit 20 Jahren. Ein Männerbild, das heute etwas anachronistisch wirkt. Oder steckt genug Selbstironie drin? Seid ihr im Herzen Feministen?
Völkel: Also ich bin totaler Feminist. Ich habe eine kleine Tochter, und natürlich möchte ich, dass sie in ihrem Leben die schlaueste, intelligenteste und erfolgreichste Frau wird. Wir spielen von Anfang an mit Klischees, BossHoss hat immer schon eine große Portion Selbstironie. Wir mögen aber eben auch die Rock-n-Roll-Klischees, die die 70er geboren haben. Das Ganze ist eine Kunstwelt und hat eine fiktionale Komponente. Wenn man ein Video dreht, heißt das auch nicht, dass man seinen Alltag ebenfalls so gestaltet. Aber wir sind halt Jungs, und das ist auch okay so. Boss und Hoss können sich jetzt auch nicht diversifizieren.
Vollmer: Grundsätzlich lieben wir Frauen. Ich habe auch eine Tochter, die ist 21. Sie bekommt all meinen Support und gibt mir ganz viel Support. Frauen in unserer Gesellschaft sind für uns total wichtig. Und um ein richtiger Mann, Kerl, Cowboy zu sein, muss man ja nicht chauvinistisch sein oder Frauen diskriminieren. Ich bin davon überzeugt, dass fast jede Frau – sofern sie auf Männer steht – auch einen Partner haben möchte, der seinen Mann steht. (lacht)
Hat sich euer Konzertpublikum verändert, seit ihr im TV immer präsent seid?THE BOSSHOSS AUF RTL+ MUSIK
Völkel: Es sind vor allem mehr Leute geworden. Unsere Bekanntheit ist gewachsen, das kann man schon sagen. Wir erreichen mehr Leute, die dann glücklicher Weise auch zu unseren Konzerten kommen. Die Mischung ist bei uns total breit, was wohl daran liegt, dass wir keine Genre-Band sind, Was wir machen, macht ja kein anderer. Zu uns kommen Leute, die auf Rock und auf Metal stehen, aber auch welche, die Mainstream-Pop mögen.
Eure Popularität hat euch kürzlich einen besonderen Gig eingebracht: Ihr habt im Weserstadion zum Bundesligastart die Nationalhymne singen dürfen. Die Reaktionen waren nicht durchweg positiv – wenn man zum Beispiel mal bei X (früher Twitter) schaut. Wie habt ihr selbst es empfunden?
Vollmer: Wir haben das als total gut empfunden, und ich bin froh, dass wir es gemacht haben. Wir fühlten uns sehr geehrt, als uns die Anfrage erreichte. Natürlich haben uns vorher alle gewarnt, dass man ausgebuht wird und wir es nicht persönlich nehmen sollen. Es ist egal, wer dort steht, es geht dabei nicht um den Künstler oder die Hymne an sich, sondern um die kommerzielle Ausrichtung des DFB. Es ist ein Protest gegen diese Art von Showbusiness innerhalb des Fußballs, deswegen nehmen wir das nicht persönlich. Wir haben es vor Ort auch gar nicht so negativ wahrgenommen. Die Buhrufe wurden irgendwann weniger, es gab auch Applaus. Aber klar, wenn einer was schreibt, nimmt das seinen Lauf. Dann hacken alle auf einem rum, ohne dass sie selbst überhaupt dabei waren.
Liegt es vor allem an den sozialen Medien, dass sich ein Bild so verzerrt? Wie haltet ihr es selbst mit X, Instagram und Co.?
Völkel: Bei X sind wir nicht, Facebook und Instagram sind schon anstrengend genug. Da geht es aber vor allem um unsere Bandpräsenz. X ist ja nun wirklich die extremste Form, da geht es doch nur darum, jeden Tag sein Gedankengut rauszuballern. Es ist Sport auf X, Dinge sarkastisch zu kommentieren, um dafür Likes zu bekommen. Da bieten sich so Auftritte wie unserer zum Bundesligastart natürlich an.
Ihr seid beide Väter. Bereitet euch das mit Hinblick auf eure Kinder Sorge, oder gibt es noch andere Dinge, anhand derer ihr es schwierig findet, optimistisch in deren Zukunft zu blicken?
Völkel: Unseren Umgang miteinander, wie wir als Gesellschaft miteinander diskutieren, das finde ich besonders schwierig. Es ist einfach viel zu absolut. Es gibt den normalen Austausch doch gar nicht mehr. Wenn wir uns in kleinem Rahmen mit vier Leuten unterhalten, bringen wir unsere Argumente mit Respekt und in einem vernünftigen Ton vor. Jeder würde dann den Punkt des anderen sehen und vielleicht auch verstehen. Das passiert aber in Social Media gar nicht mehr.
Weil man über die Menschen, mit denen man dort kommuniziert, in der Regel nichts weiß und ihren persönlichen Erfahrungshorizont und Hintergrund nicht kennt …
Völkel: Genau. Die Anonymität ist ein Schutzmantel. Da kann man alles rausballern, dann legt man das Handy weg und weiß gar nicht, wer das jetzt liest. Man hat keinen Adressaten, anders als wenn wir hier jetzt reden. Da muss man damit rechnen, dass argumentativ etwas zurückkommt, doch das fällt da weg. Es geht nur um Klickzahlen und Likes, man lässt sich gar nicht auf ein Gespräch ein oder kommt in einen vernünftigen Austausch.
Vollmer: Wir sind jetzt seit 20 Jahren auf der Bühne, leben unseren Traum und haben natürlich auch in dieser Zeit gelernt, dass man als Künstler und Person des öffentlichen Lebens schon auch ein dickes Fell braucht, und das haben wir uns zugelegt. Es ist auf natürliche Weise gewachsen.
Weil … irgendwas ist ja immer?!
Vollmer: Genau! Man kann es nie allen recht machen, egal welchen Song man raushaut oder was für ein Album. Auch jeder Auftritt wird kommentiert. Wenn man das mal kapiert hat, kann man ganz gelassen an die Sachen rangehen. Und so ist das auch mit der politischen Welt. Klar hat man eine gewisse Sorge, was beispielsweise den Rechtsruck angeht. Aber wir hatten das schon mal – so vor 30 Jahren – und am Ende hat die Demokratie gesiegt. Da spreche ich jetzt nicht von den länger zurückliegenden, ganz dunklen Zeiten. Ich bin aber grundsätzlich positiv eingestellt. Klar muss man selbst etwas dazu beitragen, auch wir sind politische Menschen und haben unsere Meinung. Aber ich denke nicht, dass die Welt untergeht. Ich habe Vertrauen in die Menschen.