Bei den Golden Globes wird „The Brutalist“ mit Adrien Brody unter anderem als bester Film ausgezeichnet und hat nun Chancen auf zehn Oscars. Dreieinhalb Stunden lang erzählt er die Geschichte eines jüdischen Architekten, der nach dem Zweiten Weltkrieg in den USA sein Glück versucht.
Trotz der verheerenden Brände in Los Angeles sollen die Oscars Anfang März wohl wie geplant stattfinden. Dann könnte auch „The Brutalist“ mit bis zu zehn Awards ausgezeichnet werden. Schon bei den Golden Globes Anfang des Jahres wurde das dreieinhalbstündige Epos von Brady Corbet mehrfach bedacht. Zum einen bekam Adrien Brody einen Preis als bester Hauptdarsteller, zum anderen gab es für Corbet – wie schon beim Filmfest in Venedig – den für die beste Regie, und auch die Auszeichnung als „Bester Film“ ging an „The Brutalist“. Das alles absolut zu Recht. Doch von vorn …
Es ist das Jahr 1947, in dem der jüdische Bauhaus-Lehrer, Designer und Architekt László Tóth (Adrien Brody) seine bulgarische Heimat verlässt, um in den USA sein Glück zu versuchen. Die Flucht aus dem Europa der Nachkriegszeit in die Staaten vollzieht er wie viele andere damals mit großer Hoffnung, aber auch mit einem gewissen Respekt und Bescheidenheit.
Und tatsächlich ist aller Anfang schwer, denn László verbringt diesen im Hinterzimmer des Möbelladens seines Cousins Attila (Alessandro Nivola) und dessen Ehefrau Audrey (Emma Laird) in Pennsylvania. Ein erster vielversprechender Job für den Bau einer neuen Bibliothek im Haus des Großindustriellen Harrison Van Buren (Guy Pearce) läuft zunächst nicht wie geplant, wird dann aber mit einiger Verspätung doch noch zur Chance seines Lebens.
Monumentaler Bau, monumentale Bilder
Van Buren plant zu Ehren seiner verstorbenen Mutter nämlich ein architektonisches Mammutprojekt, und der von ihm für sein Können bewunderte Lásló Tóth soll es entwerfen. Geplant wird ein Gebäude aus Beton und Marmor, das Kirche, Bibliothek, Auditorium und Sporthalle vereint. Der Brutalismus-Bau von Doylestown, so der Name des Monuments, gestaltet sich als extrem ambitioniert, und László hat währenddessen mit allerlei Widrigkeiten zu kämpfen.
Als er seine durch die Mangelernährung im KZ Dachau an Knochenschwund erkrankte Frau Erzsébet (Felicity Jones) und ihre Nichte Zsófia (Raffey Cassidy) zu sich in die USA holt, macht dies das Leben des sensiblen und ohnehin schon gestressten Künstlers nicht unbedingt leichter. Mit der Verantwortung wächst der Druck. Und auch seine Vergangenheit als Überlebender der Shoah lässt László nie so richtig los.
Nach „The Childhood of a Leader“ und „Vox Lux“ setzt sich Regisseur Brady Corbet, lange selbst als Schauspieler für Regiestars wie Michael Haneke und Lars von Trier aktiv, mit „The Brutalist“ ein Denkmal – und das mit gerade einmal 36 Jahren. Denn der von ihm sieben Jahre lang geplante Film ist nicht nur dank seiner Länge monumental.
Auch hat sich Corbet für „VistaVision“ entschieden, was die Dreharbeiten zusätzlich erschwert hat. Das bedeutet 70-Millimeter-Analogformat und 26 Filmrollen von etwa 140 Kilo Gesamtgewicht – in Zeiten digitaler Optionen eine mutige Entscheidung.
Gesellschaftskritisch und persönlich zugleich
Doch wollte Brady Corbet, der gemeinsam mit Lebensgefährtin Mona Fastvold auch für das Drehbuch verantwortlich zeichnet, das Lebensgefühl der Ära und ihrer Menschen in allen Facetten und auf allen Ebenen widerspiegeln. László Tóth wird zwar als einzigartiger Künstler skizziert, und doch ist er nur einer von Tausenden Einwanderern, die einst all ihre Hoffnungen in den Umzug in die USA steckten – einige mit mehr, andere mit weniger Erfolg, alle aber mit diversen Rückschlägen. „The Brutalist“ ist damit ein gesellschaftskritischer Blick auf die USA jener Zeit sowie ein zwar fiktiver, aber persönlicher Erlebnisbericht.
Die Bilder, die Brady Corbet gemeinsam mit seinem angestammten Kameramann Lol Crawley geschaffen hat, erinnern immer wieder an die düstere Vergangenheit der jüdischen Protagonisten, die allesamt gerade so dem Tod im Konzentrationslager entkommen sind. Lange Bahnschienen ins Nichts, rasende Züge, rauchende Lokomotiven – das Grauen ist in ihren Köpfen noch allgegenwärtig. Überhaupt hatten Symbolik und Metaphorik entscheidende Rollen bei der Bildgestaltung. László Tóth wird seinen ihn verfolgenden Dämonen nur mithilfe von Alkohol und Morphium Herr, die ihn körperlich und seelisch aber auch langsam zugrunde richten. Adrien Brody brilliert in dieser ambivalenten Rolle, für die wohl niemand anderes besser geeignet gewesen wäre, er hat immerhin sogar selbst ungarische Wurzeln.
Wenn am 3. März nun also die Oscars verliehen werden, kann Brady Corbet mit seinem Team auf einige davon hoffen. So ist neben Brody als Hauptdarsteller auch Guy Pearce in der Rolle von Van Buren herausragend und ein sicherer Anwärter auf einen Preis als bester Nebendarsteller. Des Weiteren ist „The Brutalist“ in den Kategorien Film, Regie, Drehbuch, Kamera, Nebendarstellerin, Filmmusik, Szenenbild und Schnitt aufgestellt. Was hier optisch und akustisch geboten wird, ist das Kinoticket jedenfalls unbedingt wert.