„The Palace“Jahreswechsel-Panik im Hotel de Farce

„The Palace“Jahreswechsel-Panik im Hotel de Farce

Mit „Intrige“ zeigt Roman Polanski 2019, dass er es noch draufhat. Gut vier Jahre später legt er seinen nächsten Film vor, und der wirft vor allem eine Frage auf: Warum? Statt bissiger Gesellschaftssatire ist „The Palace“ ein trauriger Altherrenwitz.

Bei Roman Polanski denken die meisten Menschen zuletzt wohl eher an diverse Missbrauchs- und Vergewaltigungsvorwürfe als an seine filmischen Meisterleistungen. Dabei hat der mittlerweile 90-jährige Regisseur wirklich so einiges auf der Habenseite, darunter Meisterwerke wie „Tanz der Vampire“, „Rosemaries Baby“, „Chinatown“ und „Der Pianist“. Und erst 2019 wurde sein Historiendrama „Intrige“ bei den Filmfestspielen in Venedig mit dem Goldenen Löwen ausgezeichnet, weitere Preise für seine filmische Umsetzung der Dreyfus-Affäre folgten.

Seit im vergangenen Jahr ebenfalls in Venedig sein neuestes Werk „The Palace“ uraufgeführt wurde, hält sich die Begeisterung darüber allerdings in Grenzen. Was wohl als Gesellschaftssatire gedacht war, endet als Farce und schwächster Film Polanskis. Dennoch kann man der Ensemble-Komödie ein paar unterhaltsame Momente nicht absprechen, und die gehen zu großen Teilen auf das Konto eines deutschen Schauspielers.

Grandhotel voller reicher Narren

Es ist Silvester 1999, wenige Stunden vor Mitternacht. In Erwartung des Jahreswechsels sind im Schweizer Grandhotel „The Palace“ Gäste und Belegschaft in Aufruhr. Hotelchef Hansueli (Oliver Masucci) setzt alles daran, dass in der bevorstehenden Nacht alles glattläuft. Dennoch grätschen die superreichen und in höchstem Maße unmoralischen Gäste immer wieder dazwischen.

Unter ihnen ist zum Beispiel der gefragte Schönheitschirurg Dr. Lima (Joaquim De Almeida), dem eine Gruppe grotesk verunstalteter Ladys auf Schritt und Tritt folgt. Nicht nur soll er dann im Hotel die gebrochene Nase des in die Jahre gekommenen Pornostars Bongo (Luca Barbareschi) retten. Auch setzt eine französische Diva (Fanny Ardant) auf seine Hilfe. Dr. Lima soll den Kot ihres handtaschentauglichen Hundes untersuchen, auf dessen Speiseplan Kaviar steht und der gerne mal ins Bett kackt. Wie lustig.

Außerdem checkt Multimilliardär Arthur Duncan Dallas III (John Cleese) mit seiner 22-jährigen Ehefrau (Bronwyn James) im „The Palace“ ein, um ihr dort zum Hochzeitstag ein besonderes Geschenk zu überreichen: einen lebenden Pinguin. Zum Dank dafür gibt es Sex, der für den Greis tödlich und für seine junge Liebste mit einem Scheidenkrampf endet. Auch dieses Problems muss sich Hansueli höchstpersönlich annehmen. Der zwielichtige Investor Bill Crush (Mickey Rourke) will derweil mithilfe seines bislang unbescholtenen Bankers Caspar Tell (Milan Peschel) die Angst der Leute vor dem Millenium-Crash für einen Millionenbetrug nutzen. Ergänzt wird dieser ohnehin schon krude Cast durch ein paar trinkende Russen, die in diesem Setting natürlich nicht fehlen dürfen.

102-minütiger Altherrenwitz

Die Idee, einen Film über das tatsächlich existierende Nobelhotel „Gstaad Palace“ zu drehen, soll Roman Polanski schon früh gekommen sein. Er selbst war dort bereits vor vielen Jahren zu Gast und vom bunten Treiben vor Ort beeindruckt sowie inspiriert. Vielleicht hätte er diesem Traum aber auch schon deutlich früher nachgehen sollen, dann wäre ihm das Ganze womöglich mit mehr Esprit und Feingefühl gelungen. Oder der Film wäre zu einer Zeit erschienen, in der Humor noch anders funktionierte. Nun aber kann auch die durchaus namhafte Besetzung kaum noch etwas retten, wenngleich es nicht ihre Schuld ist, dass „The Palace“ nicht funktioniert. Im Gegenteil, macht doch Oliver Masucci als Zirkus … sorry … Hoteldirektor eine wirklich gute Figur und sorgt für die wenigen nicht nur skurrilen, sondern eben auch witzigen Momente.

Bei „The Palace“ stehen die Fehler schon im Drehbuch, das Polanski mit dem 85-jährigen Jerzy Skolimowski schrieb. Angesichts des Alters der Verantwortlichen ist es kaum verwunderlich, dass die Gags angestaubt und teils zum Fremdschämen sind, Pointen nicht zünden und der Film zu einem 102-minütigen Altherrenwitz verkommt. Und so schön das Grandhotel und seine Lage in den Schweizer Alpen auch sind, die Bilder von Kameramann Pawel Edelman bringen das nicht rüber. Vieles wirkt, als sei es am Rechner oder im Studio entstanden, wenngleich auch vor Ort gedreht wurde. Abschließend kann man sagen, dass viele Chancen nicht genutzt wurden und Roman Polanski seine besten Zeiten nun wohl doch hinter sich hat. Mit 90 sei es ihm gegönnt.

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