Mit „Triangle of Sadness“ gewinnt Ruben Östlund in Cannes eine Goldene Palme. Bei der Satire handelt es sich um eine knallharte und teils ekelerregende Kritik am Kapitalismus und dem Klassensystem. Das funktioniert bisweilen gut, kann aber doch nicht auf ganzer Linie überzeugen.
Regisseur Ruben Östlund ist bekannt für Filme, in denen er sich gesellschaftspolitischen Missständen widmet. War es in „Höhere Gewalt“ und „The Square“ das Patriarchat und die damit einhergehende toxische Männlichkeit, spielt beides auch beim Abschluss der Trilogie eine Rolle. Im Fokus steht jedoch die Kritik am Kapitalismus und der damit einhergehenden sozialen Ungerechtigkeit. Erneut gelingt es dem Schweden, bei den Filmfestspielen in Cannes so die Goldene Palme abzuräumen.
„Triangle of Sadness“ besteht aus drei Kapiteln. Der Film startet im Modebusiness mit „Carl & Yaya“, führt dann auf „Die Jacht“, die schließlich Schiffbruch erleidet. Und damit geht es weiter auf „Die Insel“, auf der sich die Machtverhältnisse plötzlich umkehren.
Als „Triangle of Sadness“ (zu Deutsch: „Dreieck der Traurigkeit“) bezeichnet man in der Schönheitsindustrie den Bereich zwischen Augenbrauen, wo sich die sogenannte Zornesfalte bildet. Dem gerade einmal 25-jährigen Model Carl (Harris Dickinson) wird bei einem Casting geraten, sich dort Botox spritzen zu lassen, was ein Teil des Themas beschreibt: der Mensch als Ware. Carl und seine Freundin Yaya (Charlbi Dean Kriek) sind nicht nur ein gutaussehendes junges Paar, auch arbeiten beide als Models und Influencer. Allerdings ist Yaya deutlich erfolgreicher als ihr Freund, denn zumindest in dieser Branche sind Frauen besser gestellt als Männer. Deswegen kommt es zwischen den Liebenden immer wieder zum Streit. Als bei Yaya eine Einladung zu einer Luxus-Kreuzfahrt ins Haus flattert, will Carl seine Freundin dennoch begleiten.
Überzeichnete Superreiche finden es zum Kotzen
Auf dem 250-Millionen-Dollar-Schiff versammeln sich dann noch einige extrem überzeichnete Superreiche, darunter der russische Kapitalist Dimitry (Zlatko Buric), die Waffenhersteller Winston (Oliver Ford Davies) und Clementine (Amanda Walker) sowie andere wohlhabende Weiße gehobenen Alters. Darunter auch Therese (Iris Berben), die nach einem Schlaganfall nur noch über einen geringen Wortschatz, aber einen scharfen Verstand verfügt. Als Kapitän Smith (Woody Harrelson), selbst Verfechter des Kommunismus und Sozialismus, einen Nervenzusammenbruch erleidet, muss die ambitionierte Chef-Stewardess Paula (Vicki Berlin) mit den verwöhnten Gästen und ihren absurden Wünschen vorerst allein klarkommen.
Ein starkes Unwetter holt den dem Alkohol zugewandten Kapitän aber wieder zurück an Deck. Trotz des zu erwartenden Seegangs besteht er auf ein opulentes Mahl mit seinen Passagieren. Es kommt, wie es kommen muss: Schon bald speien alle ihren einst edlen Mageninhalt in alle Richtungen. Als am nächsten Morgen eine Gruppe somalischer Piraten versucht, die Jacht zu kapern und einige Schiffbrüchige auf einer einsamen Insel stranden, spielen die bisher geltenden gesellschaftlichen Verhältnisse keine Rolle mehr. Plötzlich findet sich die patente philippinische Toilettenfrau Abigail (Dolly De Leon) ganz oben in der Hackordnung wieder, da sie die Einzige ist, die Feuer machen und Fische fangen kann. Ein Umstand, den sie nur zu gern ausnutzt und dank dessen sie sich nehmen kann, was sie will.
Viel Effekt, weniger Tiefe
Die Satire, die die Unmenschlichkeit und Oberflächlichkeit des kapitalistischen Systems anprangert, lebt von Wortwitz und originellen Einfällen. Und sie sorgt vor allem durch die ausufernde Kotz-Orgie für Aufsehen. Szenen, die für Emetophobie-Betroffene (Menschen mit Angst vor dem Übergeben – Anm. d. Red.) übrigens nicht zu empfehlen sind. Östlund versteht aber auch das wohl als Kritik, kotzen sich die Reichen ihr ekelhaftes Leben und Treiben doch praktisch in hohem Bogen aus dem Leib. Darauf scheint sich das Kapitel „Die Jacht“ allerdings auch schon zu beschränken, während die übrigen zwei Teile des Films Probleme deutlicher ansprechen und dabei persönlicher werden.
Ansonsten setzt Östlund – anders als bei seinen Vorgängerfilmen – sehr viel auf Effekte, was sich unter anderem im besonderen Sounddesign widerspiegelt. Dabei geht allerdings einiges an Tiefe verloren, die angesichts des Themas sicherlich möglich gewesen wäre. Und so prangert „Triangle of Sadness“ nicht gerade subtil die Absurdität des Kapitalismus an und ruft – nicht nur bei den Kotz-Szenen – Ekel beim Zuschauer hervor. Kurzweilige Unterhaltung bietet der Film aber in jedem Fall.