Es gibt Tage, da muss ich mich schon sehr wundern. Meist über andere, manchmal aber auch über mich selbst. Gerade erst habe ich mir ein T-Shirt gekauft, nun finde ich es schon nicht mehr. Ich kann mich erinnern, wo ich es ausgepackt und liegen gelassen habe. Das war in der Wohnung meines Freundes. Dann – so glaubte ich zumindest – habe ich es eingepackt und mit zu mir genommen. Auf dem Weg von A nach B muss es sich allerdings in Luft, Staub oder ein sehr schnelles und lautloses Insekt verwandelt haben, denn bei mir habe ich es nie ausgepackt.
Möglicherweise irre mich an irgendeiner Stelle meiner Geschichte, was ich für wesentlich unwahrscheinlicher halte als Verwandlung des Shirts während des Transports. Schließlich irre ich mich nie. Allerdings nagen erste Zweifel an mir. Habe ich es doch nicht eingepackt? Hier sei anzumerken, dass es auch in Wohnung A nicht auffindbar ist, sagt der Freund. Trägt er es in diesem Moment und mag es nur nicht zugeben? Hat es eine seiner unzähligen anderen Freundinnen für ein Geschenk gehalten und mitgenommen – was er wohl auch nicht zugeben würde? Habe ich womöglich gar kein T-Shirt gekauft? Ist das hier überhaupt meine Wohnung? Wer bin ich? Und vor allem wie viele?
Bleibt zu hoffen, dass diese Begebenheit nicht ein Symptom fortschreitender Senilität ist, dafür bin ich dann noch zu jung. Doch es ist ja nicht das erste Mal. Ich fand schon mein Portemonnaie im Kühlschrank, den Haustürschlüssel in der Schublade für Unterwäsche, das Telefon nach vielen Stunden in der Tasche des Bademantels und den Autoschlüssel im CD-Regal – immerhin unter A. Es ist eben nicht das erste Mal … und deswegen suche ich jetzt weiter.
Nachtrag: Das Shirt fand sich – in seiner original Tüte – unter meinem Bett wieder, lange, nachdem die Suche aufgegeben hatte. Nähere Fragen dazu kann ich leider nicht beantworten. Nur so viel: Also ich, ich war das nicht …
