„Wunderschön“: Verzweifelte Frauen im Optimierungswahn

„Wunderschön“: Verzweifelte Frauen im Optimierungswahn

Zu dick, zu gestresst, zu frustriert? Frauen finden eine Menge Gründe, um an sich zu zweifeln. Dieses Themas nimmt sich Karoline Herfurth mit ihrer dritten Regiearbeit an. Hier spielt sie neben Nora Tschirner und Martina Gedeck eine Frau am Rande des Optimierungswahnsinns.

Eine fühlt sich in die Mutterrolle gepresst wie nach zwei Schwangerschaften in ihre früheren Klamotten. Die andere steckt nicht nur in der Midlife-Crisis, sondern auch in einer eingeschlafenen Ehe fest. Und die Nächste hat der Männerwelt aus Angst vor echten Gefühlen abgeschworen und verkauft es als Feminismus.

In Karoline Herfurths neuer Tragikomödie „Wunderschön“ ist vieles anscheinend exakt das Gegenteil dessen, was der Titel verspricht. Erzählt werden die miteinander verwobenen Leben von fünf Frauen, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Und doch haben sie eins gemeinsam: Sie alle hadern auf die eine oder andere Weise mit ihrem Leben, ihren Beziehungen, ihren Entscheidungen und ihrem Körper.

Kindererziehung ist Frauensache?

Sonja (Karoline Herfurth) ist gerade zum zweiten Mal Mutter geworden und nicht ganz freiwillig mit den Kids zu Hause, während ihr Mann Milan (Friedrich Mücke) ungestört weiter an seiner Karriere arbeitet. Frauke (Martina Gedeck) fragt sich mit Ende 50 und nach langen Jahren in einer längst leidenschaftslosen Ehe mit Wolfi (Joachim Król), ob das wirklich schon alles war. Ihre Tochter Julie (Emilia Schüle) ist zwar superschlank, für ihren Job als Model aber noch lange nicht schlank genug.

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Frauke (Martina Gedeck) und Wolfi (Joachim Król) stecken fest.(Foto: Hellinger & Doll / Warner Bros.)

Schülerin Leyla (Dilara Ayra Ziem) dagegen hat ihren übergewichtigen Körper längst akzeptiert, ihre Mutter, die Modelagentin Gabo (Melika Foroutan), anscheinend nicht – doch liegt das Problem der beiden dann doch ganz woanders. Und die Lehrerin Vicky (Nora Tschirner) ist überzeugte Feministin und wähnt sich zufrieden in ihrem beziehungslosen Leben, in dem sie es sich häuslich eingerichtet hat. Zumindest so lange, bis ein neuer Kollege in ihr Leben tritt, der ihre ablehnende Einstellung zur Liebe infrage stellt.

Regie und Hauptrolle: Herfurth

Nach „SMS für dich“ und „Sweethearts“ ist „Wunderschön“ bereits Karoline Herfurths dritte Regiearbeit und auch dieses Mal ist sie selbst in einer Hauptrolle zu sehen. Eine Doppelbelastung, die sie leicht zu bewältigen scheint und unter der ihre Figur nicht einen Moment lang leidet. Um Sonja so glaubwürdig wie möglich zu verkörpern, nahm Herfurth sogar einige Kilogramm zu und beweist in mindestens einer denkwürdigen Szene Mut zur Hässlichkeit. Auch wenn das Wort Hässlichkeit im Grunde hier unangebracht ist, denn die Message des Films lautet wohl ohne Frage: Jede Frau ist wunderschön – auf ihre Weise. Das Leben ist wunderschön – auf seine Weise.

Karoline Herfurth gelingt es, allen Frauenfiguren mehr als nur ein paar weibliche Plattitüden und Klischees angedeihen zu lassen. Mit dem passenden Mix aus Leichtigkeit und Drama zeichnet sie ein schwarzhumoriges Bild täglichen Leids, das frau zu tragen hat und das eben nicht nur aus dem einen Problem besteht, sondern aus vielen kleinen Hürden, die sich noch dazugesellen. Dass das so feinfühlig wie amüsant gelingt, ist natürlich nicht allein der Regie, sondern auch dem fantastischen Cast zu verdanken.

Tiefgang statt Flachwitze

Mit Nora Tschirner, Martina Gedeck und Emilia Schüle versammelt Herfurth das Stärkste aus allen Altersklassen, was Deutschland in dem Bereich gerade zu bieten hat. Dass diese Frauen sehr wohl wissen, wovon der Film erzählt und sich dabei selbst nicht allzu ernst nehmen, tut dem Ganzen zusätzlich gut.

Karoline Herfurth und Co. zeigen, dass die deutsche Komödie auch ohne Flachwitze und mit feinsinnigem Humor funktioniert. Das macht „Wunderschön“ zu einem Feel-Good-Movie mit Tiefgang, das sich womöglich ja auch der eine oder andere Mann zu Gemüte führt. Hier kann er eventuell noch etwas lernen – ohne dabei in allzu viele Klischee-Fallen zu tappen.

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