Für sein Filmprojekt „Under The Sky“ arbeitet der japanische Rock- und Klassikstar Yoshiki mit Nicole Scherzinger, St. Vincent und den Scorpions zusammen. Nun steht er damit auf der Shortlist der Oscars. Mit ntv.de spricht er über Inspirationsquellen, dunkle Phasen sowie helle Momente.
Yoshiki gilt als einer der erfolgreichsten Künstler Japans. Mit seiner Rockband X Japan, bei der er am Schlagzeug sitzt, hat der heute 57-Jährige mehr als 30 Millionen Platten verkauft und spielte mehrfach im ausverkauften Tokyo Dome vor jeweils 50.000 Fans. Zudem ist er Teil der japanischen Supergroup The Last Rockstars.
Doch Yoshiki ist auch ein klassisch ausgebildeter Komponist und Pianist, und als solcher hat er nun einige Stars um sich versammelt, mit denen er während der Pandemie den Konzertfilm „Under The Sky“ aufnahm. Mit dabei sind unter anderem Nicole Scherzinger, Lindsey Stirling, St. Vincent, The Chainsmokers und die Scorpions.
Yoshiki führte bei dieser Musikdokumentation selbst Regie und steht damit nun sogar auf der Oscar Shortlist, nachdem er sich im September bereits auf dem Hollywood Walk of Fame mit Händen, Füßen und Drumsticks verewigen durfte. Mit ntv.de sprach der Musiker unter anderem über Inspirationsquellen, dunkle Phasen sowie helle Momente in seinem Leben und seiner Karriere.
ntv.de: Dein Film „Under The Sky“ entstand während der Pandemie. Du hast quasi das Beste aus der Situation gemacht. Aber erinnerst du dich noch an deine ersten Gedanken und Gefühle, als die Situation bekannt wurde?
Yoshiki: Mir ging es wie vielen Künstlern zu der Zeit, mein Terminkalender war voll und dann passierte plötzlich das. In dem Moment war alles vorbei. Aber ich habe keine besondere Angst verspürt. Vielmehr habe ich mir Gedanken um meine Fans gemacht. Was kann ich tun, um sie zu unterstützen, nachdem sie mich so lange unterstützt haben?
Also war der Film für sie und nicht für dich selbst, um dich zu beschäftigen in Zeiten des notgedrungenen Nichtstuns?
Genau. Ich habe es für sie gemacht. Für mich war die Situation nicht so schlimm, ich bin gern allein. Für mich war das völlig okay so. Und ich war davor schon immer sehr selbstzerstörerisch, bis hin zu suizidgefährdet. Und so hat mich die Pandemie nicht zusätzlich negativ beeinflusst. Das Ganze hat mich mehr aufgeregt, weil es meine Fans aufgeregt hat. Also habe ich den Film gemacht, weil ich dachte, es wäre etwas, das ich für sie tun kann.
Hat es die Planung vereinfacht, dass auch die anderen Künstler nichts zu tun hatten zu dieser Zeit? Wie habt ihr zusammengefunden?
Mit einigen von ihnen habe ich schon vor der Pandemie zusammengearbeitet, mit anderen wollte ich gern. Und so kam ich auf die Idee der gemeinsamen Performances. Einige kamen aber auch über mein Management auf mich zu, weil sie von dem Projekt gehört hatten.
Unter anderem dabei sind die Scorpions als einziger Act aus Deutschland. Was verbindet dich mit der Band?
Wir haben einen gemeinsamen Freund beziehungsweise Produzenten, und ich wollte schon immer etwas mit ihnen machen. Eine Mauer einreißen. Mit „Wind Of Change“, was ja quasi eine Art Titelsong für den Fall der Berliner Mauer ist. Als ich dann erfuhr, dass wir diesen gemeinsamen Bekannten namens Bruce haben, bat ich ihn, mal mit ihnen zu reden. Und sie waren tatsächlich interessiert. Ich habe es geliebt und denke immer noch: „Wow, es ist wirklich passiert!“ Sie haben mich diese Streicher-Version arrangieren lassen, das ist einfach unglaublich. Sie sind eben sehr flexibel, wenn es darum geht, solche Dinge zu probieren.
Du machst nicht nur klassische Musik, sondern bist auch Schlagzeuger der Rockband X Japan. Für Außenstehende scheinen da Welten dazwischen zu liegen. Wie ist es für dich selbst?
Es ist nicht ganz dasselbe, aber auch nicht total anders. Was immer ich mache, ob Musik oder Kunst, es ergibt sich alles ganz organisch.
Nun hast du bei „Under The Sky“ auch Regie geführt. Gibt es auch Dinge, die du gern ausprobieren würdest, an die du dich aber noch nicht herangetraut hast?
Nein. Ich mache die Art von Kunst, die anderen Menschen helfen kann. Dass da etwas nicht klappt, bereitet mir keine Sorgen.
Gibt es einen Moment in deiner Karriere, der für dich bis heute etwas Besonderes und eine Inspiration ist?
Den gibt es. Ich war früher sehr rebellisch, als wir unsere Band X Japan gründeten. Wir machten extrem harte Musik, sahen aber sehr weiblich aus. Androgyn, inspiriert von Künstlern wie David Bowie. Damit haben wir alle Kritiker in Japan gegen uns aufgebracht. Sie haben uns durchweg kritisiert und sich gefragt, warum wir Heavy Metal machen, wenn wir doch so aussehen. Jeder unserer Schritte wurde damals kritisiert. Aber unsere Fangemeinde begann zu wachsen. Am Ende waren wir eine der ersten japanischen Rockbands, die vor 50.000 Leuten gespielt haben. Wir hatten das Gefühl, allen bewiesen zu haben, das nichts unmöglich ist und nichts von dem, was wir gemacht haben, falsch war.
Im September konntest du dich sogar auf dem Hollywood Walk of Fame vor dem TCL Chinese Theatre verewigen … als erster japanischer Künstler.
Stimmt, das war sehr emotional, weil meine Mutter das leider nicht mehr erleben konnte. Sie ist letztes Jahr verstorben. In meiner Rede habe ich gesagt: „Ich möchte diesen Moment in meinem Leben meiner geliebten Mutter widmen, die immer an mich geglaubt hat. Sie war die allererste Person, die meine Hände und Füße gesehen hat. Und jetzt kann sie diese vom Himmel aus sehen, wenn sie hier auf Hollywood herunterschaut.“ Es war auch ein sehr inspirierender Moment.
Du lebst ja sogar in Los Angeles. Warum ausgerechnet dort? Wegen des Wetters?
Andere sagen ja über mich, dass ich normalerweise nicht das Sonnenlicht sehe, so vampirisch wie ich bin. Ich gehe ins Bett, wenn die Sonne aufgeht. Ich mag einfach die Nacht. Der eigentlich Grund ist, dass ich vor langer Zeit zufällig an ein Aufnahmestudio in Los Angeles gekommen bin, das ich gekauft habe. Das war nach dem Erfolg unseres X-Japan-Albums, vier von fünf Bandmitglieder gingen nach L.A., um dort in verschiedenen Studios aufzunehmen, und ich fand das einfach nicht effizient. Also habe ich ein Studio gekauft. Nach den Aufnahmen gingen alle zurück nach Japan, auch ich zunächst. Und dann dachte ich mir, ich könnte auch genauso gut gleich ganz nach Los Angeles ziehen. Seitdem bin ich dort.
Und was verbindest du mit Deutschland? Wie schätzt du dein Publikum hier ein?
Die Menschen hier sind freundlich und sehr intelligent. Ich liebe die Leute in Deutschland, denn sie sind klug und detailorientiert. Schon mehrfach habe ich mit meiner Rockband hier gespielt, aber auch klassische Konzerte gegeben. Und ich liebe klassische Musik, bin stark beeinflusst von Beethoven und so weiter. Ich fühle mich mit diesem Land sehr verbunden.