oder: Ich wäre gern ein besserer Mensch Teil 2
Jetzt ist es soweit, ich bin genervt. Von Flüchtlingen. Nicht von ihnen selbst, sondern von dem Thema an sich. Von den Leuten, die nicht müde werden, bei Facebook zu posten, was sie schon alles für die Migranten in ihrer Stadt getan haben. Wenn nur die Hälfte davon stimmt, ist das eine wirklich gute Sache. Aber warum sind so viele nicht mehr in der Lage, Dinge einfach so – ganz ohne den digitalen Applaus seiner falschen Freunde – zu tun? So ging es doch auch früher – lange vor Facebook, Twitter, Instagram und Co. Vielleicht erinnern sich daran nur noch wenige, weil die Menschen der Pre-Internet-Ära bereits aussterben. Aber es gab sie, diese Zeit. Damals musste man noch zur Bank gehen, um einen papiernen Überweisungsbeleg abzugeben, der zum Beispiel einem „S.O.S. Kinderdorf“ oder „Brot für die Welt“ zugute kam.
Heute ist man drei Klicks von einer solchen guten Tat entfernt. Noch schneller geht es per App. Binnen Sekunden hat man parallel zu seinem 40-Euro-Entrecôte 40 Cent für die Mahlzeit eines afrikanischen Kindes auf den Kopf gehauen. Der Kauf eines eigenen guten Gewissens kann so simpel und so günstig sein. Besonders hilfreich ist die integrierte Möglichkeit, der Facebook-Welt mitzuteilen, dass man eben 40 Cent für die Mahlzeit eines afrikanischen Kindes auf den Kopf gehauen hat. Ehre, wem Ehre gebührt.
Etwas Gutes hat das aber tatsächlich: Es fordert genug andere Selbstdarsteller heraus, dasselbe zu tun. Die Masse macht es am Ende. Ich befürchte nur, dass das die Intention der wenigsten ist. Der Mensch ist leider oft getrieben von Narzissmus und einem penetranten Drang zur Selbstdarstellung, so dass es ihm eher darum geht, nach außen das beste Bild von sich zu malen – und eben das eigene Gewissen bei Laune zu halten, während er an seinem überteuerten Champagner schlürft. Wenn dabei aber auch nur ein einziges Kinderleben irgendwo in Afrika gerettet wird, soll es mir Recht sein.