Darauf haben Mystery-Fans gewartet: Die erste deutsche Netflix-Serie „Dark“ geht nach ihrem großen Erfolg in die zweite Runde. Die neue Staffel beantwortet einige Fragen, wirft aber auch neue auf. Das ist oft fesselnd, manchmal aber auch ein bisschen zu viel.
Anderthalb Jahre ist es her, dass Netflix mit „Dark“ Seriengeschichte schrieb. Zum einen war es die erste deutsche Produktion des US-Streaming-Riesen überhaupt. Zum anderen hatten sich hierzulande noch nicht allzu viele getraut, eine komplexe Geschichte über mehrere Folgen horizontal zu erzählen. Und auch die Wahl des Mystery-Genres war für hiesige Verhältnisse ein Wagnis.
Das Publikum dankte es dem Unternehmen mit ordentlichen Abrufzahlen. Allein bei uns kamen laut den Marktforschern von Goldmedia in der ersten Woche fast drei Millionen Bruttokontakte zusammen. Am Ende aber fand die Serie der Münchner Produktionsfirma Wiedemann & Berg ihr Publikum vor allem international.
Dritte Staffel schon in Arbeit
Dass es eine zweite Staffel von „Dark“ geben wird, war also früh klar. Und noch vor deren Ausstrahlung haben die Verantwortlichen bekannt gegeben, dass auch die dritte bereits in Arbeit sei. Man ist sich bei Netflix des Erfolgs der neuen Folgen also sehr sicher.
Als Zuschauer sollte man sich unbedingt die Mühe machen, zunächst die erste Staffel noch einmal wegzubingen, um nicht im Blindflug durch die neuen Ereignisse zu rauschen. Praktischerweise haben sich einige „Dark“-Hardcore-Fans die Mühe gemacht, eine Art Online-Lexikon zu erstellen. Wer also unter Zeitknappheit leidet oder aufgrund des sonstigen Serienangebots schlicht keine Lust hat, etwas zwei Mal zu gucken, kann sich auch hier nochmal auf den Stand bringen.
Komplexität wächst weiter
Was zu Beginn von „Dark“ noch nicht klar war, ist nun Kern der Geschichte. Wir befinden uns in der fiktiven Kleinstadt Winden, und das in unterschiedlichen Zeitebenen. Inzwischen wissen wir, dass die vermissten Kinder nicht einem Sexualstraftäter und die verschwundenen Erwachsenen keinem Meuchelmörder zum Opfer gefallen sind. Sie haben sich in der Zeit verloren. Und so viel sei verraten, ohne zu spoilern: „Dark“ nimmt durch weitere Zeitebenen und neue Figuren noch einmal an Komplexität zu.
Schon die Bilder der Mad-Max-ähnlichen Dystopie, in der Jonas (Louis Hofmann) am Ende von Staffel 1 landete, verhießen nichts Gutes. Und tatsächlich, eine schwere Umweltkatastrophe hat alles in eine traurige Ödnis verwandelt. Nur ein paar Verstrahlte, die nach der Apokalypse auf die göttliche Erlösung hoffen, haben es bis hierher geschafft.
Nun gilt es für Jonas, das 32 Jahre zuvor im Atomkraftwerk von Winden geschehene Unglück zu verhindern. Was bei der Rettung des 1986 verschwundenen Mikkel (Daan Lennard Liebrenz) schon nicht geklappt hat, gestaltet sich jetzt natürlich noch komplizierter. Vor allem, weil es Menschen wie den mysteriösen Priester Noah (Mark Waschke) gibt, die ihre schmutzigen Finger im Spiel mit der Zeit haben.
Einige Antworten, viele neue Fragen
Und während Teenager-Jonas noch die Zusammenhänge zu verstehen versucht, stattet sein älteres und bereits schlaueres Ich (Andreas Pietschmann) seiner jetzt fast gleichaltrigen Mutter Hannah (Maja Schöne) im schicksalhaften Jahr 2020 einen Besuch ab, der für einige Verwirrung im Ort sorgt.
Ja, es ist kompliziert, und das bleibt es auch. Das macht den Reiz dieser Serie aus, ist aber auch ihr größter Schwachpunkt. Toll ist es für den Zuschauer, wenn er plötzlich einen Handlungsstrang begreift, der zuvor völlig kryptisch erschien. Wenn ihm etwas wie Schuppen von den Augen fällt und ein ungläubiges „Ach, krass!“ aus der vom Staunen trockenen Kehle poltert. Allerdings bleiben dabei die Entwicklungen der Charaktere, denen wir in unterschiedlichem Alter ja gleich mehrfach begegnen, und ihrer Konflikte mal wieder auf der Strecke.
Was ist eigentlich aus dem 1952 als Kindermörder verhafteten Ulrich Nielsen (Oliver Masucci) geworden? Und wie reagiert seine nun alleinstehende Ehefrau Katharina (Jördis Triebel), wenn sie 2020 von Kommissarin Charlotte Doppler (Karoline Eichhorn) erfährt, dass Jonas das Kind ihres ein Jahr zuvor verschwunden elfjährigen Sohns Mikkel und damit ihr Enkel ist? Diese Fragen beantwortet Staffel zwei, doch wirft sie dafür viele neue auf. Dabei wird einem oft ganz schwindelig.
Optisch gelungen
Optisch gibt es auch dieses Mal wenig zu meckern. Gedreht wurde erneut in den Babelsberger Filmstudios in Potsdam so wie in den Wäldern Brandenburgs. Und so macht „Dark“ seinem Namen wieder alle Ehre. Düster, perfekt ausgeleuchtet und im atmosphärischen Wechselspiel von Licht und Schatten bewegen sich die Figuren durch das kleinstädtische Winden der verschiedenen Epochen und durch sein Umland. Und doch hält sich der Gruselfaktor in Grenzen, spätestens seit man um das Geheimnis der Höhle im Wald weiß. Die zahlreichen Handlungsstränge und Zeitebenen, neue Figuren so wie wieder auftauchende alte sorgen ein ums andere Mal für einen Knoten im Kopf, sodass einem der nächste wesentliche Hinweis schon mal entgeht.
„Dark“ war von Beginn an nichts, was man beim Spülen, Bügeln oder Tindern nebenher schauen konnte, und die zweite Staffel legt nochmal eine Schippe drauf. Für manch einen der laut Netflix weltweit rund 150 Millionen Abonnenten könnte genau diese eine Schippe aber auch ein bisschen zu viel des Guten sein.