Es ist das Jahr der deutschen Wiedervereinigung und damit schon mal eines der geschichsträchtigsten des vergangenen Jahrhunderts. Aber auch sonst ist es geprägt von politischen Umwälzungen aller Art – in den europäischen Ostblockstaaten wie auch in China, wo die monatelange Besetzung des Platzes des himmlischen Friedens gewaltsam aufgelöst wird.
Die Sowjetunion zieht derweil ihre Truppen aus Afghanistan zurück und beendet damit ihren zehnjährigen Krieg. George W. Bush wird nach Ronald Reagan 41. Präsident der USA, und bei uns setzt Richard von Weizsäcker seinen Dienst als Bundespräsident fort. Am 3. November schließlich gestattet die DDR ihren in der ČSSR lebenden Bürgern die direkte Ausreise in die BRD, nachdem etwa 5.000 Menschen in die westdeutsche Botschaft in Prag gelangt sind. Am 9. November dann fällt die Berliner Mauer und die innerdeutsche Grenze wird geöffnet. Fast zeitgleich veröffentlicht David Hasselhoff seine Version von „Looking For Freedom“, das bald als Freiheitshymne gefeiert wird. Er darf es Silvester dann auch an der Mauer vor 500.000 Menschen trällern, so dass er sich – angeblich – an deren Fall beteiligt sieht. Dieses Gerücht hält sich viele Jahrzehnte, bis Hasselhoff selbst es schließlich im Rahmen einer TV-Show 2013 dementiert. Schade, war doch so eine schöne Story.
ProSieben startet seinen Sendebetrieb, MTV Deutschland sendet erstmalig live und Ende des Jahres wird im Einzelhandel der „Lange Donnerstag“ eingeführt. Kulturell hat das Jahr neben Hasselhoff gottlob noch einiges mehr zu bieten. Mehr oder weniger sehenswerte Filme wie „Goodfellas“, „Otto – Der Außerfriesische“, „Scoot & Huutsch“ und „Tango & Cash“ sowie zahlreiche hörenswerte Alben und Singles von Bands wie Soundgarden, Red Hot Chili Peppers, Pixies, Beastie Boys, NoFX, Lenny Kravitz und Nine Inch Nails. Auf den ersten Rängen der Singlecharts spielen die zwar leider keine größere Rolle, doch gibt es dort neben Hasselhoff und Roxette mit „The Look“ auch hier Hoffnungschimmer wie The Cure mit „Lullaby“. Depeche Mode veröffentlichen „Personal Jesus“, und [Queen]art.69088) wollen alles und sagen es mit „I Want It All“ auch laut. In den Eckkneipen und Tanzschuldiskotheken wird derweil Lambada getanzt, ein brasilianischer Paartanz, der durch den Song von Kaoma weltweit Ruhm erlangt. Sieht nur bei wenigen wirklich sexy aus, aber das ist ein anderes Thema, das jene, die es damals miterlebten, bis heute verfolgt.
Madonnas Video zu „Like A Prayer“ sorgt für einen handfesten Skandal. Zu Beginn des Clips beobachtet Madonna, wie einige weiße Männer ein Mädchen verprügeln und töten. Ein zur Hilfe eilender Afroamerikaner wird fälschlicherweise von der Polizei verhaftet, den die Sängerin – von Stigmata gezeichnet eine Weile in der Kirche singend sowie einen schwarzen Heiligen küssend und zum Leben erweckend – später natürlich rettet. Es sind die brennenden Kreuze, auf denen sie tanzt, die in den USA zum Boykott des Videos führen. Und während hier noch laut „Blasphemie“ gebrüllt wird, tanzen die Leute hierzulande längst zur Musik der gar nicht schwedisch aussehende Schwedin Neneh Cherry, die mit „Buffalo Stance“ ihren ersten großen Erfolg feiert. Erste handfeste Eurodance-Ausläufer gibt es von Technotronic mit „Pump Up The Jam“, „Back To Life“ von Soul II Soul und „Good Life“ von Inner City. Die dancelastigen 90er stehen schließlich unmittelbar bevor …