Ich gratuliere meiner Mutter … zu mir

Ich gratuliere meiner Mutter … zu mir

Kaum noch greifbar sind meine Erinnerungen an eine Zeit, als ich lange vor meinem Geburtstag schon ganz aufgeregt war. Als ich es kaum abwarten konnte, ein Jahr älter zu werden, mich überraschen und beschenken zu lassen. Ich veranstaltete gleich mehrere Partys rund um diesen Tag und freute mich über jeden einzelnen Gratulanten. Heute gehe ich um 23:30h am Vorabend ins Bett und mag morgens kaum aufstehen. Überraschen kann man mich kaum noch, kann ich doch eh auf nichts warten und kaufe mir sofort, was mir gefällt. Der Drang nach einer wilden Party – von der man heute mehr körperlich als mental noch drei Tage zehrt – ist verloschen. Klingelte früher noch mehrfach täglich das Telefon, wird heute nur noch via Facebook ein kurzer Gruß abgesetzt. Das sind am Ende so viele, dass man schnell den Überblick verliert und so keinesfalls allen an ihrem eigenen Geburtstag digital zurück gratulieren wird. Man möge mir verzeihen.

Warum wird am Geburtstag überhaupt das Wesen bejubelt, das für sein Schlüpfen zu besagtem Zeitpunkt gar nicht verantwortlich war? Warum werden nicht die Mütter gefeiert, die sich über Stunden unter Schmerzen im Kreissaal quälten, um ihren widerspenstigen Nachwuchs auf die Welt zu pressen? Wäre es nach mir gegangen, wäre ich sicherlich noch eine Weile geblieben und statt im kalten Januar lieber im Frühjahr an die wärmere Luft gekrochen. Aber mich hat ja niemand gefragt. Da man der Mutter im Allgemeinen gerade mal zum Muttertag mit einem Blumenstrauß huldigt und das auch nur, weil sich das der Verband Deutscher Blumengeschäftsinhaber irgendwann mal so ausgedacht hat, bin ich für eine Umkehrung der Umstände.

Ab sofort gratuliere ich meiner Mutter dazu, dass sie ein Kind auf die Welt gebracht hat, das zumindest heute zwei Köpfe größer ist als sie selbst. Und ich danke ihr dafür, dass sie es im Anschluss zu einem einigermaßen überlebensfähigen Ding erzogen hat. Nur den Müttern von Michael Wendler, Larissa Marolt und Julia Engelmann für deren Menschwerdung zu danken, die dazu führt, dass zumindest mir alle drei gerade gleichermaßen auf die Nerven gehen, fiele mir an an einem Tag wie diesem schon schwer.

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