Es ist Anfang November, als ich diese Zeilen tippe. Und schon jetzt graut mir vor dem einen Moment, der nicht mehr lange auf sich warten lässt. Während in Zeiten der Weltwirtschaftskrise keine Sicherheiten mehr gegeben werden können, ist doch zumindest hierauf Verlass: In Kürze werden wir wieder rund zwanzig Mal pro Tag und Sender mit dem einen Song vollgelullt, der in keinem Jahr seit 1984 kurz vor Weihnachten fehlen darf.
Der Song, der Jahr für Jahr aus mir völlig unverständlichen Gründen immer wieder Spitzenpositionen in den Media Control Charts belegt und so den Alkohol- und Drogenkonsum seines Machers finanziert. Der Song, der Jahr für Jahr mehr und mehr Menschen zu Tränen rührt und sie erst so richtig in Weihnachtsstimmung versetzt. Der Song, den ich bereits seit 1986 nicht mehr hören kann und der regelmäßig meine Ohren bluten lässt: „Last Christmas“ von Wham!
Kinder, mal ehrlich… Echte Klassiker sind traditionsreiche Nummern wie „White Christmas“, „Jingle Bells“ oder auch „Oh Du Fröhliche“, aber „Last Christmas“ vom skandalumwobenen und mittlerweile völlig abgestürzten George Michael und seinem längst und zu Recht verschollenen Kumpel Andrew Ridgeley? Das ist nicht mehr als eine billige Liebesschnulze mit einem nicht mal unbedingt positiv belegten Text, dafür aber mit viel Glockengebimmel und einem weihnachtlichen Video, das mir stets die Tränen in die Augen treibt. Das allerdings nicht vor Rührung aufgrund der tollen Skihüttenromantik, sondern weil es mir Jahr für Jahr vor Augen führt, wie scheiße die Klamotten- und Haarmode in den 80ern war. Das trifft mich als jemanden, der in dieser Zeit meinte, modemäßig voll auf der Höhe zu sein, besonders hart. Asymetrische Frisuren mit Seitenscheitel und geflochtenem Zöpfchen im Nacken, große Ohrringe, gerne auch nur auf einer Seite getragen, unförmige Karottenjeans in Moonwashed-Optik und gruselig gemusterte Strickpullover mit oder ohne Rollkragen (klingt jetzt nach Berlin-Mitte, ist aber wirklich 80er). Will ich daran wirklich immer wieder erinnert werden?
Außerdem wirft der Erfolg dieser Nummer ein wahrlich schlechtes Licht auf sämtliche seit damals erschienenen Weihnachtssongs, denn keiner hat es jemals wieder so weit gebracht. Nicht einmal „Weihnachtsmann vom Dach“ von den Toten Hosen: „Er hat sich direkt unterm Fenster an einem Balken aufgehängt, man kann die Kirchenglocken von hier hören, wenn man ganz leise ist.“ DAS nenn’ ich doch mal Romantik.