Camp der Hoffnungslosigkeit

Camp der Hoffnungslosigkeit

Es ist erneut soweit, die TV-Landschaft bewegt sich für einige Wochen wieder auf dem untersten Niveau und auch sämtliche sonst so seriösen Gazetten berichten darüber. „Ich bin ein Star, holt mich hier raus“ sorgt täglich für beste, die niedersten Instinkte eines Menschen – D-Promihass, Schaulustigkeit und Voyeurismus –befriedigende Abendunterhaltung. 

Hiervon partizipiert vor allem einer, und das ist nicht der Zuschauer, sondern unser Bundespräsident. Seit sich zwölf mehr oder weniger – meist weniger bis gar nicht – Promis im Camp die holen Köpfe einschlagen, werden die Schlagzeilen der einschlägigen Medien nicht länger mit seinen Verfehlungen gefüllt. Inzwischen findet es jeden Abend sechs Millionen Deutsche zu Recht spannender, wie sich Camp-Mutti Ramona Leiß sämtliche Sympathien vermeckert oder Nackt-Flittchen Micaela ihrem Ruf als eben solches gerecht wird. Finden es interessanter, wie sich die Herren der Schöpfung verzweifelt um Kopf und Kragen zetern und heulen, als dem sich im Grunde gut in dieses Bild einfügenden Christian Wulff länger zuzuhören. Vielleicht eine schöne Idee fürs nächste Jahr, RTL?

Und tatsächlich gibt es kaum ein Medium, das nicht von den allabendlichen, wenig weltbewegenden Vorkommnissen auf der anderen Seite des Globus berichtet. Ein Entkommen aus dem Camp selbst scheint wahrscheinlicher, als ein Entkommen aus der dazugehörigen Berichterstattung. Allmählich wünscht man sich fast die ebenfalls längst über alle Maßen ausgereizte Präsi-Geschichte zurück an die Headline-Front, weil man nach der doch schon glaubte, noch mehr Elend und Hoffnungslosigkeit nicht ertragen zu können.

Und so gehen derzeit mehr und mehr spannende Nachrichten praktisch im Nass der Tränen und des Dauerregens im australischen Dschungel unter. Zum Beispiel wird die Wahl des Unworts des Jahres nicht gebührend zelebriert. „Döner-Morde“ belegt Platz 1, dazu gratuliere ich dann mal recht herzlich. Wem überhaupt? Ach ja, den Medien einmal mehr, denn denen haben wir dieses irreführende und diskriminierende Konstrukt ja wohl zu verdanken. Auf einem der folgenden Ränge finden wir übrigens den „Gutmensch“ und damit ein Wort, mit dem zumindest im Camp gerade niemand etwas anzufangen weiß.

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