Woran ich merke, dass ich älter werde, sind zum aktuellen Zeitpunkt noch wenig körperliche Widrigkeiten, wie man sie sicherlich bald zum Beispiel beim Aussteigen aus dem Auto oder beim Aufsteigen aufs Rad feststellen kann. Das geht derzeit alles noch ganz gut. Dass ich alt werde, erkenne ich viel mehr daran, dass sich meine Toleranzgrenze verschoben hat, und zwar ganz deutlich nach unten.
Hatte man früher noch Verständnis für den Nachbarn, der unter der Woche nachts um 2 Uhr völlig benebelt in seiner Bude rumhängt und seinem Hörschaden durch viel zu lauten Techno frönt, ist man nun kurz davor, die Polizei zu verständigen und den Nichtsnutz wegen Ruhestörung anzuzeigen – oder gar dem Typ gleich selbst die Tür einzutreten und das allein zu regeln. Auch die volltrunkenen 17-Jährigen, die Wochenende für Wochenende anlässlich des Flatratesaufens im Club um die Ecke in die Straße pinkeln, kotzen und außerdem aus vollem Hals ihre letzte (und vermutlich auch gleich erste) Eroberung vor ihren Freunden und sämtlichen Anwohner ausbreiten, wünscht man die Pest, Syphilis und weitere Widerlichkeiten oder zumindest einen boxcluberprobten Schläger an den Hals.
Entspanntes Anstehen an der Supermarktkasse, weil zum einen die sich seit drei Tagen in der Lehre befindende Kassiererin nicht die Schnellste ist und zudem die zur Zahlung gebetene Rentnerin mal wieder das im vergangenen Monat zusammengesammelte Kleingeld abzählt, ist längst Geschichte. Das liegt womöglich an dem stets in einem schwelenden Gefühl ablaufender Zeit, die man sicherlich sinnvoller verbringen könnte als bei Aldi, Netto, Rewe und Co.
Dass ich dann doch noch nicht ganz alt bin, merke ich hingegen daran, dass ich bisher weder die Polizei gerufen, noch irgendwelche Türen eingetreten, Passanten vermöbelt oder Kassiererinnen/Rentnerinnen aufs Widerlichste beschimpft habe … Es gibt also noch Hoffnung.