Ich bin ein Opfer der Digitalisierung, wie wohl das Gros aller, die diesen Text jetzt gerade lesen. Ohne Internet komme ich mir amputiert vor, und dennoch weigere ich mich immer wieder, diese psychische und gefühlt physische Abhängigkeit anzuerkennen. Lieber behaupte ich stur, bei der Buchung des Urlaubs, in dem ich mich gerade befinde, ganz bewusst darauf geachtet zu haben, dass die Hütte in den Dünen Dänemarks keinen Internetanschluss hat. Stimmt natürlich nicht. Ich, Opfer der Digitalisierung, bin schlicht davon ausgegangen, dass es Orte ohne Internet heute gar nicht mehr gibt. Zumindest nicht in der Zivilisation. Maximal in der Wüste Gobi oder tief in den Gondwana-Regenwäldern. Also bin ich ordentlich ins Schwitzen geraten, als ich – einer bösen Vorahnung folgend – nachträglich die Unterlagen checkte. Kein Internetanschluss. Ein Anflug von Panik, nur beruhigt durch den Glauben an die Fähigkeiten der mobilen Datenübertragung. Leider liegt unsere Hütte so tief in den Dünen, dass auch daran nicht zu denken ist. Das klassische Funkloch eben. Die anfängliche Schockstarre weicht inzwischen einer gewissen Gelassenheit. Zumal so auch mein Improvisationstalent gefördert wird. Die Kommunikation zwischen Rechner und Smartphone verläuft zufriedenstellend, und so werde ich auch diesen Text irgendwie auf das Handy bekommen und in einem glücklichen Moment, in dem ein kurzes 3G auf dem Display aufflammt, fix verschicken.
Nicht das ist es, was mir länger Sorgen macht, sondern mein Umgang mit dem Thema an sich. Warum kann ich nicht einfach im Urlaub Urlaub machen? Mal nichts zu tun, raus aus dem Alltag, das berühmte Baumelnlassen der Seele? Stattdessen verbringe ich einen Großteil der Zeit damit, das Internet zu suchen. Woher kommt das Gefühl, irgendetwas zu verpassen, wenn man mal sieben Tage off ist? Und was sollte das sein? Die Hochzeit meiner besten Freundin mit einem Typen, den ich bis dato noch nicht mal kenne, da sie bei meiner Abfahrt noch Single war? Das endgültige Aus des Euros und die Wiedereinführung der D-Mark, noch ehe ich die letzten Münzen in meinem Portemonnaie ausgeben konnte? Eine Zombie-Invasion, die die gesamte Welt infiltriert – außer diesen einsamen Landstrich Dänemarks?
Am Ende ist es das, was ich verpasse: Mord und Todschlag in den üblichen Teilen der Welt. Eine weitere Promitrennung, die keine Sau interessiert. Den Start der 3.256. Castingshow. Ein Saufgelage meiner Freunde, an das sich von denen eh keiner mehr so recht erinnert … und fünf Arbeitstage, in denen alle anderen sich den Arsch am Schreibtisch platt saßen, während ich – im besten Falle völlig entspannt – den ewig langen Nordseestrand entlang spazierte. Gibt echt Schlimmeres.