Wahrheiten und Mythen in Tüten und Büchern

Wahrheiten und Mythen in Tüten und Büchern

Meinungsfreiheit ist eine schöne Theorie. Das erfährt auch gerade Bundesbank-Vorstand, SPDler und Buchautor Thilo Sarrazin, der mit einigen Aussagen in und zu seinem eben erschienenen Reißer „Deutschland schafft sich ab“ über das Ziel hinausgeschossen ist. Seine These in wenigen Worten zusammengefasst: Dank Bildungsmissstand, einer wachsenden Unterschicht, mangelnder Integration und Geburtenrückgang ist unser Land auf dem absteigenden Ast und in wenigen hundert Jahren nur noch Geschichte. Etwas, das sicherlich so manch einer unterschreiben würde, wäre das anonym möglich. Wirklich aussprechen würden das dagegen die wenigsten, denn ein Drive nach rechts ist dabei nur schwer von der Hand zu weisen.

Hier stellt sich allerdings auch die Frage, wie viel Deutschland die Welt überhaupt braucht? Und wie sieht das praktisch aus, wenn es uns als Volk irgendwann nicht mehr gibt? Was bleibt? Gartenzwerg und Häkeldeckchen als Relikte deutscher Spießigkeit? Schweinshaxe und Currywurst als Erinnerung an die deutsche Küche? Oder doch die Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit als deutsche Tugenden, die viele dann nur noch vom Hörensagen kennen? Vielleicht auch Alt und Kölsch als überteuertes Gut, da deren Herstellung nur noch wenigen Eingeweihten obliegt? Wird Deutschland am Ende nicht mehr als ein Mythos sein, mit einer Geschichte, die Urgroßeltern ihren ungläubig dreinschauenden Enkeln erzählen?

Wem Sarrazins Buch viel zu depremierend ist, da es neben all den gewagten Thesen auch einige ernüchternde Wahrheiten aufzeigt, dem empfehle ich stattdessen folgendes Werk als Bettlektüre: „David Hasselhoff – Die Autobiografie: Wellengang meines Lebens“. Hier gibt es ebenfalls viele (depremierende) Wahrheiten – aber eben nur über den bekanntesten Rettungsschwimmer, der gar keiner ist. Außerdem viele Mythen und am Ende ganz bestimmt auch einige ungläubig Dreinschauende. Und wenn es gut läuft und viele Mr. Hasselhoffs Buch kaufen, ist der nächste Absturz sicherlich auch nicht mehr fern, denn der Erfolg muss ja schließlich gefeiert werden. Das würde uns dann die ob seiner alkoholbezogenen Trockenlegung lauernde Gefahr ersparen, ihn weitere 20 Jahre (wahlweise mit oder ohne seine Töchter im Schlepptau) „I’ve Been Looking For Freedom“ trällern zu hören.

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