Vor zehn Jahren gründet sich in Wien die Band Wanda, die einige Jahre später mit Hits wie „Bussi Baby“ auch Fans in Deutschland begeistert. Zum Bandjubiläum erscheint nun bereits ihr fünftes Album. ntv.de erzählen sie unter anderem, warum sie heute vorzugsweise nüchtern auf der Bühne stehen.
Acht Jahre ist es her, dass Wanda mit „Amore“ ihr erstes Album veröffentlichten. Irgendwann überzeugten die Österreicher mit viel Wiener Schmäh und Hits wie „Bussi Baby“ und „Meine beiden Schwestern“ auch das deutsche Publikum von ihren Qualitäten. Nun begeht die Band um Frontmann Michael Marco Fitzhum alias Marco Wanda ihr zehnjähriges Bestehen und veröffentlicht gleichzeitig ihren fünften Longplayer unter dem einprägsamen Titel „Wanda“. Überschattet wird all das jetzt allerdings vom Tod des langjährigen Keyboarders Christian Hummer, der nach langer Krankheit Anfang der Woche im Alter von nur 32 Jahren verstorben ist.
Marco Wanda und sein Bandkollege Manuel Christoph Poppe haben bereits Mitte August mit ntv.de darüber gesprochen, wie es ist, plötzlich nüchtern auf der Bühne zu stehen und welche Erkenntnisse ihnen die vergangenen zwei Jahren sonst noch gebracht haben.
ntv.de: Es kommt häufiger vor, dass Bands ihr Debütalbum nach sich selbst benennen. Ihr habt das erst jetzt beim fünften Album getan. Hat das etwas damit zu tun, dass es sich dabei um das Jubiläumsalbum handelt?
Marco Wanda: Es hat viele Gründe. Einerseits das, andererseits sehen wir es ein bisschen als Auftrag an uns selbst, nach zehn Jahren herauszufinden, was Wanda für uns eigentlich ist. Was soll es in Zukunft sein? Und es gibt noch eine Anekdote dazu: Wir haben einen Fan, sie kam mal im Zuge der Promo-Tour fürs letzte Album zu einem Meet & Greet nach München. Auf ihrem Arm waren alle Albumtitel tätowiert. Immer auf einem Strich, und der fünfte Strich war noch offen. Der war so kurz, dass wir danach sofort wussten, wir können nur ein Wort wählen, sonst hätte sie um den ganzen Arm herumschreiben müssen.
Das ist sehr rücksichtsvoll von euch. Aber hätte es dann nicht auch „Hund“ oder „Auto“ heißen können?
Marco: Ja schon, oder „Semmel“. (lacht)
Also habt ihr während der Produktion dieses Albums viel über euch nachgedacht?https://www.youtube-nocookie.com/embed/8bFcF2ucn4g?rel=0&showinfo=0
Marco: Wir sind noch dabei. Es ging einfach alles sehr schnell. Dieser Hype um uns war irgendwie ein falsches Versprechen. Man hat uns immer gesagt, er würde aufhören, hat er aber nicht. Gefühlt war es ein einziger Aufstieg und in seiner Geschwindigkeit irgendwann unerträglich für alle Beteiligten. Uns hat die Pandemie das erste Mal die Möglichkeit gegeben, wirklich zu reflektieren. Uns zusammenzusetzen und uns zu fragen, wie geht es eigentlich den anderen damit? Ist das nach unseren Vorstellungen? Wie soll das in Zukunft ausschauen? Macht man das für immer, macht man das fünf Jahre? Macht man eine Pause et cetera.
Zu welcher Erkenntnis seid ihr bislang gekommen?
Marco: Was ich festgestellt habe, ist, dass ich eine unglaubliche Lust habe, das zu machen und eine unglaubliche Lust habe, auf die Bühne zu gehen. Das ist alles, was ich herausgefunden habe. Ich weiß, dass im Prinzip jetzt nur noch Menschen dabei sind, die das auch wollen.
Aber ausgerechnet diese Bühnenpräsenz war das, was während Corona gefehlt hat.
Marco: Stimmt, es war nicht schwer herauszufinden, dass das schon toll war vorher. Ich bin aber nicht immer so gern auf der Bühne gestanden, muss ich ehrlich sagen.
Lag das am Auftreten selbst oder am Drumherum, dem Tourleben ganz allgemein?
Das. Dieser ewige Spagat zwischen on the road und Privatleben. Ich habe mich da jahrelang sehr schwergetan. Jetzt habe ich es für mich irgendwie geordnet. Ich habe eine Zeit lang gebraucht, um den Moment genießen zu können.WANDA BEI RTL+ MUSIK
Manuel Poppe: Wir waren eben auch immer bums-zu. Vor der Pandemie, das war die erste Tour, die ich komplett nüchtern gespielt habe. Dann sieht man die Leute auch mal.
Marco: Ich war nie betrunken irgendwie. Aber verkatert. Schlimmer ist es, verkatert zu spielen, als aktiv auf Substanzen. Aber um die erste Frage mal so promomäßig wie möglich zu beantworten: Der Titel und auch das Album sind ein Geschenk an dieses Publikum, das uns zehn Jahre lang die Treue gehalten hat. Das durch die ganze Pandemie die Tickets nicht zurückgegeben hat für die Ersatztermine. Es ist eine Verbeugung vor dem Publikum.
Hattet ihr während dieser Zeit Sorge, dass es – jetzt wo ihr endlich das Nüchternspielen für euch entdeckt habt – nicht mehr zurück auf die Bühne geht wie zuvor?
Marco: Sorge eigentlich nie. Wir haben eine fantastische Live-Crew, die hat uns sehr schnell deutlich gemacht: „Wir sind da.“ Die erste Show, die wir nach dieser langen Pause gespielt haben, war im Wiener Ernst-Happel-Stadion. Ein Benefizkonzert für die Menschen, die unter dem Krieg in der Ukraine leiden. Eine riesen Sache. Auch da hat dieses Team das ehrenamtlich heruntergerissen. In diesem Moment habe ich gemerkt, was für ein Glück wir haben. Was für tolle Menschen, die sich das erste Mal nach zwei Jahren Pause ohne irgendein Symptom der Verrostung einfach so ins Stadion stellen, alles checken, alles perfekt machen, dafür, dass wir zu diesem wichtigen, bewegenden Anlass unsere Show spielen können.
Wobei man auch niemandem aus der Veranstaltungsbranche einen Vorwurf machen kann, wenn er sich in der Pandemie einen neuen Job gesucht hat …
Marco: Na klar. Es war hart für alle. Da hat es einige auch rausgehauen. Wir haben auch ein paar Leute verloren. Die haben die Branche gewechselt oder so. Aber die Leute, die jetzt dabei sind, wollen das halt wirklich. Das ist schon ein Vertrauensvorschuss, den wir auch einlösen müssen, denn wir waren schon schwierig. Mit uns zu arbeiten, war nicht immer leicht.
Aufgrund eurer Verfassung auf Tour?
Wir waren fünf verkaterte Wahnsinnige. Mit denen zu arbeiten, ist schwierig. Wir waren wie in so einem Film. Ich war blind für die Befindlichkeiten aller Menschen in meinem Umfeld, muss ich sagen. Irgendwann bin ich aufgewacht, und jetzt ist es mir sehr wichtig, wie es auch den anderen geht. Ich glaube, der Dialog hat sich vertieft.ANZEIGE
Was hat diesen Wandel vor allem hervorgerufen?
Marco: Für mich war ein Wake-up-Call, dass unser Schlagzeuger ausgestiegen ist. Das habe ich im ersten Moment nicht verstanden. Ich habe es respektiert und akzeptiert, aber ich habe es nicht verstanden. Aber wenn mir jemand sagt: „Ich will das nicht mehr machen“, dann war meine erste Frage: „Warum?“ Die musste ich dann aber bei den Hinterbliebenen sozusagen suchen. Was läuft denn bei uns falsch, dass einer geht? Klar hat es persönliche Gründe, aber es hat ja wohl auch irgendwas nicht gepasst. Zu viel Druck, zu intensiv oder whatever. Diese Dinge sind mir durchgegangen.
Ihr habt mit eurem ersten Schlagzeuger Valentin aber tollen Ersatz für euren zweiten, ausgestiegenen Drummer gefunden …
Marco: Ja, wir haben nur Glück, oder? Auch das. Ich kenne kein zweites Beispiel in der Musikgeschichte, wo ein alter Freund, ein ehemaliges Gründungsmitglied, nahtlos acht Jahre später wieder einsteigt.
Manuel: Doch, bei den Ramones. Marky Ramone ist mal ausgestiegen, war acht Jahre auf Alkoholentzug, und ist dann wieder zurückgekommen.
Fast eine Reunion – wie bei Jennifer Lopez und Ben Affleck. Die waren 17 Jahre getrennt und machen auch nahtlos weiter, wo sie aufgehört haben. Die haben sogar geheiratet.
Marco: Den Vali haben wir jetzt auch quasi geheiratet.
Hat diese neue alte Konstellation mit dem Bandgefüge noch mal was gemacht?
Marco: Ja, ja. Der Vali ist ein sehr ruhiger, aufgeräumter, nachdenklicher, reflektierter Mensch. Das tut uns sehr gut.
Manuel: Die Vorstellung, einen wildfremden Musiker nach acht oder neun Jahren ins Boot zu holen, ist schon beängstigend – für einen selbst, aber auch für jeden Musiker, den man nicht kennt und den man erst kennenlernen muss. Wenn ein neuer, alter Musiker dazu kommt, wo man einander vertraut, das ist schon sehr besonders.
Wer ist auf wen zugekommen?
Marco: Es war schon seine Idee. Es war so, dass er angeklopft und gefragt hat, ob man sich das vorstellen kann. Ich hab gesagt: „Mal schauen“, aber innerlich war ich so: „Ja sicher, ja sicher.“ Bloß nicht zu begeistert sein. Aber eigentlich am besten jetzt, am besten gestern. Die Proben mit ihm waren wie Therapie. Wir haben immer fünf Minuten Musik gemacht und ihm dann stundenlang erzählt, was die letzten fünf Jahre war. Er hat geduldig zugehört, das muss sehr anstrengend gewesen sein.
Glaubt ihr, dass euer Publikum die mentalen Veränderungen innerhalb der Band auf der Bühne spürt?
Marco: Irgendwie überträgt sich die familiäre Stimmung hinter der Bühne und im ganzen Team auf die Bühne und aufs Publikum. Ja, würde ich schon sagen, es fühlt sich so an. Die Energie ist eine ganz andere. Es ist ein sehr guter Vibe im Moment. Aber auch vom Publikum kommt erstaunlich viel. Die ersten Shows, der Vorhang fällt, und die Frage ist, was sieht man jetzt? Nach zwei Jahren? In was für Gesichter sieht man? Und ich sehe nur lachende Gesichter mit verdrehten Augen und Händen in der Luft. Da war mir klar, die sind genauso ausgehungert wie wir. Wir haben uns wirklich vermisst.